Harry Harrison - Weltenbummler und Witzbold. Hardy Kettlitz

Harry Harrison - Weltenbummler und Witzbold - Hardy Kettlitz


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fast zwei Wochen einer der beiden Astronauten außerhalb des Schiffs auf ein seltsames Tier trifft, es tötet und aufschneidet, stellt sich heraus, dass es sich nicht um eine Robotersimulation der Techniker handelt, sondern dass es wirklich ein lebendiges Wesen war. Erst jetzt erkennt der Astronaut die Wahrheit: Es handelt sich gar nicht um eine Simulation, sondern um den ersten realen Flug von Menschen zum Mars.

      Idee und Pointe dieser Erzählung sind großartig. Sogar so großartig, dass Jahrzehnte später ein anderer Autor mit einer anderen Variante der Grundidee einen Bestseller landete. Gemeint ist Orson Scott Card mit seinem Roman Enders Game (1985; dt. Das große Spiel).

      (Juni 1958 in SCIENCE FICTION ADVENTURES; auch in Great Science Fiction Adventures, Hrsg. Larry T. Shaw bei Lancer Books, 1963; nicht auf Deutsch)

      Auch diese Erzählung wurde nie in einem Erzählungsband des Autors nachgedruckt. Harrison merkte später an, dass alle Figuren in der Geschichte Namen tragen, die Esperanto-Wörtern entlehnt sind.

      Die Handlung spielt auf einem Planeten namens Hideout, der nicht umsonst diesen Namen trägt. Er ist ein Sammelbecken für allerlei Verbrecher und Mörder, die hier nicht vom Gesetz verfolgt werden. Im Gegenteil, ein Mann namens Otalmi organisiert das Verbrechen sogar auf perfide Weise. Der Agent Brek Han-Hesit kommt nach Hideout, um ihm das Handwerk zu legen.

      Die Geschichte ist so uninteressant und trotz vieler hektischer Handlungen auf bestürzende Weise langweilig, dass Harrison gut daran getan hat, sie später nie in einen seiner Erzählungsbände aufzunehmen. Sie hätte seinem Ruf als guter Unterhaltungsautor schaden können.

      (August 1958 in FANTASTIC UNIVERSE; auch in War with the Robots und 50 in 50; dt. »Polizeirevier Mars«)

      Im Polizeirevier in der verschlafenen Mars-Kleinstadt Nineport ist nicht viel los. Die Polizisten müssen sich nur um ein paar Betrunkene kümmern, weil die Geschäftsleute lieber Schutzgeld an China-Joe und seine Leute zahlen, als sich auf die Polizei zu verlassen.

      Eines Tages kommt eine Kiste mit einem Polizei-Test-Roboter im Revier an. Man tauft den Roboter Ned und lässt ihn zunächst die Büroräume putzen und das Archiv sortieren. Natürlich hält es niemand für nötig, einen Blick in das viel zu dicke Handbuch zu werfen. Als eines Tages ein Überfall gemeldet wird, was normalerweise nie vorkommt, weil sich China-Joe um solche Vorkommnisse kümmert, rückt Ned aus, um die Verbrecher zu verhaften. Es kommt danach zur Auseinandersetzung mit den ortsansässigen Kriminellen, die schließlich alle von Ned verhaftet werden, bis die ganze Stadt am Ende frei von Kriminalität ist.

      Die Geschichte mutet wie eine Mischung aus Krimi und Western an und ist sehr unterhaltsam erzählt. Der Roboter bezieht sich in seinen Handlungen immer wieder auf die vor einiger Zeit geschaffenen Robotergesetze, die der SF-Leser natürlich aus den Erzählungen von Isaac Asimov kennt, allerdings ohne dabei in einen logischen Widerspruch zu geraten. Wo Asimov seine Roboter in ein moralisches oder logisches Dilemma verwickelt, erzählt Harrison nur eine simple Unterhaltungsgeschichte.

      (Januar 1959 in FANTASTIC UNIVERSE; nicht auf Deutsch)

      Dies ist die einzige Robotergeschichte aus FANTASTIC UNIVERSE, die nicht im Erzählungsband War with the Robots und auch sonst nie irgendwo nachgedruckt wurde.

      Erzählt wird von einem Aufstand, bei dem die Roboter Gleichberechtigung mit den Menschen forderten. Erzähler ist ein alter Roboter, der Ausbilder an der Equalized Robot School ist. Weil es den Robotern eigentlich gesetzlich verboten ist, sich in Gruppen zu versammeln, haben sie Zuflucht unter der Erde gesucht und treffen sich in einem Höhlensystem, das eine für Menschen nicht atembare Atmosphäre hat. Der alte Roboter erzählt, wie damals vor nicht näher benannter Zeit die Roboter gestreikt haben und durch eine nicht vorhersehbare Fügung ihre Forderungen durchsetzen konnten. Als sie einen zweiten Generalstreik androhten, nahm der »Robot Equality Act« Gestalt an und eine neue Ära wurde eingeleitet.

      Harrisons Thematisierung der Rassendiskriminierung ist leider nicht besonders überzeugend ausgeführt. Dazu hat er später durchaus interessantere Beiträge geleistet, zum Beispiel in der Erzählung »Mute Milton« (1966).

      (Mai 1959 in NEW WORLDS; unter dem Titel »Robot Justice« Juli 1959 in FANTASTIC UNIVERSE; auch in War with the Robots und 50 in 50; dt. »Der metallene Richter«)

      Carl Tritt kam auf die dumme Idee, die Lohntüten der Firma, in der er angestellt war, zu stehlen. Natürlich wurde er erwischt und verurteilt, und zwar zu zwanzig Jahren. Die muss er nicht etwa im Zuchthaus verbringen, sondern in der heruntergekommenen Vorstadt, wo er auf alle Annehmlichkeiten des Lebens verzichten muss. Er darf keine Verkehrsmittel benutzen, kann noch nicht einmal in der Bibliothek Bücher zum Zeitvertreib ausleihen und muss bei der Müllabfuhr sinnlose Arbeiten verrichten. Zudem wird er überall von Kameras und Roboteraugen beobachtet und die geringste Verfehlung führt zu einer automatischen Verlängerung seiner Strafe. Als er eines Tages bei einem Unfall einen Mann rettet, wird seine Strafe als Belohnung um drei Jahre verringert, was Carl Tritt Hoffnung schöpfen lässt. Doch dann wird alles schlimmer, bis er eines Tages ausrastet, einen Beamten angreift und Kameraaugen und Roboter zerstört. Als seine Strafe deshalb auf zweihundertzwölf Jahre angewachsen ist, soll seinem Leben ein Ende bereitet werden. Schließlich wird Tritt sogar dem automatischen Richter gegenüber gewalttätig und zerstört ihn, bis er am Ende der Geschichte feststellen muss, dass tatsächlich ein Mensch hinter dem unmenschlichen scheinbar automatischen Repressionssysten steckt …

      Diese dystopische und zum Teil sogar hoffnungslose Geschichte erinnert an Orwells 1984, an einigen Stellen auch an Bradburys Erzählung »Geh nicht zu Fuß durch stille Straßen«, wobei Harrisons Protagonist sein eigenes Schicksal viel erfolgreicher in die eigene Hand nimmt und sich zur Wehr setzt. Dadurch ist die Geschichte vielleicht nicht realistischer als die genannten Werke, hat jedoch einen optimistischeren Schluss in ihrer überraschenden Pointe.

      5. – Die Sechzigerjahre

      5.1 – Todeswelten

      Deathworld

      (3 Teile; Januar bis März 1960 in ANALOG; Buchausgabe 1960 bei Bantam; dt. Planet des falschen Zaubers [gekürzt] bzw. Die Todeswelt [auch in: Todeswelten])

      Harrison begann mit der Arbeit an seinem ersten Roman im Jahre 1956 in Mexiko. John W. Campbell, der einflussreiche Herausgeber von ANALOG, unterstützte den Autor während des Schreibens immer wieder mit Ratschlägen. Dies entsprach Campbells Vorgehensweise gerade bei jungen und eher unerfahrenen Autoren, da er somit die technische, naturwissenschaftliche Ausprägung des Magazins besser kontrollieren konnte. Sicher war dies aber auch für Harrison von Vorteil, hatte er bisher doch lediglich einige kürzere Storys verfasst und wenig Routine, was längere Texte betraf. Der Roman erschien Anfang 1960 als dreiteilige Fortsetzungsserie in ANALOG.

      Held des Romans ist der professionelle Spieler Jason dinAlt, der als Junge seinen hinterwäldlerischen Heimatplaneten verlassen hat und von Welt zu Welt reist, um die ansässigen Spielcasinos zu schröpfen. Dabei sind ihm neben seiner Gewitztheit und seiner Menschenkenntnis vor allem seine Psi-Fähigkeiten von großem Nutzen, kann er doch mit deren Hilfe zumindest zeitweise Würfelspiele manipulieren.

      Eines Tages wird er auf der Welt Cassylia von Kerk, dem athletischen und zunächst dubios erscheinenden Botschafter des Planeten Pyrrus, kontaktiert. Kerk überredet Jason mit sanftem Druck, mit einem Grundkapital von 27 Millionen


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