Harry Harrison - Weltenbummler und Witzbold. Hardy Kettlitz
der bei dieser hohen Summe durchaus zu erwarten ist, darf Jason behalten. Er willigt nach kurzem Zögern ein und es gelingt ihm nach einer spannend geschilderten Spielszene tatsächlich, mehr als 3 Milliarden Credits zu gewinnen. Wie sich kurz darauf auf der gemeinsamen Flucht mit Kerk vor den unzufriedenen Casinobetreibern herausstellt, brauchen die Kolonisten von Pyrrus das Geld für den Kauf von Waffen und Munition. Ihre Heimatwelt ist nämlich ein Extremplanet nicht nur mit hoher Schwerkraft, starker Vulkantätigkeit und heftigem Klima, sondern vor allem mit äußerst aggressiver Flora und Fauna. Die Kolonisten führen in ihrer abgekapselten Stadt einen ständigen Abwehrkampf gegen allerlei monströse Tiere und Pflanzen. Wie sich im Verlauf der Handlung herausstellt, verfügen diese über eine Art Psi-Fähigkeit, die sie die Aggressionen spüren lässt, die von den Menschen ausgehen.
Kerk erklärt Jason recht eindrucksvoll, wie es auf Pyrrus aussieht: »Ich bezweifle, dass ein Lebewesen aus einer anderen Welt dort länger als eine Minute am Leben bleiben würde. Die Pflanzen und Tiere auf Pyrrus sind zäh. Sie kämpfen mit ihrer Umwelt und untereinander. In Jahrtausenden natürlicher Auslese sind Lebensformen entstanden, deren Anblick selbst einem Elektronenrechner Albträume verschaffen würde. Sie sind gepanzert, giftig. Mit scharfen Krallen und mächtigen Reißzähnen.« (BdSFL 55, Seite 21)
Neugierig geworden, begleitet Jason Kerk zu diesem lebensfeindlichen Ort. Auf dem Raumflug nach Pyrrus hat er eine Affäre mit der Pilotin Meta, was aus zwei Gründen nicht unerwähnt bleiben soll. Erstens war in der SF um 1960 wenig Platz für Sexualität – und schon gar nicht, wenn diese außerhalb einer »ordentlichen« Beziehung, also der klassischen Ehe, stattfand. Und zweitens wird Meta als selbstbewusste Frau geschildert, die eher Jason Respekt einflößt als umgekehrt. Außerdem ist sie Pilotin eines Raumschiffs und hat damit einen Job, der in der damaligen SF wie auch in der Realität Männern vorbehalten war.
Doch zurück zur Handlung. Auf Pyrrus angekommen hat Jason einige Schwierigkeiten, sich an die dortigen Verhältnisse anzupassen. Zum Glück erhält er ein Training, das ihm zu extrem schnellen Reflexen und zu einigen Überlebenstricks verhilft. Damit wird verhindert, dass er schon innerhalb der ersten Tage von irgendwelchen Monstern umgebracht wird. Jason merkt schnell, dass etwas an der extremen Situation auf Pyrrus nicht stimmt. Obwohl die Kolonisten nicht nur außergewöhnliche Körperkräfte und Reflexe haben und durch Jasons Spielgewinn über neue Waffen und Nachschub verfügen, sind sie im Kampf gegen den Planeten und seine Kreaturen zum Scheitern verurteilt. Die Population nimmt immer weiter ab, aber trotzdem führen die Kolonisten ihr klägliches Leben weiter, ohne dessen offensichtliche Sinnlosigkeit zu hinterfragen. Nur der gewitzte Jason beginnt Fragen zu stellen. So erscheint es ihm merkwürdig, dass die Evolution auf Pyrrus in kürzester Zeit immer aggressivere Wesen hervorbringt. Als er erfährt, dass es neben den Siedlern in der Stadt noch eine zweite Gruppe von Menschen auf dem Planeten gibt, welche von den Städtern Grubber genannt werden, fordert dies seine Neugier erst recht heraus. Da er sich mit seinen Zweifeln und Fragen und vor allem durch sein unabsichtliches Fehlverhalten während der Attacke einer riesigen Pflanze unliebsam gemacht hat, bleibt ihm für Nachforschungen wenig Zeit. Man stellt ihn quasi unter Hausarrest und will ihn in das nächste Raumschiff setzen, das Pyrrus verlässt. Jason beschließt aus der Stadt zu fliehen und die geheimnisvollen Grubber zu suchen. Dies stellt ein großes Risiko dar, da die Stadtbewohner die Grubber als Barbaren ansehen und hassen. Natürlich gelingt es Jason unter einigen Gefahren, die Grubber aufzuspüren. Er erkennt, dass diese überhaupt keine Probleme mit der Flora und Fauna haben, sondern im Gegenteil sogar Tiere gezähmt haben und Ackerbau betreiben. Dies erklärt auch, warum die Städter, die von den Grubbern verächtlich Junkmen genannt werden, noch keinen Vernichtungsfeldzug gegen die vermeintlichen Wilden unternommen haben. Immerhin gibt es einen regelmäßigen Austausch von Geräten und Werkzeugen aus der Stadt gegen Nahrungsmittel vom Land. Jason stellt nun die entscheidende Frage, warum der Planet sich gegen die eine Gruppe Kolonisten so feindselig verhält und gegen die andere nicht. Mithilfe seiner durch Psi-Fähigkeiten gesteigerten Wahrnehmung erkennt er, dass auch das ursprüngliche Leben auf Pyrrus übersinnliche Kräfte besitzt. Die ersten Kolonisten, die natürlich die einheimische Natur für ihre eigenen Bedürfnisse veränderten und sogar zerstörten, wurden logischerweise als feindlich eingestuft und vom ersten Augenblick an bekämpft. Nur die Menschen, die sich anpassten, wurden von dem Kampf verschont. Jason versucht nun, den Kampf der beiden Kolonistengruppen gegeneinander zu beenden und gleichzeitig das Verständnis der Junkmen für den Ursprung ihrer Probleme zu wecken. Mit viel diplomatischem Geschick und vor allem Empathie schafft er dies endlich und der Grundstock für ein friedliches Weiterexistieren der Menschen auf Pyrrus scheint gelegt zu sein.
Deathworld 2
(kürzere Fassung in zwei Teilen unter dem Titel »The Ethical Engineer« Juli und August 1963 in ANALOG; 1964 bei Bantam; unter dem Titel The Ethical Engineer 1964 bei Gollancz; dt. Die Sklavenwelt [auch in: Todeswelten])
Die Fortsetzung wurde 1963 in einer von der späteren Buchfassung abweichenden, kürzeren Fassung unter dem Titel The Ethical Engineer als Zweiteiler in ANALOG veröffentlicht. Der Roman war Harrisons Förderer gewidmet: »For John W. Campbell without whose aid this book – and a good percentage of modern science fiction – would never have been written.«
Jason, der sich an das Leben auf Pyrrus gewöhnt hat, bekommt eines Tages unerwarteten »Besuch« von dem ihm bisher unbekannten Mikah Samon, welcher vorgibt, eine wichtige Botschaft zu überbringen. Da diese Botschaft streng vertraulich ist, bittet er Jason, persönlich in sein Raumschiff zu kommen. Natürlich siegt Jasons Neugier über seinen Argwohn und er nimmt die Einladung an. Und ebenso natürlich handelt es sich um eine Falle! Mikah ist ein streng moralischer Gerechtigkeitsfanatiker, der Jason wegen seiner zahlreichen Betrügereien beim Glücksspiel vor Gericht stellen will. Er betäubt und entführt ihn also, um ihn nach Cassylia zurückzubringen. Nachdem Jason wieder zu sich gekommen ist, gelingt es ihm, das Raumschiff zu sabotieren. Mit Müh und Not schaffen es die beiden, die nun im sprichwörtlichen »gleichen Boot sitzen«, auf einem unbekannten Planeten notzulanden – der Sklavenwelt. Dort ist die Sklavenhaltung das oberste Lebensprinzip, wie sie schnell feststellen müssen. Die menschlichen Kolonisten, die dort leben, sind auf eine Kulturstufe zurückgesunken, die man am ehesten mit dem irdischen Frühmittelalter vergleichen könnte. Es gilt das Recht des Stärkeren, der sich mit Gewalt durchsetzen kann und alle anderen in seiner Umgebung zu seinen Sklaven macht. So gelangen Jason und Mikah kurz nach ihrer Landung in einer Wüste zu dem barbarischen Ch’aka, der sie auch prompt versklavt und dazu zwingt, unter seinem Kommando gemeinsam mit einigen anderen armen Tröpfen die Einöde nach einer Art Wurzel abzusuchen, die offenbar das einzige Nahrungsmittel darstellt. Unter den Sklaven befindet sich auch das Mädchen Ijale, das sich Jason anschließt. Da Jason vermutet, dass irgendwo möglicherweise eine höherentwickelte menschliche Zivilisation oder wenigstens ein Außenposten mit einem Raumhafen existiert, machen sich er, der ewig nörgelnde Mika und die Sklavin Ijale auf die Suche. Sie fallen verschiedenen Sklavenhaltern in die Hände, bis sie in die Stadt des »Hertugs« (was wohl von Herzog abgeleitet ist) gelangen. Diesem Gewaltherrscher, der freilich nur einen kleinen Teil der Stadt kontrolliert, bietet Jason schließlich seine Hilfe an.
Wie der Held in Mark Twains A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court erfindet Jason allerlei nützliche Geräte, die man zur Energieerzeugung und zum Kampf gebrauchen kann. Kein Wunder, dass andere machthungrige Gruppierungen immer wieder versuchen, ihn zu entführen. Da er auch ein Funkgerät baut, das angeblich religiösen Zwecken dient, in Wirklichkeit aber kontinuierlich SOS funkt, besteht nun Hoffnung, dass ein Raumschiff sie rettet. Tatsächlich kommt nach allerlei Kämpfen und Abenteuern ausgerechnet Meta, um ihn zu retten. Trotz aller Rachegedanken nimmt Jason sogar den immer wieder zu Verrat und Sabotage bereiten Mikah mit, da er dessen – wenn auch fehlgeleitete – Moral bewundert. Auch für Ijale sorgt er, indem er sie unter Mikahs Aufsicht stellt, wobei er ihr allerdings eintrichtert, sie möge stets das Gegenteil von dem tun, was der ihr sagt.
Die Sklavenwelt hat durch Jasons Erfindungen einen großen Schritt in Richtung Zivilisation gemacht. Immerhin kann der Hertug nun sämtliche Kriege für sich entscheiden, was Hoffnung auf Einigung und eine Beendigung des Systems der Sklaverei macht.
Harrison