Harry Harrison - Weltenbummler und Witzbold. Hardy Kettlitz

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auf sich allein gestellt und ihre Bewohner haben sich an ihre jeweilige Umwelt adaptiert. Die Erde gilt auf vielen Planeten nur als Legende.

      Die mächtige »Gesellschaft für kulturelle Beziehungen«, kurz GKB, arbeitet im Hintergrund daran, die Menschen auf »Problemwelten« vor der Vernichtung zu retten und stabile, zivilisierte Gesellschaften zu etablieren. Sie mischt sich also diskret auf Welten ein, deren Bewohner sich aus eigener Kraft nicht aus global bedrohlichen Gefahren retten können.

      Der Held von Planet of the Damned, wie auch der der Fortsetzung, ist Brion Brandd (dem in der deutschen Übersetzung das zweite d in seinem Nachnamen abhandengekommen ist), der auf dem Planeten Anvhar einen Wettkampf der Besten gewinnt, welcher aus allen möglichen Disziplinen von Schach über Poesie bis hin zum brutalen Zweikampf mit mittelalterlichen Waffen besteht. Dieser Wettkampf – im Original »Twenties« genannt – wurde erschaffen, um die Bewohner vor ihrer eigenen Aggression zu schützen, die durch die extremen Klimabedingungen auf Anvhar hervorgerufen wurde. Nachdem Brion, der zudem über die seltene Gabe ausgeprägter Empathie verfügt, es zum Champion geschafft hat, bekommt er Besuch von Ihjel, der sich als Agent der GKB zu erkennen gibt. Er überzeugt Brion davon, dass es nicht sein Daseinsziel sein kann, sich auf seinen Lorbeeren als Sieger auf Anvhar auszuruhen. Vielmehr braucht die GKB ihn dringend als Agenten, um auf dem Wüstenplaneten Dis einzugreifen, der kurz vor der Vernichtung steht. Die dortige geheimnisvolle Herrscherklasse der Magter droht damit, Kobaltbomben auf die Nachbarwelt Nyjord zu werfen, die von einem eigentlich pazifistischen Volk bewohnt wird. Die Magter haben ein für die Nyjorder unannehmbares Ultimatum gestellt und fordern deren totale Unterwerfung. Diese drohen nun trotz ihrer friedfertigen Einstellung mit einem atomaren Präventivschlag, den sie mittels ihrer fortschrittlicheren Technologie auch mit Leichtigkeit durchführen könnten. Brion reist gemeinsam mit Ihjel und der terranischen Wissenschaftlerin Lea auf den Planeten Dis. Dort angekommen stellen sie eine extrem ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit der Bewohner fest. Sie werden sofort nach ihrer Landung angegriffen, wobei Ihjel den Tod findet. Brion und Lea, die sich im Laufe der Handlung ineinander verlieben, versuchen den Grund für die selbstmörderische Aggression der Disaner und besonders der Magter herauszufinden. Sie stellen fest, dass auf Dis die meisten Lebensformen Symbiosen eingegangen sind, um die extremen Umweltverhältnisse meistern zu können. Die Magter sind von einem Parasiten befallen, der sie zu gefühllosen Kreaturen macht, die weder Mitleid noch Nächstenliebe kennen. Natürlich findet Brion nicht nur ein Gegenmittel gegen die Parasiten, sondern kann schließlich auch die Kobaltbomben finden und unschädlich machen.

      P. Schuyler Miller schrieb in einer Rezension in ANALOG im Juli 1962 zu Planet of the Damned:

      »Gewalt folgt auf Gewalt in einem blutigen und schneidigen Garn, wie wir es seit langer Zeit nicht mehr hatten, und gleichzeitig ist die Darstellung der außergewöhnlichen Symbiose, die die Disaner mit einheimischen Lebensformen entwickelt haben, eine runde Sache.«

      (1981 bei Simon & Schuster; dt. Planet ohne Wiederkehr [in Der Planeten-Retter])

      Der zweite Roman um Brions und Leas Abenteuer als Agenten der GKB knüpft, obwohl zwanzig Jahre später erschienen, nahtlos an die Ereignisse des ersten an. In Planet of No Return werden die beiden, die sich eigentlich gerade erholen wollen, auf den Planeten Selm II geschickt. Auf der urzeitlichen Welt, auf der vorher schon andere Agenten verschollen sind, gehen seltsame Dinge vor sich. Die menschlichen Bewohner sind auf eine steinzeitliche Kulturstufe gesunken. Sie verfügen über archaische Sitten, sind nur einer sehr simplen Sprache mächtig und leben in ständiger Furcht. Auf Selm II findet nämlich eine Art ewiger Krieg statt, der mittels moderner Waffen wie Kampfjets und Panzer geführt wird. Die Steinzeitmenschen werden gnadenlos getötet, wenn sie zwischen die Fronten geraten. Wie sich herausstellt, handelt es sich um eine Art automatisierten Krieg, der ohne menschliche Kombattanten geführt wird. Sämtliche Panzer und Flugzeuge sind unbemannt und folgen festen Schemata. Brion und Lea erfahren von den Primitiven, denen sie sich nach einigen Konflikten angeschlossen haben, von verschiedenen Tabus, die mit dem Krieg zu tun haben und zum Zwecke des Überlebens geschaffen wurden. So ist es beispielsweise streng verboten, Metall auch nur zu berühren, da dies zur Ortung und Vernichtung durch die Kampfmaschinen führen würde. Brion, der sich mit Lea auf den verbotenen Weg zu einem tabubehafteten Ort macht, wird unvermittelt von modernen menschlichen Soldaten gefangen genommen. Sie verschleppen ihn mittels eines Transmitters auf den Planeten Arao. Dort herrscht ein unerbittlicher Krieg zwischen zwei verschiedenen Zivilisationen, die sich vor langer Zeit angesiedelt haben, um den Konflikten zu entgehen, die beim Zerfall des Sternenreiches ausgebrochen sind. Paradoxerweise hatten sie nichts anderes zu tun, als sofort den Kampf gegeneinander aufzunehmen. So sind zwei Gesellschaften entstanden, in denen alles Militärische höchste Priorität genießt. Um der drohenden gegenseitigen Zerstörung zu entgehen, hat man sich jedoch schon vor Langem darauf geeinigt, den Krieg nur mit Automaten zu führen, die mit Transmittern auf Selm II geschickt wurden. Immerhin kann Brion die Militärs davon überzeugen, dass sie sich von dort zurückziehen, um die unschuldigen Primitiven zu verschonen und ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen. Allerdings halten die bornierten militärischen Betonköpfe am Krieg als höchstes Lebensziel fest und wollen ihn nun auf eine andere Welt verlegen. Brion wird abgeschoben, ohne dass er das mörderische Gesellschaftssystem ändern konnte. Auch in Zukunft scheint es mit dem ewigen Krieg weitergehen zu können, da Arao eine Welt mit unbekannten Koordinaten ist, sodass eine Einmischung durch die GKB unmöglich erscheint. Doch in letzter Minute, bevor er durch einen Transmitter zurück auf Selm II und zu der wartenden Lea geschickt wird, erkennt er, dass der Keim des Widerstandes auf Arao bereits gelegt ist.

      Sowohl Planet of the Damned als auch Planet of No Return sind für die abenteuerliche Facette in Harrisons Werk typische Romane. Ein übermächtiger, manchmal etwas naiver, gleichzeitig aber zu einiger Differenzierung fähiger Held muss (fast) im Alleingang ganze Planeten retten. Lea, seine Gefährtin, dient weitgehend als Staffage, bekommt allerdings auch Gelegenheit des Helden Machotum in deutlichen Worten anzuprangern. Allerlei Kämpfe, Abenteuer, Rätsel und mehr oder weniger schillernde Ideen machen die beiden relativ kurzen Romane zu einer spannenden und kurzweiligen Lektüre. Im zweiten Band nutzt Harrison die Gelegenheit, um die ihm verhassten Militärs als mörderische und bornierte Ewiggestrige darzustellen.

      5.3 – Die Stahlratte-Serie

      Die Stahlratte-Serie um Slippery Jim DiGriz – oder James Bolivar DiGriz, wie er mit vollem Namen heißt – ist vermutlich die berühmteste und am weitesten verbreitete Schöpfung von Harry Harrison. Die Stainless Steel Rat ist in Frankreich als Le Rat en Acier Inox oder Ratinox bekannt, in Italien als Il Titano d’Acciaio, aber auch in den Niederlanden, in Portugal und vor allem in Russland ist die Serie sehr beliebt. In Deutschland erschienen unterschiedliche Ausgaben der Serie, zuletzt wurden im Jahr 2014 zehn Bände vom Heyne Verlag als E-Book veröffentlicht.

      Die erste Erzählung erschien 1957 in ASTOUNDING unter dem Titel »The Stainless Steel Rat« und bildete später den Anfang des gleichnamigen Romans. Eine zweite Erzählung, »The Misplaced Battleship« (April 1960 in ASTOUNDING), wurde zu Kapitel 4 bis 7 des ersten Romans. Harrison erzählte später, dass er seine Hauptfigur so interessant fand, dass er unbedingt weiterschreiben musste.

      Im Interview mit Paul Tomlinson nannte Harrison als Inspirationsquelle für Stahlratte Rupert von Hentzau, den Bösewicht aus Anthony Hopes (auch vielfach verfilmtem) Roman The Prisoner of Zenda (1894; dt. Der Gefangene von Zenda), der 1898 unter dem Titel Rupert von Hentzau fortgesetzt wurde. Harrison übernahm die Idee des verwegenen Antihelden, machte ihn aber zu einem Dieb, der die Aufgabe bekommt, einen anderen Dieb zu fangen. Schließlich zwingt man Stahlratte in ein Sonderkorps und macht ihn gegen seinen Willen zum Agenten, was dazu führt, dass er keinerlei Respekt vor Autoritätspersonen hat. Und genau das macht die Figur bei den Lesern so beliebt: Stahlratte ist ein Rebell, ein hochintelligenter Außenseiter mit Sinn für Humor und einem James-Bond-ähnlichen unerschöpflichen Vorrat an Hightech-Gerätschaften, der zwar auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, aber auch an Gerechtigkeit glaubt und gegen korrupte


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