James Bond 17: Der Kunstsammler. John Gardner

James Bond 17: Der Kunstsammler - John  Gardner


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meinten aber, es müsse etwas Besonderes sein, da sie mit beträchtlicher Priorität sowie der Präsidentenchiffre zurückgeschickt wurde. Ich fürchte, deren Leute wurden ein wenig neugierig.«

      »Tja, ich hoffe, Sie haben deren Neugier zerschlagen, Stabschef.«

      Tanner lächelte und nickte Bond zu.

      M zog an seiner Pfeife und tippte mit dem Stiel gegen seine Zähne, bevor er fortfuhr. »Eines der anderen Dokumente, 007, ist ein persönlicher Brief an mich vom Präsidenten der Vereinigten Staaten. Darin heißt es, die Information ist in seinen Augen so heikel, dass er nicht die üblichen Kanäle benutzen will: Deswegen wurde Miss Leiter eingesetzt. Er bittet um besondere Hilfe. Mit anderen Worten: Er will, dass jemand vom Service Miss Leiter in die Vereinigten Staaten begleitet und Bismaquers Vorhaben infiltriert. Können Sie da jemanden empfehlen, 007? Jemanden mit entsprechender Arbeitserfahrung in Bezug auf diese Eiterbeule namens SPECTRE?«

      »Ja.« Bond spürte bereits, wie ihn das Adrenalin durchströmte. »Ja, natürlich werde ich gehen. Aber ich habe noch ein paar Fragen an Miss Leiter. Wie sieht es mit Bismaquers Familienstand aus?«

      »Er war drei Mal verheiratet«, antwortete sie. »Die ersten beiden sind gestorben. Natürliche Tode – ein Autounfall und ein Hirntumor. Seine aktuelle Frau ist deutlich jünger als er. Umwerfend, elegant: Nena Bismaquer, ehemals Nena Clavert. Gebürtige Französin. Sie lebte in Paris, wo sie Bismaquer kennenlernte.«

      »Können wir überprüfen, ob das wirklich absolut astrein ist?«

      M nickte und warf Tanner einen kurzen Blick zu – ein Befehl ohne Worte.

      »Und die zweite Frage?« Cedar entfaltete ihre Beine.

      »Wie hat Bismaquer seine erste Million gemacht? Ich vermute, der Rest folgte durch sorgfältige Investitionen.«

      »Eiscreme.« Cedar grinste. »Er war der erste große Eiscremekönig. Er hat sich Dinge ausgedacht, die Sie niemals glauben würden. Schließlich kaufte ihn eine der ersten großen Ketten auf, aber er hat immer noch eine Leidenschaft dafür. Er hat sogar ein Labor draußen auf der Ranch. Offenbar ist er fest entschlossen, eine komplett neue, bislang unversuchte Methode zur Herstellung dieses Zeugs zu finden. Er entwickelt ständig neue ausgeklügelte Rezepte und Geschmacksrichtungen.«

      M räusperte sich. »In seine Nähe zu kommen, wird das eigentliche Problem darstellen, so viel ist klar.«

      »Abgesehen von seiner Frau und Eiscreme hat Bismaquer noch eine weitere Schwäche«, bot Cedar an.

      Sie schauten sie erwartungsvoll an.

      »Drucke. Seltene Drucke. Er hat eine erstaunliche Sammlung – zumindest unseren Informationen zufolge. Und es ist wirklich eine Schwäche. Soweit ich weiß, haben die hohen Tiere in Langley eine der wenigen sauberen Personen verhört, die in den letzten Jahren je die Rancho Bismaquer betreten und auch wieder verlassen haben. Es handelte sich dabei um einen bekannten Händler für seltene Drucke.«

      »Wissen Sie irgendetwas über seltene Drucke, 007?« M wirkte zum ersten Mal seit Bonds Ankunft im Büro fröhlich.

      »Bisher nicht, Sir.« Bond zündete sich eine weitere Zigarette an. »Aber ich habe das Gefühl, dass ich recht schnell etwas darüber lernen werde.«

      »Das Gleiche gilt für Miss Leiter.« M gestattete sich ein seltenes Lächeln, während er nach dem Telefon griff.

      SELTENE DRUCKE ZU VERKAUFEN

      James Bond war stets von New York erstaunt. Andere Leute sagten, es werde schlimmer und gehe schnell den Bach runter. Sie sprachen davon, wie schmutzig und gefährlich es sei. Doch jedes Mal, wenn Bond im Rahmen eines Auftrags dorthin geschickt wurde, stellte er fest, dass sich New York seit seinem ersten Besuch kaum verändert hatte. Zweifellos gab es mehr Gebäude und – wie in jeder Stadt – mehr Orte, von denen man sich nachts besser fernhielt. Doch er konnte nicht leugnen, dass es ihn als Stadt emotional stärker ansprach als sein geliebtes London.

      Dieses Mal war er jedoch nicht als James Bond in New York City. Sein Pass war auf den Namen Professor Joseph Penbrunner ausgestellt, der als Kunsthändler geführt wurde. Cedar Leiter hatte ihren Namen ebenfalls geändert – in Mrs Joseph Penbrunner – und das Paar hatte die Aufmerksamkeit der Medien erregt: Dafür hatten M und sein Stabschef bereits gesorgt.

      Am Abend nach Cedar Leiters Ankunft in London hatte Bond sie vom Hauptquartier aus mit in einen geheimen Unterschlupf in einer kleinen Gasse in Kensington genommen, der problemlos von einer Gruppe Kindermädchen überwacht werden konnte, die man ihnen zugeteilt hatte. Bill Tanner war innerhalb einer Stunde eingetroffen, um den beiden einen schnellen Überblick über die Tarnidentitäten zu verschaffen, die man für sie ausgewählt hatte. Da Cedar in der Branche unbekannt war, brauchte sie keine Tarnung, aber Bond würde sich ein paar äußerlichen Veränderungen unterziehen müssen, und Tanner hatte dafür verschiedene Ideen auf Lager.

      Tarnung, das wusste Bond nur zu gut, funktionierte am besten, wenn man sie auf ein Minimum beschränkte – eine veränderte Frisur, ein paar neue Eigenarten beim Gehen, Kontaktlinsen, vielleicht Gummipolster in den Wangen, um sie voller wirken zu lassen (diese Möglichkeit wurde jedoch nicht oft benutzt, weil sie Schwierigkeiten beim Essen und Trinken verursachte), eine Brille oder ein anderer Kleidungsstil. Das waren die einfachsten Dinge, und in dieser ersten Nacht erfuhr Bond, dass er mit einem grau werdenden Schnurrbart, einer Brille mit breitem Gestell – und Fensterglas – sowie einer vorsichtigen Ausdünnung und kompletten Graufärbung der Haare ausgestattet werden würde. Außerdem schlug man vor, er solle sich die geduckte Haltung eines Akademikers und eine langsamere Gangart sowie eine recht aufgeblasene Art zu sprechen angewöhnen.

      In den folgenden paar Tagen fuhr Bond jeden Morgen direkt zu dem Unterschlupf in Kensington, um mit Cedar zu arbeiten.

      M schickte einen kleinen, humorlosen Niemand von einem Mann zu ihnen, der ein Experte für Drucke war, besonders für seltene englische Werke. Sein Name wurde nie erwähnt. Der Schnellkurs, den er Bond und Cedar erteilte, verschaffte ihnen zumindest ausreichend oberflächliches Wissen über das Thema.

      Innerhalb dieser einen Woche lernten sie, dass es vor Caxtons frühen einfachen Holzschnitten bis zur Mitte des siebzehnten Jahrhunderts keine bedeutenden englischen Drucker gegeben hatte. Die wahre Pracht kam vom Kontinent mit Meistern wie Dürer, Lucas van Leyden und anderen. Sie erfuhren etwas über Holbein den Jüngeren, die ersten englischen Kupferdrucke von John Shute, und dann ging es weiter mit Hollar, Hogarth und seinen Zeitgenossen, über die sogenannte romantische Tradition, bis hin zur Wiederentdeckung und der hohen Kunst des Kupferstechens und Druckens im neunzehnten Jahrhundert.

      Am dritten Tag kam M nach Kensington und bat ihren Lehrer darum, sich auf Hogarth zu konzentrieren. Der Grund dafür wurde an diesem Abend enthüllt, als M erneut auftauchte, dieses Mal mit Bill Tanner und einem Paar seiner persönlichen Wachhunde im Schlepptau.

      »Nun, ich denke, wir haben es geschafft«, verkündete M, setzte sich auf den bequemsten Stuhl und rümpfte angesichts der Tapete angewidert die Nase. Wie alle sicheren Verstecke des Service besaß der Ort die spärlichen Annehmlichkeiten eines schlechten Hotels.

      »Zwei Dinge«, fuhr M fort. »Nena Bismaquer, geborene Clavert, scheint sauber zu sein. Zweitens: Sie, Professor Penbrunner, haben bei gewissen Leuten in der Welt der Kunst keinen guten Stand. Morgen könnte die Presse durchdrehen. Tatsächlich suchen sie gerade jetzt nach Ihnen.«

      »Und was genau soll ich getan haben?« Bond war nun eindeutig misstrauisch.

      »Nicht viel.« Ms Stimme hatte einen höchst professionellen Tonfall angenommen. »Sie haben eine Reihe bislang unbekannter signierter Hogarth-Drucke entdeckt, ganz ähnlich wie Werdegang eines Wüstlings oder Werdegang einer Dirne. Insgesamt handelt es sich um sechs Werke, die allesamt wundervoll ausgeführt sind und den Titel Werdegang einer Dame tragen. Das wird für ziemlichen


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