Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter. Jan Schabacker

Polizeiliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im digitalen Zeitalter - Jan Schabacker


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einer Behörde natürlich auch von diesem Status. Denn die Journalisten könnten ohne die Informationen, die sie tagtäglich von den Pressestellen der Polizeibehörden erhalten, wohl keine aktuelle regionale Berichterstattung von Interesse für die Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Insofern können wir auch in dem Bewusstsein handeln, insbesondere für die Lokalpresse vor Ort ein überaus wichtiger Dienstleister und Informationsgeber zu sein. Aktive Pressearbeit, also das aus eigenem Antrieb ohne konkrete Nachfrage der Presse Veröffentlichen von Presseberichten über polizeiliche Sachverhalte, ist heute Alltagsgeschäft jeder Polizeipressestelle in Deutschland.

      Regelmäßig bewegt die Pressestellen die Frage der aktiven Veröffentlichung, wenn beispielsweise Belange des Opferschutzes tangiert sind. Das ist zum Beispiel immer wieder bei Sexualdelikten der Fall. Auf der einen Seite steht das in vielen Fällen stark traumatisierte Opfer, dessen seelischer Schaden durch die Tat bereits immens ist und der durch eine aktive Berichterstattung, von Medien gegebenenfalls noch reißerisch präsentiert, zusätzlich verstärkt werden kann. Auf der anderen Seite handelt es sich um eine schwere Straftat, die in der Bevölkerung regelmäßig auch zum Anspruch auf umfassende Informationen führt. Schon jetzt ist klar, dass es sich um eine schwierige Rechtsgüterabwägung handelt. Dazu bewegt die Frage: Ist der Täter bekannt oder unbekannt? Können gegebenenfalls über eine aktive Berichterstattung Hinweise aus der Bevölkerung auf ihn erlangt werden, die zum polizeilichen Erfolg, nämlich zu einer Festnahme, führen? Und noch schwieriger wird es, wenn es Hinweise darauf gibt, dass der Täter einen Migrationshintergrund hat. Spätestens dann bewegen wir uns in einem hochpolitischen Minenfeld, wenn die Tat zunächst verdeckt gehalten wird, auch wenn das aus Gründen des Opferschutzes geschieht. Wenn sich bei Medien nur der Hauch des vermeintlichen Eindrucks einstellt, dass Informationen vielleicht auch zurückgehalten werden, um bestimmte politische Einschätzungen und Wertungen nicht zu befeuern, wird es für die handelnde Behörde extrem schwierig. Sie muss sich in einem solchen Fall auf entsprechende öffentliche Kritik einstellen, und häufig findet sich dann auch bei den politischen Entscheidungsträgern keine Rückendeckung mehr. Beispiele dafür gibt es aus der täglichen Pressearbeit zur Genüge. Wie geht man mit einem solchen Sachverhalt um?

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       Bild: Vergewaltigung auf Friedhof, „Minister kritisiert Pressearbeit“

      Vor weiteren Ausführungen zu den Einschränkungen des Presserechts ist der Fall rein rechtlich betrachtet, noch relativ eindeutig einzuordnen. Aktive Pressearbeit ist nicht verpflichtend, die Behörde muss den Sachverhalt aus presserechtlichen Erwägungen also nicht veröffentlichen. Medientaktisch sollten aber weitere Überlegungen eine Rolle spielen: Welche Vorwürfe tauchen in der Berichterstattung auf, wenn die Geschichte erst später in die Öffentlichkeit kommt (Verschleierungstaktik der Behörde, politische Einflussnahme, um Ausländer nicht in ein schlechtes Licht zu rücken …)? Wie wahrscheinlich ist es, dass die Geschichte auf anderem Weg als durch aktive Pressearbeit der Polizei in die Medien gelangt (Tatort, Tatzeit, Wahrnehmung in der Bevölkerung, wie viele Personen wissen von der Tat)? Wie stark ist das Recht des Opfers auf Schutz vor öffentlicher Berichterstattung im konkreten Fall zu werten (Alter, Herkunft, individuelle Persönlichkeit)? Außerdem muss bereits hier ein weiterer wichtiger Hinweis in der rechtlichen Bewertung platziert werden, auf den ich aber auch später noch einmal eingehe: die Frage der Zuständigkeit. Herrin des Strafverfahrens ist die Staatsanwaltschaft. Ihr obliegt in solchen Fällen (je nach Absprache mit der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft) auch die Hoheit über Presseauskünfte. Es gibt sehr unterschiedliche Regelungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden zur Pressearbeit. Während in vielen Behörden die Polizei autorisiert ist, bis hin zum Tötungsdelikt zunächst eigenständig Pressearbeit zu betreiben, gibt es auch Regelungen, bei denen die Staatsanwaltschaft sich bereits bei einem Raub die Pressearbeit in eigener Zuständigkeit vorbehält. Wichtig ist: Die örtlich bestehenden Regelungen müssen zwingend beachtet werden. Aber natürlich hat die Pressestelle der Polizei in einem Fall wie dem oben skizzierten auch eine Beratungspflicht der zuständigen Stelle gegenüber. Unterm Strich wird es regelmäßig zu einer gemeinsamen Veröffentlichung kommen, in der Polizei und Staatsanwaltschaft als gemeinsam ermittelnde Partnerbehörden auftreten. In der Regel erfolgen enge Absprachen zwischen den beteiligten Institutionen, bei denen die benannten Fragen auch eine Rolle spielen. Institutionen, bei denen die benannten Fragen auch eine Rolle spielen. Im Falle eines schweren Sexualdelikts mit einem tatverdächtigen Migranten sollte in die Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellungen unabhängig von grundsätzlichen Absprachen die StA immer eingebunden werden, da hier die für die Ermittlungen verantwortliche Behörde immer mit im Boot sitzt, wenn die Medienberichterstattung Fahrt aufnimmt.

      In der praktischen Anwendung dürften die einschlägigen Vorschriften aus den Landespressegesetzen zur Einschränkung der Pressefreiheit die mit Abstand größte Bedeutung der Rechtsvorschriften für die tägliche Arbeit haben. Sie manifestieren sich in Nordrhein-Westfalen in § 4 (2) Landespressegesetz NRW. Im Kern finden sich in allen Landespressegesetzen ähnliche Vorschriften, die aber von Bundesland zu Bundesland durchaus in Nuancen variieren können. Sieht die Behörde ein Problem in der Beantwortung einer Anfrage, wird sie zunächst vorrangig prüfen, ob eine rechtliche Verpflichtung zur Beantwortung der Anfrage besteht (§ 4 (1) Landespressegesetz NRW) oder ob sich aus § 4 (2) Landespressegesetz NRW ein Tatbestand ergibt, der den Anspruch auf Beantwortung verneint. In der Kurzzusammenfassung sind regelmäßig folgende Punkte vorab zu prüfen:

      1. Ist ein schwebendes Verfahren tangiert und wird es gegebenenfalls durch Berichterstattung beeinflusst?

      2. Werden Vorschriften der Geheimhaltung tangiert (auch VS nfD!)?

      3. Werden durch eine Berichterstattung auf Grundlage unserer Auskunft öffentliche oder private Interessen tangiert?

      4. Übersteigt der Umfang der Beantwortung der Anfrage das zumutbare Maß?

      Kommt der handelnde Pressesprecher oder die handelnde Pressesprecherin zu dem Schluss, dass einer der Punkte greifen könnte, sollte man nun in eine tiefere Rechtsprüfung des konkreten Falls einsteigen. Hier ist es ratsam, auf entsprechende Fachliteratur und gegebenenfalls einschlägige Urteilsrecherche zurückzugreifen, um möglichst rechtssicher und damit sattelfest in der Argumentation zu handeln. Aufgrund der Komplexität und der Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte, die hier von Relevanz sein könnten, wird auf eine detailliertere Erläuterung der rechtlichen Vorschriften zur Pressearbeit an dieser Stelle verzichtet. Im Grundsatz muss jeder Pressesprecherin und jedem Pressesprecher klar sein: Das Anspruchsrecht der Presse auf behördliche Auskunft zu angefragten Sachverhalten ist eines der wichtigsten Rechtsgüter für den Erhalt unserer Demokratie. Die Einschränkung muss zweifelsfrei rechtlich begründbar sein. Im Zweifelsfall empfehle ich immer, den Anspruchsberechtigten besser eine knappe als gar keine Antwort zu geben. Denn eine vom Journalisten als „Totalverweigerung“ empfundene Nichtbeantwortung einer Anfrage durch eine staatliche Institution führt regelmäßig zu einem hohen negativen Emotionalisierungsgrad und gegebenenfalls auch tatsächlich zur rechtlichen Überprüfung der behördlichen Entscheidung. Mit diesem Bewusstsein und der Kenntnis über die einschlägigen Paragrafen ist jeder Lebenssachverhalt im polizeilichen Alltag der PR-Dienststellen zu bewerten.

      Ausgesprochen wichtig ist bei der Bewertung, dass es hier nicht darum geht, keine Auskunft geben zu dürfen, sondern keine Auskunft geben zu müssen. Stellen wir fest, von der grundrechtlich verbrieften Auskunftspflicht aufgrund der spezialgesetzlichen Regelungen entbunden zu sein, bleiben immer noch die medientaktischen Überlegungen bestehen, wie sie bereits im Sachverhalt der Vergewaltigung beispielhaft beschrieben wurden. Unter Einbeziehung dieser Parameter kann auch der Schluss im Einzelfall naheliegen, trotz der Entbindung zur verpflichtenden Auskunft den Medien die Informationen zu einem bestimmten Sachverhalt zu geben. Dadurch dürfen natürlich andere Rechtsbereiche, wie zum Beispiel die Pflicht zur Geheimhaltung, nicht tangiert werden. Die rechtliche Prüfung zur Auskunftsverpflichtung sollte also nie medientaktische Überlegungen ausschließen.

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       Die Pressefreiheit ist einer der Grundpfeiler


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