PYROMANIA. DAS WELTENBRENNEN. Victor Boden
aus dem Übersetzungsgerät um Christies Hals, »stabil und fremd.«
»Wir sind bereit, unsere Hilfe anzubieten«, erklärte Matt.
»Opfert die Lebewesen in dem Metallding«, war die Antwort. Patricias Züge versteinerten. Dies war eine offene Kriegserklärung. Wie würde der Erste Offizier darauf reagieren?
»Ich verstehe nicht«, entgegnete Matt. Das Wesen blickte ihn intensiv an, dann sagte es: »Es spielt keine Rolle. Wir brauchen Eure Stabilität, um unsere Varianz zu besiegen.«
Ein titanenhaftes Wesen bildete sich im Hintergrund, welches der Jules III allein an Masse um ein Vielfaches überlegen war. Krachend erhob sich der Gigant aus dem morastigen Boden. Pflanzen, Tiere und Steine verschmolzen zu einer Kreatur.
»Hier verändert sich wieder alles«, erklärte Bonnie. Die Luft reichert sich in unglaublicher Geschwindigkeit mit Sauerstoff und Methan an.« Sie blickte nach draußen. »Faszinierend, eben konnte man die Luft nicht atmen, jetzt entsteht dort draußen das reinste Gebräu.«
»Matt Christie, sofortiger Rückzug zum Schiff«, befahl Patricia über Sprechfunk. »Schnell!«
»Jambaar, alle Kanonen feuerbereit.« Patricia hielt das Steuerrad fest in den Händen. »Olivia, die Maschinen starten. Notfallraketenstart! Keine Widerrede. Alles auf volle Kraft!«
»Matt Christie«, rief sie und blickte durch die Scheibe. Der Erste Offizier hatte beide Revolver auf den Abgesandten des Planeten Varietas abgefeuert. Blutend sank das Wesen zu Boden. Der sich bildende Koloss schlurfte näher heran. Sein Schatten verdunkelte bereits das Schiff. Unter sich spürte Patricia das Heulen der Dampfturbinen.
»Ich bin drin«, kam Matts gehetzte Stimme über das interne Fernsprechsystem.
»Jambaar, Feuer frei!« Die Antwort in Form von aufblitzenden Projektilen kam prompt. Sie schloss die Augen und dennoch blendete sie der helle Widerschein der Explosion.
Im selben Moment ging ein gewaltiger Ruck durch die Jules III. Sie hob ab und entfernte sich vom brennenden Planeten Varietas. Die Flammen wurden durch den Weltraum rasch gelöscht, doch überall auf dem sonderbaren Trabanten schossen Feuerlohen ins All. Die Jules III machte gute Fahrt. Als sie gebührenden Abstand zwischen sich und Varietas erreicht hatten, ließ Patricia die Maschinen stoppen.
»Sauerstoff und Methan«, sagte Bonnie Leach und blickte bewundernd zu Patricia auf, »ziemlich schlau.«
»Ein explosives Gemisch, wahrhaftig«, erwiderte Patricia. »Hoffentlich können wir die Äthersegel rasch genug reparieren.« Ihr fiel die Sache mit den abgetöteten Fliegen im Spinnenzuchtraum wieder ein.
»Tom, wie steht es um die Fliegen?«
»Gut, Kapitänin, ich habe einige Brummer von diesem verrückten Planeten eingefangen und in den Spinnenraum gesetzt. Die Viecher entwickeln sich prächtig. Sie wachsen bereits auf doppelte Größe an …«
»Was, die Fliegen sind bereits doppelt so groß?« Sie fand Halt am Steuerrad. Welche Folgen könnte diese Unbedarftheit mit sich bringen?
»Die Spinnen sind auch gewachsen, Kapitänin, ich denke, die Segel werden in kürzester Zeit repariert sein, Kapitänin.«
»Danke, Tom«, antwortete sie und ihre Beine drohten wegzubrechen. Eigentlich waren es gute Nachrichten, doch was geschah, wenn das Wachstum sich nicht mehr stoppen ließ?
»Kapitänin«, sagte Matt Christie und baute sich lässig neben ihr auf. »Sie sind wahrhaftig eine ›Tochter des Teufels‹.«
Für diese Unverschämtheit hätte sie ihn zu einem anderen Zeitpunkt mit der Peitsche traktiert, an diesem Punkt ihrer Reisesie nur zutiefst dankbar, dass er an ihrer Seite stand. Was die mutierten Spinnen anging, so konnte sie ohnehin nur abwarten. Beobachten und warten.
»Was ist mit unserem Auftrag?«, fragte er leise. »Die aggressive Forschung in den Kolonien des Kosmos?«
»Wird abgesagt«, flüsterte sie. »Mein Ziel ist die Rückkehr. Alle und unversehrt. Mit welchen Mitteln auch immer.«
»Ich bin dabei.« Sein Goldzahn blitzte auf.
Paul Sanker: Des Elfenkönigs Kinder
»Bringen Sie die Sache wieder in Ordnung, Paul!« Ein Zittern durchfuhr seinen nass geschwitzten Körper.
»Egal wie, verstehen Sie mich, Paul?« Das Zittern verstärkte sich und wurde zu einem Beben, das zunächst nur das halbgefüllte Wasserglas auf dem Tischchen neben seiner Koje erfasste, aber rasch auf die gesamte Ruhekabine übergriff.
Paul Midget schreckte aus einem viel zu kurzen, unruhigen Schlaf. Seinen unter der Decke nackten Körper überlief es abwechselnd heiß und kalt. Er hatte schlecht geträumt, keine Frage, aber das Beben blieb. Paul seufzte.
Nun war es soweit. Die Pyrrhus II war im Landeanflug auf Oberon, den zweitgrößten der siebenundzwanzig Uranusmonde. General Maximo würde in wenigen Minuten in der Forschungsstation eintreffen.
Der Chefbiochemiker schluckte, um seinen imaginären Kloß im Hals loszuwerden, doch das Unbehagen in seiner Brust wollte nicht weichen. Was würde er dem obersten Sicherheitsadministrator der Solaren Planetenföderation berichten können? Das gesamte Projekt stand auf dem Prüfstand. Er durfte sich nichts vormachen: Im Grunde stand sogar sein eigenes Leben auf dem Spiel.
Paul Midget war seit mehr als fünf Jahrzehnten der bedeutendste Wissenschaftler auf dem Gebiet der niedermolekularen Nanotechnologie. Das Nanozeitalter hatte auf der Erde im Jahre 2014 begonnen, das war jetzt mehr als tausend Jahre her. Inzwischen wurde fast alles auf der Erde und den besiedelten Planeten des Sonnensystems aus Nanosiliziumdioxid hergestellt.
Die universellen Einsatz– und Gestaltungsmöglichkeiten revolutionierten die Weltwirtschaft und schufen ungeahnte technische Entwicklungen. Die Grundvoraussetzungen zum Aufbau der kommerziellen Raumfahrt waren plötzlich gegeben, bis hin zur Produktion von Raketenantrieben, die der Lichtgeschwindigkeit ziemlich nahe kamen.
Midget allerdings war noch etwas ganz anderes gelungen …
Mach dir keine Sorgen Paul. Wir sind bei dir und unterstützen dich. Das Wispern in seinem Kopf beruhigte ihn sofort. Eine Endorphindosis wurde in seinem Körper freigesetzt und führte zu einem Glücks- und Allmachtsgefühl, das ihn laut auflachen ließ.
Nachdem er geduscht und seine Arbeitsmontur angezogen hatte, machte er sich auf den Weg zur operativen Zentrale. Der Daumensensor ließ das elektromechanische Schott lautlos beiseite gleiten.
»Hallo, Paul! Na, ausgeschlafen?« Sein Stellvertreter Jud Ischar empfing ihn mit einem breiten Grinsen auf dem Dreitagebartgesicht.
»Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus«, meinte er und zeigte mit einer theatralischen Handbewegung auf den Monitor. Die Pyrrhus II war inzwischen gelandet und ein Magnetgleiter mit dem General an Bord näherte sich der Forschungsanlage. Wieder stieg eine leichte Unruhe aus seinem Bauch bis zur Kehle hoch.
»Der Oberkrieger unseres glorreichen Planetenreiches will dir bestimmt für deinen Durchbruch in der Entwicklung des neuen gequanteten Pulsationsantriebs gratulieren.«
Ein tückisches Blitzen trat in Ischars Augen, während das Grinsen wie eingefroren bestehen blieb.
Er lügt!, wisperte es wieder. Er weiß ganz genau, was der General von dir will. Paul musste ein unwillkürliches Kopfnicken unterdrücken, um seinen Stellvertreter nicht misstrauisch zu machen.
Ischar war ein Verräter. Das wusste Paul schon seit Langem. Laurin hatte es ihm gesagt. Jud waren die Gründe für das so kurzfristig angekündigte Auftauchen Maximos genau bewusst. Denn Ischar selbst hatte sich heimlich mit dem Kriegsministerium in Verbindung gesetzt, um den General über die aktuellen Vorgänge auf Oberon zu unterrichten.
Natürlich war seinem Stellvertreter nicht verborgen geblieben, dass sich das