Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter. Jan Schabacker

Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter - Jan Schabacker


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offensichtlich durchgängig dazu Zeit wäre, in aller Ruhe Kaffee zu trinken. Eine erstaunliche Wahrnehmung, die nachweisbar in dieser Intensität offensichtlich nur bei den dort Beschäftigten so angekommen ist. Ich erkläre, bemüht, die Diskussion zu entschärfen, dass dieser Eindruck von anderen überhaupt nicht gespiegelt wurde, im Gegenteil: Die Behördenleitung sei sehr zufrieden mit dem Bericht gewesen. Doch das Verständnis für meine Worte ist nicht ausgeprägt. Und dann kommt die Äußerung eines Kollegen, die die fehlende Kenntnis über die rechtlichen Zusammenhänge deutlich belegt. „Wie kann es überhaupt sein, dass ein solcher Text veröffentlicht wird, ohne dass die Pressestelle des Polizeipräsidiums ihn gelesen und korrigiert hat?“ Treffender kann man den Akt der (hier gewünschten) Zensur nicht beschreiben. Man kann sich vorstellen, dass meine vorsichtigen Erläuterungen zu diesem Thema zunächst auf wenig Verständnis stießen. Letztendlich konnte ich aber deutlich machen, dass genau das, insbesondere unter grundrechtlichen Aspekten, absolut unzulässig ist. Die Presse ist frei in der Berichterstattung. Sie allein bestimmt, in welcher Form über Themen berichtet wird und wie sie präsentiert werden. Doch diese Einschätzung ist kein Einzelfall. Immer wieder werde ich gefragt, wie es möglich ist, dass Dinge in der Zeitung stehen, die ich quasi nicht autorisiert habe. Dann kann ich nur sagen: Weil die Presse in ihrer Berichterstattung frei ist und eine Zensur nicht stattfindet.

       Zensur:

      Eine zumeist von staatlichen Stellen oder Regierungen angeordnete Kontrolle der Inhalte von Druckerzeugnissen oder auch elektronischen Veröffentlichung auf unerwünschte Inhalte mit dem Ziel, selbige zu löschen oder umzuschreiben.

      Im Rahmen der guten Zusammenarbeit gibt es auch Journalisten, die sich darauf einlassen, dass der Text im Vorfeld durch die Pressestelle gegengelesen wird, und in beiderseitigem Einverständnis ist das auch absolut legitim. In der Regel will der Journalist sich in solchen Fällen absichern, dass der Bericht keine fachlichen Fehler enthält. Das ist ein wirklicher Akt der vertrauensvollen Zusammenarbeit, den die Pressesprecherin oder der Pressesprecher natürlich jederzeit einzufordern versuchen kann. Man sollte dies allerdings nur in Kenntnis der rechtlichen Voraussetzung und mit der gebotenen Vorsicht tun, um das gute Verhältnis nicht überzustrapazieren. Fängt man in einem solchen Fall an, den Text stilistisch umzuschreiben oder fernab von fachlicher Bewertung neu zu formulieren, könnte das sehr schnell das letzte Mal gewesen sein, dass ein Journalist den Text oder die Textpassage vorab zur Durchsicht zur Verfügung stellt. Die notwendige Sensibilität kann hier helfen, das vertrauensvolle Miteinander zu stärken und dafür zu sorgen, auch künftig gegebenenfalls bei komplexen Themen Gelegenheit zu bekommen, vor Veröffentlichung auf einen Text zu schauen.

      Regelmäßig räumen Journalisten die Möglichkeit des Redigierens bei schriftlichen Interviews ein. Hier geht es um das vermeintlich persönlich gesprochene Wort. Zumindest wird dem Leser das über den Interviewartikel suggeriert. Auch hier besteht keinerlei Verpflichtung des Journalisten, so zu verfahren. Umgekehrt besteht aber auch für die Behörde keine Verpflichtung, ein persönliches Interview zu geben. Insofern findet man hier unter den beschriebenen Vorgehensweisen zusammen, sodass beide Seiten von der Berichterstattung profitieren. In jedem Fall sollte dieses Vorgehen bei einem persönlichen Interview entsprechend eingefordert werden, um Schiffbruch auf Kosten des Interviewpartners zu verhindern.

       Die Auskunftspflicht der Behörden

      Die Gewährleistung der Pressefreiheit bedeutet nicht nur, dass staatliche Organe die Presse in ihrer Arbeit nicht beschränken dürfen, sondern es ergibt sich daraus auch die Verpflichtung, die Pressearbeit in der Form aktiv zu unterstützen, dass zumindest auf Nachfrage der Presse alle notwendigen Informationen zur Berichterstattung zur Verfügung gestellt werden müssen. Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, die abschließend in den Pressegesetzen der Länder geregelt sind, kann von der Auskunftspflicht abgesehen werden. Auch dieser Punkt sorgt häufig für Unverständnis in der Kollegenschaft. Wieso muss man diese oder jene Information zum jetzigen Zeitpunkt der Presse auf Anfrage mitteilen? Warum müssen wir zu diesem Thema Stellung nehmen? Auch diese Frage ist simpel zu beantworten: Es ist das Recht des Journalisten. Und hier schließt sich der Bogen zur Einführung dieses Kapitels: „Dazu sagen wir nichts“, ist meist nicht die probate Lösung, im Übrigen aber auch häufig dann nicht, wenn keine rechtliche Verpflichtung zur Auskunft besteht. Denn wer nichts sagt, über den wird geredet und die Deutungshoheit geht komplett verloren. Doch vorab solcher „pressetaktischer Erwägungen“ geht es hier zunächst nur um die rechtlichen Voraussetzungen und Einschränkungen.

       Die Einschränkung der Pressefreiheit

      Grundsätzlich ist die Behörde zu Auskünften an die Presse verpflichtet. Dieser Anspruch ergibt sich unmittelbar aus Artikel 5 (1) GG. Die Rechte aus Artikel 5 (1) GG finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

      Dieser Auszug aus Artikel 5 GG schränkt die Freiheit der Presse ein. Die Einschränkung des Presserechts manifestiert sich vor allen Dingen in den Landespressegesetzen als allgemeine Gesetze, die in ihren Ausführungen hinsichtlich der Einschränkung der Pressefreiheit nahezu identisch sind. Zur expliziten Benennung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre in Artikel 5 (1) GG gibt es unterschiedliche Auffassungen, die unter anderem die These eines eher deklaratorischen Charakters dieser Formulierung stützen, um diese schutzwürdigen Güter besonders hervorzuheben. Da aber auch diese Rechte aus meiner Sicht vornehmlich ihren Schutz in den allgemeinen Gesetzen finden, vernachlässigen wir die explizite Benennung dieser Begriffe. In der alltäglichen Arbeit ist mir bislang kein Fall begegnet, in dem die rechtliche Definition dieser Begriffe oder daraus resultierende Einschränkungen des Presserechts zu Problemen geführt haben. Ist das im Einzelnen der Fall, so muss in der entsprechenden Fachliteratur nachgeforscht werden.

      In Nordrhein-Westfalen gibt § 4 Landespressegesetz die abschließende Aufzählung der Fälle wieder, in denen die Presse keinen Anspruch auf Information gegenüber staatlichen Institutionen innehat. Aus Absatz 1 ergibt sich noch einmal expressis verbis das Informationsrecht der Presse.

       § 4 Landespressegesetz NRW: Informationsrecht der Presse

      (1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.

      (2) Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit

      1. durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder

      2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder

      3. ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder

      4. deren Umfang das zumutbare Maß überschreitet.

      (3) Allgemeine Anordnungen, die einer Behörde Auskünfte an die Presse überhaupt, an diejenige einer bestimmten Richtung oder an ein bestimmtes periodisches Druckwerk verbieten, sind unzulässig.

      (4) Der Verleger einer Zeitung oder Zeitschrift kann von den Behörden verlangen, dass ihm deren amtliche Bekanntmachungen nicht später als seinen Mitbewerbern zur Verwendung zugeleitet werden

      In Absatz 1 manifestiert sich die Verpflichtung, Presseanfragen zu beantworten. Wichtig dabei: Es ergibt sich keine Verpflichtung zur aktiven Pressearbeit aus den rechtlichen Vorschriften der Pressegesetze. Immer wieder fordern Journalisten über nahezu jeden polizeilichen Sachverhalt informiert zu werden und führen dazu das Presserecht im Schilde. Das ist aber allerhöchstens dann legitim, wenn die Behörde die Veröffentlichung eines Sachverhaltes mit dem Ziel unterlässt, die Bevölkerung über einen allgemein bedeutsamen Sachverhalt im Dunkeln zu lassen. Das gilt sicherlich nicht für jeden Einbruchdiebstahl oder Verkehrsunfall. Aber: Aktive Medienarbeit ist heute aus den Polizeipressestellen nicht mehr wegzudenken. Auf der einen Seite benötigen Journalisten die Informationen der Polizei, um eine umfassende Berichterstattung über die Geschehnisse in einem regionalen Bereich überhaupt


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