Mit Schalke machse wat mit. Группа авторов

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ihnen ins Gesicht geschrieben.

      Per U-Bahn und Taxi sind wir am nächsten Tag dann trotzdem dort. „Ciudad Real Madrid“ nennt sich das Gelände mit zahlreichen Funktionsgebäuden und feinsten Trainingsplätzen – und einem 25.000 Zuschauer fassenden Stadion, das „Alfredo di Stéfano“, das erst in ein paar Tagen eingeweiht werden wird. Per Schranke und Wachpersonal ist der Zugang zum Gelände gesichert, aber es dauert nicht lange, und wir sind drin. „Trainingsplatz 7“, ungefähr 2000 Zuschauer verteilen sich über die drei Tribünen (ja, auch das ein richtiges kleines Stadion), und etwa 150 Gästefans sind ebenfalls gekommen. Die Sonne brennt vom Himmel, und alles, was ohne Mützen kam und nicht auf der überdachten Haupttribüne sitzt, wird ordentlich gegrillt. Nebenan trainiert Reals A-Jugend, daneben tollen Kinder auf einem extra eingerichteten Real-Kinderspielplatz. Und auf dem Rasen vor uns fliegt nach drei Minuten schon der Levante-Keeper vom Platz, aber es fällt bis zum Schluss kein Tor, obwohl da bei Real auf Linksaußen ein phantastischer Techniker seine Gegenspieler dumm und dusselig tanzt. Leider fällt er etwas leicht und scheint phasenweise die Lust am Laufen zu verlieren. Trotzdem der beste Mann auf dem Platz. Neunzehn Jahre jung ist der Bursche und heißt Jurado.

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      Zu Besuch im Estadio Santiago Bernabéu, um Raúl am Ball erleben zu können

      Ein paar Stunden später sind wir wieder am „Bernabéu“. Viel Gewusel auf den Straßen, Fahnen, Autos, aber alles ziemlich leise. Per Rolltreppe geht es ganz hinauf in den dritten Rang, und da bleibt einem erstmal der Atem weg, so steil ist das. Aber: Das Stadion ist leer – steigt etwa irgendwo anders in Madrid gerade ein Doppelkonzert von Michael Jackson und den Beatles? Erst fünf Minuten vor Anpfiff füllt sich die herrliche Kiste und dann sind 75.000 Fußballfans da – und schweigen. Die meisten sind damit beschäftigt, ihren Knabber- und Körnerkram über die Betonränge zu verteilen, Gästefans sind wohl eh keine gekommen, und nur gegenüber versucht sich ein kleines Häuflein Unentwegter an Gesängen, aber das ist schon wirklich erschreckend ruhig hier, während auf dem Rasen die berühmtesten Fußballer des Planeten ihren Gegner zerlegen. Casillas, Zinédine Zidane, Guti, Roberto Carlos, Robinho, David Beckham und Ronaldo (der echte, der mal gegen Yves spielen durfte). Und Raúl? Der sitzt auf der Bank, mal wieder. Neben mir ein Opa schimpft und schimpft, wie es sein könne, dass eine trübe Tasse wie Ronaldo müde über den Platz schleichen dürfe und dafür ein Raúl, der Raúl, draußen bleiben müsse. Aber dann macht Ronaldo eine herrliche Bude und ist danach wie verwandelt, wirbelt den Rest des Spiels die Gästeabwehr ganz alleine durcheinander. Der Opa ist ganz begeistert.

      Erst weit in der zweiten Halbzeit, als es schon 3:0 steht, erhebt sich Raúl von der Bank und beginnt, sich warm zu machen – und das Stadion erwacht. Der Held kommt für Zidane, und endlich sehen wir „El Siete“ live am Ball. Die Verehrung, die ihm entgegengebracht wird, ist rundum körperlich spürbar, aber wirklich gut spielt er nicht in den gerade mal zwanzig Minuten, die man ihm ließ. Mit 4:0 siegt Real Madrid an diesem Abend, wenige Sekunden nach Schlusspfiff sind alle Stars in den Kabinen verschwunden, alle außer Beckham und Raúl, die noch die Linie entlang schreiten und sich von allen verabschieden.

      Am nächsten Morgen warten wir am Flughafen auf den Rückflug, sehen durch die Scheiben des Terminals drüben im Dunst die Ciudad Real Madrid liegen, wo die zukünftigen Weltstars gezüchtet werden und wo Raúl, Beckham und Co sicher gerade wieder trainieren.

      Noch einmal gehen die Gedanken lächelnd zurück an den gestrigen Tag. Einmal im Leben Real Madrid, einmal im Leben Raúl gesehen. Konnte ja keiner ahnen, was in den Jahren darauf auf Schalke so alles passieren würde.

       Ich bin kein Fan

      ■ UTE HENTSCHEL

      Ich bin kein Fan. Jedenfalls kein richtiger. Sag ich immer. Immer wenn eine meiner langjährigen Freundinnen so komisch guckt, wenn ich von Schalke erzähle, vom Stadion, der Nordkurve, den ganzen netten Leuten da, der sagenhaften Atmosphäre bei den Spielen (auch bei den schlechten), den tollen Auswärtsfahrten (auch die nach München) und der leckeren Currywurst (auch ohne Pommes) – denk ich, na ja, eigentlich haben sie recht, is ja auch komisch, irgendwie.

      Meine Freundin Sabine, selbst von Geburt an Werder-Bremen-Fan, sagt immer, sie kann’s einfach nicht fassen, dass ich alte Emanze zum Fußball gehe: Ihr Weltbild sei zerstört. Weder Ulrike noch Tanja verstehen, dass ich jetzt grad überhaupt nicht mit ins Theater kann, weil Fußball im Fernsehen kommt, und Jutta versteht nicht, dass ich meinen sowieso knapp bemessenen Urlaub (ich hab eine Buchhandlung, da arbeitet man halt immer) auch noch im Trainingslager verbringe. Heidi ist verblüfft, dass ich auf einmal alle Spieler der deutschen Nationalmannschaft mit Namen und Verein kenne und sogar passives Abseits erklären kann, wo ich doch normalerweise eher literarische Vorträge aus dem Ärmel schüttele. Und wisst ihr was? Ich versteh es selbst nicht.

      Bei einer Lesung der 1904 Geschichten in meiner Buchhandlung hab ich mal im Scherz gesagt, ich bin kein Fan, ich bin nur die Freundin vom Fan. Weil – wenn man mit so einem wie Schmiddy zusammen ist, hat man als Frau nur zwei Möglichkeiten: Entweder man interessiert sich für Fußball, oder man sucht sich schnell einen neuen Mann. Der Mann ist aber klasse, hab ich gesagt, den würd’ ich gern noch was behalten ...

      Denn schließlich kommt er nicht aus Lüdenscheid-Nord.

       Bescherung

      ■ DENNIS POHL

      Ich fange mal klein an: Als mein Vater mich mit sechs Jahren mitnahm zur Glückauf-Kampfbahn, wusste ich noch nicht, was auf mich zukommen sollte. Das war 1988.

      Es war mitten in der Woche, und Fußball interessierte mich zu der Zeit recht wenig. An der GAK angekommen, standen wir am alten Ascheplatz, und ich wunderte mich ein wenig darüber, dass mein Vater eine Tasche dabei hatte. Wollte er jetzt turnen oder Fußball spielen? Fragte ich mich jedenfalls. Dann fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, mal ein Training bei Schalke mitzumachen. Nun ja, mich interessierte Fußball wie gesagt gar nicht, trotzdem sagte ich: „Ja, o.k., ich mach da mal mit.“

      Um es etwas kürzer zu machen: Mir gefiel das Training sehr, und mein Vater meldete mich direkt danach in der Jugendabteilung an, was heutzutage gar nicht mehr möglich wäre. Seinen Kleinen mal eben bei Schalke anzumelden, ich denke mal, dass die Nachfrage heute viel zu groß ist. Für mich war es auch nix Besonderes, für Schalke spielen zu dürfen, bin ja in Schalke geboren, wo sollte ich also sonst spielen – irgendwo in Buer etwa?

      Einige Monate später, es war Dezember, gab es die erste Weihnachtsfeier. Irgendwo in einem Lokal in der Gelsenkirchener Innenstadt, wo genau, das weiß ich heute leider nicht mehr. Ich mit meinem Vater hin, die ganze F-Jugend versammelt im Gesellschaftsraum des Lokals.

      Da ging die Tür auf, und der Weihnachtsmann bzw. Nikolaus kam rein. Im Alter von sechs Jahren hat man aber noch gehörig Respekt vor dem Mann in Rot, und so war es auch bei meinen Mannschaftskameraden. Alles war still. Aber der Mann in Rot fing sofort an zu lachen und ging seine Runde um die Tafel und fragte nicht, ob wir brav waren, wie es sonst üblich ist, nein er fragte, wer gut gespielt hat und wer auch immer zum Training gekommen war und ähnliche Dinge. Alles in allem ein sehr gutmütiger Nikolaus! Und dann packte er die Geschenke aus. Für jeden gabs was Süßes, ein Schalke-Handtuch und einen Trainingsanzug.

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      Später zog er sich dann den Bart vom Gesicht, und die Väter und Mütter staunten nicht schlecht, als sie sahen, wer der nette Nikolaus war: Es war unser Charly, Charly Neumann, welchen wir Kinder nicht kannten zu der Zeit, aber dennoch sofort mochten.

      Später hatte ich nur noch einmal die Ehre, Charly persönlich zu begegnen. Das war 1996, der Anlass war weniger lustig. Ich war inzwischen Vollblut-Schalker und schwänzte mit vierzehn Jahren die Schule, um auf Stan Libudas Beerdigung zu gehen, diesen Spieler, den ich nie live hatte spielen sehen dürfen, aber von dem ich so viel gehört hatte.

      Am Ende des Begräbnisses machte sich die Trauergemeinde auf den Weg nach Hause oder zum Leichenschmaus, und als ich neben mir Charly samt S04-Flagge in der Hand


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