PYROMANIA. DAS WELTENBRENNEN. Victor Boden

PYROMANIA. DAS WELTENBRENNEN - Victor Boden


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Jahr zu seiner Verblüffung festgestellt, dass sich die Bucky Balls ab einer gewissen Molekülmenge selbst reproduzieren konnten, indem sie die Atomstruktur fremder Teilchen in der Umgebung veränderten. Durch eine Art der nuklearen Transmutation wurden Sauerstoff und Stickstoff der Atemluft in Kohlenstoffnanopartikel verwandelt.

      Die wachsende Bucky-Ball-Population schloss sich zu kristallinen Objekten zusammen, die Diamanten glichen, deren Größe und Formen wechselten, da sie ihren Aggregatzustand ständig änderten. Die Fähigkeit, in gasförmigem Zustand durch die Haut in den menschlichen Körper eindringen zu können, erkannte Midget erst, als es in seinem Kopf zu wispern anfing.

      Die Schleusen der Pyrrhus II öffneten sich. Aus dem fast einen Kilometer langen zylindrischen Rumpf des Schlachtschiffes ergoss sich eine Armada von mehr als tausend Kampfrobotern über die aus Ammoniakeis bestehende Oberfläche des Uranusmondes. General Maximo hatte den Angriffsbefehl erteilt. Die Kampfmaschinen verteilten sich auf dem drei Quadratkilometer großen Forschungsgelände und drangen fast gleichzeitig in die zwei Dutzend kuppelförmigen Laboratorien ein.

      Schon bald erreichte eine Gruppe von ihnen auch das Zentralgebäude. Das Schott öffnete sich und fünf Roboter bauten sich vor Midget auf, die aus dem Stahlrumpf ausgefahrenen Blaster waren drohend auf den Wissenschaftler gerichtet.

      »Im Namen der Vereinigten Planetenföderation werden Sie aufgefordert, uns Ihre unverschlüsselten Forschungsdateien zu übermitteln, Professor Midget.«

      Die kalte, metallische Stimme des Roboters hallte unmelodisch durch den Raum. Paul erhob sich von seinem Platz und stellte sich ganz dicht vor die Maschine, die ihn um mehr als eine Kopflänge überragte.

      Es war schön, dich kennengelernt zu haben, Paul. Laurins Worte schwebten durch Midgets Gehirn. Doch nun ist die Zeit des Abschieds gekommen.

      Eine feine, hellblaue Aureole drang aus der Silhouette des Biochemikers und umhüllte ihn für Augenblicke wie ein phosphoreszierendes Leuchten. Dann löste sich die Aura von seinem Körper, sammelte sich zu einem nebelartigen Schleier und ließ sich auf dem Titankorpus des Roboters nieder, wo er innerhalb von Sekunden wieder verblasste. Kurz darauf sackte Midgets Körper haltlos in sich zusammen, so, als habe man plötzlich die Luft aus einem Ballon gelassen.

      Mit hellem Summen fuhr die Maschine ihren Sensortentakel aus, der für Sekunden über der regungslosen Gestalt schwebte. »Professor Midget ist tot«, meldete der Kampfroboter schließlich an Maximo.

      Der General nahm die Nachricht stirnrunzelnd im Kommandostand seines Flaggschiffs Gigas I entgegen, das in einer parabolischen Umlaufbahn Oberon umkreiste.

      Was stimmte da nicht? Das seltsame Verhalten Midgets hatte ihn zutiefst irritiert. Der Wissenschaftler hatte deutlich wesensverändert gewirkt. Möglicherweise stand das mit der Kontamination durch die Nanopartikel in Zusammenhang.

      Maximo wurde mit einem Mal bewusst, dass es höchste Zeit war, einzugreifen. Die Verbreitung von Bucky Balls auf die solaren Kolonien oder sogar auf die Erde hätte katastrophale Folgen haben können.

      »Wie weit ist die Säuberungsaktion fortgeschritten?«, erkundigte sich der General.

      »Extinktionsphase abgeschlossen. Die Leichen aller zweihundertzweiundvierzig Mitarbeiter der Forschungsbasis wurden wie befohlen durch Fusionslaser bei sechstausend Grad Celsius verdampft«, kam die Antwort von der Mondoberfläche.

      »Nun gut …«, knurrte der General aufatmend. »Nach Sicherung der Forschungsdaten zu Projekt Prometheus folgt wie vorgesehen die thermonukleare Endsäuberung.«

      »Der Forschungsbasis?«, fragte die elektronische Stimme am anderen Ende des Intersolarkommunikators.

      »Nein. Des gesamten Mondes!«

      Damit unterbrach Maximo die Verbindung.

      Nachdenklich ließ er sich in seinem Sessel zurücksinken. War diese extreme Vorgehensweise wirklich notwendig? Im Unterschied zum größten Uranusmond Titania war Oberon nicht von Kolonisten besiedelt. Er diente dem Kriegsministerium als Forschungsbasis, auf dem geheime Projekte realisiert und neue Waffensysteme getestet werden konnten. Die Gefahr, dass sich Bucky Balls außerhalb des Sperrgebietes auf der lebensfeindlichen Mondoberfläche ausbreiten konnten, erschien weitgehend ausgeschlossen. Dennoch … Der General wollte kein Risiko eingehen.

      Nur zehn Kampfroboter kehrten nach einer einstündigen Neutronendusche zur Oberflächensterilisation in die Pyrrhus II zurück. Mehr waren nicht erforderlich, um das Schiff zu starten und in den Orbit zu steuern. Die übrigen etwa tausend Maschinen verteilten sich auf der sieben Millionen zweihundertfünfundachtzigtausend Quadratkilometer großen Mondoberfläche, wo sie regungslos auf ihren letzten Befehl warteten.

      Maximo starrte gebannt auf den Panoramabildschirm. Als sämtliche Roboter ihre vorgesehenen Positionen eingenommen hatten, gab der Zentralcomputer der Gigas I den Zündbefehl, der zur Kernschmelze in den internen Antriebsreaktoren führte. Was folgte, war die zeitgleiche Detonation von tausend Atombomben, die zum Aufblühen von tausend Feuerblasen führte. Innerhalb kürzester Zeit erhitzte sich die Oberfläche Oberons auf mehr als dreißigtausend Grad Celsius. Aufgrund der fehlenden Atmosphäre vollzog sich das Geschehen weitgehend lautlos. Es entstanden auch keine Feuersäulen oder Rauchpilze.

      Allerdings reagierten die Wasser-, Stickstoff- und Methanverbindungen Oberons mit einem gelbroten Aufglühen, das einem Lavastrom nach einem Vulkanausbruch glich. Das Schauspiel dauerte jedoch nicht lange. Die Mondoberfläche kühlte schnell wieder ab und verdunkelte sich, aufsteigende Gasschwaden verloren sich im Vakuum des Alls.

      »Ein Kampfroboter der Pyrrhus II bittet darum, zur Berichterstattung vorgelassen zu werden, General Maximo.«

      Eine Gänsehaut überfiel Maximo, als er die Worte des Dritten Bordoffiziers vernahm. Es war keinesfalls üblich, dass ein Roboter nach einem Kommandounternehmen direkt der Einsatzleitung Bericht erstattete. Vielmehr wurden die aufgezeichneten Daten in den Zentralrechner gespeist, von wo aus sie jederzeit abrufbereit waren. Eine böse Vorahnung beschlich den General.

      »Das kommt nicht infrage!«, erwiderte er strikt. »Er soll auf der Pyrrhus II bleiben und auf weitere Befehle warten.«

      Kurze Stille. Dann ein unsicheres Räuspern vom Bordoffizier.

      »Kampfbot DZ-210-C ist bereits an Bord, General. Er hatte vor zehn Minuten mit einer Fähre angedockt.«

      »Was?«, schrie Maximo fassungslos. »Ihr lasst etwas in mein Flaggschiff, das sich kurz zuvor noch auf diesem verseuchten Mond befunden hat?« Seine Stimme überschlug sich fast vor Wut.

      »Die Hygienevorschriften wurden befolgt. Alle Roboter haben sich der Neutronendusche unterzogen. Es gibt nichts, was eine derartige Prozedur überlebt«, verteidigte sich der Dritte Offizier.

      Bevor Maximo etwas erwidern konnte, wurde er durch einen Aufschrei unterbrochen.

      »Was ist das?« Der Navigationsingenieur deutete aufgeregt auf den Panoramabildschirm. Maximo sah sofort, was den Mann so aus der Fassung brachte. Überall auf Oberons Oberfläche fing es plötzlich an, wie in einer Lichterkette zu funkeln und zu glitzern.

      Die Zoomoptik zeigte, dass das Sonnenlicht von zahlreichen Kristallbrocken unterschiedlicher Größe reflektiert wurde. Und ihre Menge nahm immer weiter zu. Sie schienen regelrecht aus dem Boden hervorzukriechen. Der General erkannte die niederschmetternde Wahrheit sofort.

      »Diamanten«, flüsterte er fasziniert. »Millionen von Bucky-Ball-Diamanten.« Die Nanointelligenz hatte ihren Aggregatzustand geändert, um die verheerende Kernschmelze zu überstehen.

      Das Zentralschott glitt zur Seite. Geistesabwesend registrierte General Maximo, wie der Kampfroboter den Kommandostand der Gigas I betrat. Niemand der Anwesenden nahm Notiz davon. Alle beobachteten wie gebannt die Vorgänge auf der Mondoberfläche. Ohne ein Wort näherte sich DZ-210-C dem General und blieb neben ihm stehen. Eine hellblaue Aureole umgab die Maschine wie ein flimmernder Schweißfilm, erhob sich, bildete einen feinen Schleier,


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