Mit Schalke machse wat mit. Группа авторов
und damit war das Ding geadelt. So hatten wir das Parkplatzproblem ein für allemal aus dem Kopf.
Die anderen Ordner kannten uns mittlerweile, bekamen was zu trinken und gut war. Da wir versprochen hatten, den Platz zu verlassen (und zwar ohne Randale), falls jemand mit der richtigen Karte käme, passierte es schon mal, dass wir mehrfach die Plätze wechselten. Einmal saßen wir zu zweit unter so einem Ding, auf dem die Kameras installiert wurden. Ich redete mir die ganze Zeit ein, dass ich nicht aufspringen werde, wenn ein Tor fällt, vergaß aber, das auch dem Nachbarn kundzutun. Nach dem ersten Tor hatte er ’ne Riesenmacke im Schädel und verbrachte die zweite Halbzeit im Bergmannsheil.
Ab und an kam ich erst auf den letzten Drücker, aber ich schaffte es mittlerweile auch allein bis auf die Pressetribüne. Doch dieses Mal: alles besetzt. Ich zog meine Brieftasche raus, klappte sie auf, schaute rein und dann auf die Nummer eines Sitzes. Der Typ dort stand sofort auf und verschwand, suchte sich ein anderes Plätzchen – offentsichtlich war auch er ohne gültigen Einlassbeleg hier. Einige Reihen über mir kugelten sich die Kollegen vor Vergnügen.
So gab es immer lustige Geschichten auf der Pressetribüne. Wie beispielsweise diese hier: Ein Kumpel ging los und holte drei Bier und drei Würstchen, verpasste bei der Gelegenheit zwei Tore und war entsprechend angesäuert, als er wieder zurück war. Wohl auch deshalb strauchelte er ein wenig und benetzte einen Menschen mit Bier. Der machte ’ne Mordswelle, obwohl klar war, dass es unglücklich passiert war. Aber nun verteilte der Kollege Bier und Wurst an uns, stellte seinen eigenen Becher ab, nahm die Wurst von dem Pappding, ging den Schritt runter zu dem Schreihals und rieb ihm den Senf ins Haupthaar. Mit den Worten „So, nun darfst du dich aufregen!“ nahm er wieder Platz. Es passierte auch da nichts.
Ein andermal machte ich mich auf den Weg und nahm einen schönen, relativ großen Flachmann mit. Gefüllt mit Strohrum. Keine Ahnung, warum, aber für ’n Späßchen war das 80-prozentige Zeug allemal gut. Wir spielten und verloren gegen Molenbeek, oder so ähnlich. Vorstadtbrüsseler, die normalerweise kein Problem fürs Weiterkommen darstellen sollten, aber was ist schon normal. Wir verloren, und Fichtel trat einem belgischen Rüpel in den Allerwertesten und flog vom Platz. Aber das war auch gar nicht so wichtig, ich saß neben einer netten Belgierin und füllte sie mit dem ihr wohl unbekannten Feuerwasser ab. Sie war sicher im Glauben, sowas gäbe es auf Schalke immer auf der Tribüne. Ich hatte einen Mordsspaß und die Dame echte Probleme, von der Tribüne zu kommen.
Man muss aber nicht denken, wir wären nur Rüpel gewesen. Auf der Pressetribüne saßen auch mal die Knaben, die das Vorspiel bestritten hatten. Sowas gab es damals noch, bevor die Profis antraten. Alle diese Kinder zogen los und holten sich etwas zu trinken und ’ne Wurst. Nur der Kleine neben mir blieb sitzen. Ich wusste, dass er in Duisburg wohnte und dass er von unserem Verein zuhause abgeholt und wieder zurückgebracht wurde. Er mag zehn Jahre alt gewesen sein. Dass sie solche Knirpse schon in anderen Städten aufgabelten, war mir damals unheimlich. Auf meine Frage, warum er sich denn nicht auch was holte, druckste er rum. Ich gab ihm einen Heiermann und sagte: „Nun hol du dir auch was zu trinken und zu essen.“ Der Knirps kam nach ’ner Weile zurück und hatte nichts bei sich. Auf meine Frage meinte er, dass er die fünf Mark lieber seiner Mutter mitbringen möchte. Natürlich gab ich ihm noch ’nen Fünfer und schickte ihn los. Er kam mit dicken Backen zurück und ich sah in zwei glückliche Kinderaugen. Für zehn Mark hatte ich noch nie so viel Freude erlebt.
Ab und an, wenn ich früh genug da war, erkundete ich das Stadion. In der obersten Etage lagen die Matten für die Sprunggruben, da hätte Man(n) richtig Spaß drauf haben können. Ich weiß gar nicht mehr, wie, aber gleich bei einem der ersten Spiele war ich oben auf dem Dach. Ein Wahnsinnsstandort, obwohl ich aus Bammel schön Abstand von der Kante hielt, war es ein irres Gefühl. Ein anderes Mal ließ mich ein SchuPo durch sein Fernrohr gucken, mit denen sie unterm Dach die Nordkurve beäugten. Ich weiß nicht mehr, ob sie damals schon filmten.
So lernte ich das ganze Gebäude kennen, Blauer Salon, Palisander Salon. Ich war da zur Halbzeit reingestiefelt, als mich ein alter Nachbar sah. Wir tranken etwas und er fragte: „Kennste den?“ Ich antwortete: „Nee, nicht dass ich wüsste.“ „Äh, komm mal her!“, brüllte er sofort in Richtung des älteren Herrn. Zweimal, denn der fühlte sich nicht so recht angesprochen. „Äh du Arsch, komm doch mal her!“ Da kam der Herr doch auf uns zu. „Darf ich vorstellen? Werner Kuhlmann, Oberbürgermeister von Gelsenkirchen.“ Das war mir dann doch etwas peinlich.
So reihten sich die nicht immer für jedermann lustigen Dönekes aneinander, und manch einer wird denken: schier unmöglich, so etwas heutzutage. Bis dann in vierzig Jahren einer seine Geschichten aufschreibt.
Übrigens, das Parkstadion wurde 28 Jahre alt, die Arena ist heute fast halb so alt. Ich hoffe, sie hält ein bisken länger durch.
Einmal im Leben
■ MATTHIAS BERGHÖFER
„Der Reisepass Ihrer Frau läuft am Mittwoch ab!“, meint die Dame am Check-In, und am liebsten würde ich „WEISS ICH SELBER!“ schreien, aber stattdessen knirsche ich nur derart laut mit den Zähnen, dass in zehn Kilometern Umkreis jeder Zahnarzt ein Geschäft wittert.
In ein paar Tagen, Ende März des Jahres 2006, spielt Schalke im UEFA-Cup-Viertelfinale in Sofia, und wegen des Scheiß-Reisepasses meiner bis zur Entdeckung dieser Unterlassungssünde geliebten Gattin sind wir da nicht mit dabei. Der Frust muss irgendwo hin, und so wird die für „Viertelfinale“ geplante Kohle anderweitig rausgehauen – da trifft es sich gut, dass wir sowieso schon immer mal einen besonderen Fußballer am Ball erleben wollten. Raúl, von Real Madrid. Ein unfassbarer Kicker, mit zahllosen Titeln und noch viel mehr unfassbaren Toren, und dabei stets doch irgendwie elegant und zurückhaltend. Nicht mehr lange, dann wird „El Siete“, wie er wegen seiner Rückennummer bei Real genannt wird, 30, und seit die „Galaktischen“ auf der ganzen Welt die Superstars aufkaufen und als eine Art Zirkustruppe auftreten, spielt Raúl immer seltener – die Karriere scheint sich langsam ihrem Ende entgegenzuneigen. Und weil Schalke in über hundert Jahren Vereinsgeschichte noch nie gegen Real Madrid angetreten ist und das womöglich zu unseren Lebzeiten auch nicht mehr passieren wird, heißt es „jetzt oder nie!“: Nur, um Raúl González Blanco einmal im Leben am Ball zu sehen, live im Stadion, fliegen wir also nun nach Madrid.
Schön warm ist’s in der spanischen Hauptstadt, als wir am riesigen Estadio Santiago Bernabéu die Schwarzhändler abwehren und uns ansonsten die Beine in den Bauch stehen, bis wir an einem der Kassenfensterchen endlich Eintrittskarten für die morgige Partie Real – La Coruña ergattert haben. 35 Euro die Karte, Spitzenspiel, der Dritte gegen den Sechsten. Die Stadiontour tun wir uns heute schonmal an, sehr beeindruckende Kiste, das muss man sagen – nicht zuletzt, weil alles so schön Schalkeblau ist. Zum Abschluss geht’s durch das Vereinsmuseum, in dem man vor lauter glitzernder Pokale beinahe blind wird, und dann zur Stärkung nochmal ins Real Café, das in die Südtribüne eingebaut ist und einen Blick aufs Spielfeld gestattet. In einem Heftchen lesen wir etwas von einem gewissen Alexander Jobst, einem Deutschen, der hier seit ein paar Monaten im Marketing Management tätig ist, und Marketing wird hier weiß Gott jede Menge gemacht. Rund ums Stadion und auch hier im Café wimmelt es nur so von Touristen, angelockt von all dem Bohei ums „weiße Ballett“.
Im Heft lesen wir auch, dass morgen Mittag, sieben Stunden vor der Partie der Weltstars, schon die Reserve von Real spielt. Real Madrid Castilla gegen UD Levante, dem Ex-Klub von Bernd Schuster. Draußen im nagelneuen Trainingszentrum, im Nichts zwischen Stadt und Flughafen, soll dieses Spiel der 2. Liga steigen, und wir fragen im Café am „Real-Infostand“ eine Angestellte, wie man da wohl hinkäme. In Nullkommanix stehen zwei in phantastische Anzüge gehüllte Herren vor mir und versuchen über ihre Headsets und Handys, die von mir gewünschte Information von der Real-Zentrale zu bekommen. Und tatsächlich: Es gebe einen Bus, direkt hier vom Stadion aus. Ein Mannschaftsbus von Real Madrid, und der würde Vereinsmitglieder kostenlos zum Trainingsgelände bringen, gerne würde man für uns zwei Plätze reservieren. „Vereinsmitglied? Bin ich!“, rufe ich begeistert, und präsentiere meinen großartigen Mitgliedsausweis des FC Schalke 04. Nur ganz kurz, denn ich denke, es reicht