James Bond 17: Der Kunstsammler. John Gardner

James Bond 17: Der Kunstsammler - John  Gardner


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nicht gerade das Wort war, mit dem Damen ihn beschrieben.

      »Dann kommen Sie, Cedar. Wir sollten ausgehen und uns amüsieren – oder zumindest zu Abend essen. Ich kenne hier ganz in der Nähe ein Restaurant.«

      Sie gingen zu Fuß zum eleganten Le Périgord in der Zweiundfünfzigsten Straße Ost.

      »Wenn man in dieser Stadt echtes französisches Essen haben will, ist man hier genau richtig«, erklärte Bond Cedar und bemerkte weder das leichte Zucken ihrer Augenbrauen noch das Lächeln, das über ihr Gesicht huschte, als sie hörte, wie ein Engländer ihr, einer waschechten Amerikanerin, erzählte, wo man in New York das beste Essen bekam.

      Sie gab jedoch zu, dass er recht hatte, denn die Mahlzeit hätte nicht besser sein können – auch wenn Bond das einfachste aller Gerichte wählte: asperges de Sologne à la Blésoise – dicken, zarten Spargel in einer Soße aus Sahne, Zitronen- und Orangenschalen und einem Spritzer Grand Marnier auf Basis einer Hollandaise –, pochierte Seezungenfilets au champagne und eine tarte de Cambrai mit Birnen, die auf der Zunge zerging.

      Sie teilten sich eine Flasche ’69er Dom Pérignon – den Bond für »sicher« erklärte –, und Cedar entspannte sich und fing an, den Abend zu genießen, was für sie offenbar eine befremdliche Erfahrung war. Denn obwohl Bond nicht ein einziges Mal seine Rolle als Joseph Penbrunner vergaß, glaubte sie, den Mann hinter der Tarnung sehen zu können, den Mann, von dem ihr Vater so oft gesprochen hatte: die unvergesslichen graublauen Augen; das attraktive dunkle Gesicht, das ihren Vater in jüngeren Jahren immer an Hoagy Carmichael erinnert hatte; der harte, fast grausame Mund, der so unerwartet weich werden konnte. Sie konnte das, was sie fühlte, nur als eine Art magnetische Anziehungskraft beschreiben, und sie kam nicht umhin, sich zu fragen, wie viele andere sie vor ihr empfunden hatten.

      Nach dem Essen gingen sie zurück ins Drake, holten den Zimmerschlüssel ab und nahmen den Fahrstuhl in den dritten Stock.

      Die drei kräftigen Männer in schicken, gut geschnittenen Anzügen umzingelten das Paar, als sich die Fahrstuhltüren hinter ihnen schlossen. Noch bevor Bond in sein Jackett greifen und den Griff der VP70 erreichen konnte, legte sich eine Hand um sein Handgelenk, während ihm eine andere die Pistole abnahm.

      »Wir werden jetzt ruhig auf Ihr Zimmer gehen, Professor«, sagte einer der Männer. »Keine Sperenzchen. Wir überbringen lediglich eine Einladung von jemandem, der Sie sehen will, klar?«

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      GEWALTSAME EINLADUNG

      Zu der Arbeit, die Cedar und Bond gemeinsam in dem geheimen Unterschlupf in Kensington absolviert hatten, gehörte auch die Absprache einer Reihe von Signalen und Bewegungen, die sie in einer Situation wie dieser benutzen würden. Bond nickte in Richtung des schweren Mannes, der gesprochen hatte, kratzte sich an der rechten Schläfe und hustete. Für Cedar bedeutete das: »Machen Sie, was die sagen, aber achten Sie darauf, was ich tue.«

      »Machen Sie bloß keinen Quatsch«, drohte der größte der drei Männer. Er war ein paar Zentimeter größer als Bond und hatte den muskulösen Körperbau und die fassartige Brust eines Gewichthebers. Die anderen wirkten gleichermaßen stark und durchtrainiert. Professionelle Gangster, dachte Bond, professionell und erfahren.

      Der große Mann hatte Bond den Zimmerschlüssel abgenommen. Nun öffnete er ruhig die Tür und drängte das Paar hinein. Ein schneller, heftiger Stoß beförderte Bond auf einen Stuhl, und Hände, sie sich wie zwei Schraubstöcke anfühlten, hielten seine Schultern von hinten fest. Cedar wurde auf ähnliche Weise behandelt.

      Es dauerte einen Augenblick, bis Bond den vierten Mann bemerkte, der am Fenster stand und gelegentlich auf die Straße hinunterschaute. Er musste sich bereits im Zimmer befunden haben, als sie eingetreten waren. Bond erkannte ihn sofort als den schlanken, athletischen Mann mit dem ordentlichen Militärschnurrbart und dem viel zu eleganten rotbraunen Smoking, der zuvor in der Hotellobby auf ihn zugekommen war und ihm eine Visitenkarte mit Goldrand in die Hand gedrückt hatte. Der Mann hatte sich ihm als Mike Mazzard vorgestellt, etwas davon gesagt, dass er beim Presseempfang am Flughafen gewesen sei, und gemeint, er wolle sich unter vier Augen mit ihm über die Drucke unterhalten. Bond hatte darauf recht schroff reagiert und den Vorschlag eines Drinks in einem Casino abgelehnt, da er den Mann für einen Journalisten gehalten hatte, der hinter einem Exklusivinterview her war – auch wenn er keine Zeitung erwähnt hatte. Bond hatte sich die Visitenkarte nicht einmal richtig angesehen, sondern sie einfach nur in seine Tasche gesteckt und erklärt, dass er sich mit niemandem treffen würde, bevor sie sich eine Nacht lang anständig ausgeruht hatten.

      »Also, Professor«, sagte der große Mann, der eine Position in der Mitte des Raums eingenommen hatte und beiläufig die VP70 von einer Hand in die andere warf wie ein Gorilla, der mit einem Stein spielte. »Sie tragen eine Waffe bei sich, was? Wissen Sie, wie man damit umgeht?«

      Bond behielt seine Tarnung bei und ließ ein aufgeblasenes Stammeln vernehmen, mit dem er seine Empörung verdeutlichen wollte. »Selbstverständlich weiß ich, wie man damit umgeht«, ereiferte er sich. »Ich kann Ihnen versichern, dass ich im Krieg …«

      »Was für ein Krieg soll das gewesen sein, mein Freund?«, schnaubte der Mann, der ihn festhielt. »Die Amerikanische Revolution?«

      Die drei Muskelprotze brachen in schallendes Gelächter aus.

      »Ich war Offizier im Zweiten Weltkrieg«, sagte Bond würdevoll. »Ich habe mehr Kämpfe gesehen als …«

      »Der Zweite Weltkrieg ist schon eine ganze Weile her, mein Freund«, unterbrach ihn der große Mann und wog die VP70 direkt vor Bond in seiner Hand. »Sie haben hier eine ganz schön tödliche Waffe. Warum tragen Sie sie überhaupt bei sich?«

      »Zum Schutz«, schnauzte Bond in bester Penbrunner-Manier.

      »Ja, das dachte ich mir. Aber zum Schutz vor was?«

      »Straßenräubern. Dieben. Grobianen wie Ihnen. Leuten, die uns bestehlen wollen.«

      »Wann wirst du endlich ein paar Manieren lernen, Joe Bellini?«, fragte die ruhige, gemäßigte Stimme vom Fenster aus. »Wir sind mit einer Einladung hier, nicht um Professor Penbrunner in seinem eigenen Zimmer in die Mangel zu nehmen. Erinnerst du dich?«

      »Sie bestehlen? Wir sind nicht hier, um Sie zu bestehlen«, fuhr der massige Mann namens Bellini mit geheuchelter Höflichkeit fort, während sich auf seinem Gesicht gekränkte Unschuld spiegelte. »Sie haben ein paar Bilder, richtig?«

      »Bilder?«

      »Ja, irgendwelche besonderen Bilder.«

      »Drucke, Joe.« Der Mann am Fenster sprach nun mit mehr Autorität in der Stimme.

      »Ja, Drucke. Danke, Mr Mazzard. Sie haben Drucke von einem Kerl namens Ho-irgendwas.«

      »Ho-garth, Joe«, soufflierte Mazzard, ohne den Blick von der Straße unter sich abzuwenden.

      »Ich besitze ein paar Hogarth-Drucke«, erwiderte Bond nachdrücklich. »Sie zu besitzen und sie zu haben, ist nicht ganz dasselbe.«

      »Wir wissen zufällig, dass Sie sie hier haben«, sagte Joe Bellini mit vorgetäuschter Geduld. »Im Hoteltresor.«

      Mike Mazzard drehte sich am Fenster herum, um Bond anzusehen, der nun erkannte, dass dieser Mann der bei Weitem gefährlichste der vier war. Seine Haltung strahlte eine gewisse Glätte und Autorität aus.

      »Reden wir mal Klartext«, sagte er. »Niemand wird Ihnen beiden etwas antun. Wir wollen nur, dass Sie die Situation verstehen. Wir sind als Repräsentanten von Mr Bismaquer hier, der diese Hogarth-Drucke sehen will. Nennen Sie es eine Einladung. Aber er will nicht bis morgen auf eine Antwort warten. Sie haben seine Karte – die, die ich Ihnen in der Lobby gegeben habe. Ich schätze, er will Ihnen ein Angebot machen …«

      Joe Bellini lachte. »Ein Angebot, das Sie nicht ablehnen


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