James Bond 17: Der Kunstsammler. John Gardner

James Bond 17: Der Kunstsammler - John  Gardner


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und bitten, dass die Drucke hierher gebracht werden, dann können wir uns auf den Weg machen.«

      Bond schüttelte den Kopf. »Das geht nicht«, entgegnete er lächelnd. »Ich habe einen Schlüssel. Die haben den anderen. Wie bei einer Bank. Die Drucke befinden sich in einem Tresorfach«, log er. »Nur der diensthabende Mitarbeiter und ich können sie herausholen. Nicht einmal meine Frau …«

      Voller Erleichterung beglückwünschte sich Bond dazu, sich in letzter Minute umentschieden und beschlossen zu haben, dass die Drucke im Geheimfach des Saabs sogar noch sicherer sein würden, besonders falls sie das Hotel schnell verlassen mussten.

      »Wie Mr Mazzard schon sagte«, fuhr Joe Bellini unbeirrt fort. Seine Höflichkeit war nun vollkommen verschwunden. »Wir wollen niemanden verletzen. Aber wenn Sie nicht kooperieren, dann können Louis und Kid« – er deutete auf den Mann, der Bond festhielt – »die Situation für Ihre kleine Lady sehr unangenehm machen.«

      Mazzard trat vom Fenster weg, ging um Joe herum, der noch immer mit der VP70 spielte, und blieb vor Bond stehen.

      »Professor Penbrunner. Darf ich vorschlagen, dass Sie und Joe gemeinsam nach unten gehen und die Drucke holen, damit wir dann alle zum Kennedy-Flughafen fahren können? Mr Bismaquer hat seinen Privatjet geschickt, um Sie abzuholen. Er hatte wirklich gehofft, dass Sie ihm beim Abendessen Gesellschaft leisten würden. Dafür ist es jetzt schon ein wenig spät. Aber wir können die verlorene Zeit wettmachen, und Sie und Mrs Penbrunner können sich auf der Ranch ausschlafen. Dort fühlen Sie sich sicher wohler als in dieser Absteige, das kann ich Ihnen versichern. Also, was sagen Sie?«

      »Hören Sie, Mazzard«, stieß Bond hervor. »Das ist eine Unverschämtheit! Ich habe Ihnen bereits zuvor gesagt, dass ich vor morgen keine Verabredungen treffe. Wenn Sie diesen Mann wirklich repräsentieren – Bismaquer sagten Sie, sei sein Name …?«

      »Sparen Sie sich das für die Nachwelt«, unterbrach ihn Bellini, »und lassen Sie uns loslegen. Und versuchen Sie ja keine Dummheiten.« Er ging zu Cedar und riss ihr mit einer beiläufigen Handbewegung das Kleid vom Hals bis zur Taille auf, dabei enthüllte er, dass sie keinen Büstenhalter trug.

      »Nett«, keuchte Louis und spähte über die Schulter, die er noch immer festhielt, nach unten. »Sehr nett.«

      »Schluss damit«, befahl Mazzard. »Für derlei Dinge besteht kein Anlass. Es tut mir leid, Professor, aber Sie müssen verstehen, dass Mr Bismaquer nicht daran gewöhnt ist, ein Nein als Antwort zu erhalten. Also, ich werde Ihre Sachen zusammensuchen, während Sie und Joe die Drucke holen. Wir können schon bald am Kennedy-Flughafen und in der Luft sein, wenn wir uns beeilen.«

      Bond nickte. »In Ordnung«, sagte er leise. Er war ein wenig aus der Fassung gebracht, weil auch er für etwa eine Sekunde nicht in der Lage gewesen war, den Blick von Cedars teilweise entblößten Brüsten zu lösen. »Aber meine Frau wird sich umziehen müssen. Wir können die Drucke auf dem Weg nach draußen abholen …«

      »Wir holen die Drucke jetzt«, sagte Mazzard tonlos. Er duldete keine weiteren Diskussionen. »Hör auf, mit der Waffe des Professors herumzufuchteln, Joe. Leg sie in den Schrank, du hast deine eigene.«

      Joe Bellini zog einen kleinen Revolver aus seinem Jackett. Nachdem er Bond gezeigt hatte, dass er bewaffnet war, steckte er seine eigene Waffe wieder ein und legte die VP70 auf den Nachttisch.

      Mazzard nickte Kid zu, und der schraubstockartige Griff um Bonds Schultern löste sich. Bond bewegte vorsichtig die Arme und versuchte, seinen Blutkreislauf so schnell wie möglich wieder in Gang zu bringen. Gleichzeitig hustete er kurz und fegte einen nicht vorhandenen Faden von seinem Revers – mit diesen Gesten signalisierte er Cedar, sich bereitzuhalten. Laut sagte er, dass er seinen Aktenkoffer benötige.

      »Mein Schlüssel befindet sich darin.« Er deutete auf die Stelle, an der der Koffer neben dem zusammenklappbaren Gepäckständer aus Stahl stand.

      Mazzard nahm den Aktenkoffer, wog ihn und hob ihn dann ein paar Mal mit einer Hand ruckartig an. Zufrieden reichte er Bond den Koffer. »Nur den Schlüssel, und dann folgen Sie Joe.«

      Der Aktenkoffer war eine Version seiner ursprünglichen Tasche von Swaine & Adeney und von Q’utie für 007s aktuelle Operation modifiziert worden. Seine wichtigste Besonderheit – eine effektive Vorrichtung, die auf einem der Geheimfächer in Bonds ursprünglicher Tasche basierte – waren zwei schmale, mit Sprungfedern versehene Fächer, die in das Innenfutter der rechten Seite eingenäht waren. Wenn man am linken Zahlenschloss drei Mal die Drei und am rechten drei Mal die Zwei einstellte, reagierten die Sprungfedern jeweils mit einem Abstand von fünf Sekunden und warfen die Griffe von Bonds Sykes-Fairbairn-Messern durch den Boden des Koffers aus.

      Als er den Koffer auf den Schoß nahm, schätzte Bond die Situation ein. Sie befanden sich zweifellos in einer Zwangslage, denn Bond wurde nun langsam klar, dass er nicht nur niemanden an das Tresorfach lassen durfte, sondern auch nicht zulassen konnte, dass diese Gangster die Geheimnisse des Saabs entdeckten. Für einen flüchtigen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, Joe aus dem Weg zu räumen, bevor sie den Wagen erreichten. Mit einem Mann auf offenem Gelände würde er sehr viel leichter fertigwerden, als mit vier von ihnen in einem geschlossenen Raum. Aber was würde dann aus Cedar werden? Wenn er Alarm auslöste, konnte niemand sagen, was sie ihr antun würden. Er konnte das Risiko nicht eingehen. Die Alternative – den Spieß hier und jetzt umzudrehen – schien sehr unrealistisch. Konnte er sich auf Cedars schnelle Reaktion verlassen? Er blickte in ihre Richtung, ihr Blick traf den seinen und verriet ihm, dass sie bereit war.

      Mazzard stand am nächsten bei ihm und würde der Erste sein, den er erledigen musste, beschloss Bond, während er vorsichtig das linke Drehschloss auf die drei Dreien drehte. Dann bewegte er den Koffer zur Seite, damit die drei schlanken verborgenen Messeröffnungen direkt über seinem rechten Oberschenkel lagen. Sobald Mazzard außer Gefecht gesetzt war, musste er sich auf Joe Bellini stürzen und bei den anderen beiden auf Glück und das Überraschungsmoment vertrauen. Alles hing von drei Dingen ab: seiner eigenen Genauigkeit, Cedars Bereitschaft und davon, wie schnell sich Kid bewegte.

      Er verlagerte den Koffer leicht, dann stellte er am rechten Zahlendrehschloss drei Mal die Zwei ein. Als Bond den Koffer erneut bewegte, ertönte kein Geräusch. Er schob seine Hand darunter, bereit, das erste Messer nach der fünfsekündigen Verzögerung zu packen. Er spürte, wie der Griff in seine rechte Hand glitt, und da er wusste, dass er nur fünf Sekunden hatte, bis das zweite Messer bereit war, machte er seinen Zug.

      Wurfmesser sind so genau ausbalanciert, dass selbst ein Experte Schwierigkeiten gehabt hätte, die Waffe so zu lenken, wie Bond es beabsichtigte. Ein behänder, richtig ausgeführter Wurf sollte immer dafür sorgen, dass sich die Spitze der Klinge in einer nach vorne gerichteten, horizontalen Position befindet, wenn sie ihr Ziel erreicht.

      Bond wollte niemanden verletzen, sofern es sich vermeiden ließ. Aus diesem Grund mussten beide Würfe außergewöhnlich präzise und gleichzeitig ein wenig aus dem Takt sein, damit der schwere Knauf über dem Griff das anvisierte Ziel vor der rasiermesserscharfen Klinge treffen würde.

      Bond bewegte sich kaum merklich auf seinem Stuhl. Er ließ sein Handgelenk zucken, legte ein Maximum an Kraft in seinen ersten Wurf und griff genau rechtzeitig nach unten, um das zweite Messer zu packen, das aus dem Koffer gestoßen wurde.

      Mit dem ersten Messer hatte er tadellos gezielt. Der Knauf traf Mazzard mit einem dumpfen Schlag – mitten zwischen die Augen. Er wusste gar nicht, wie ihm geschah, als sein Kopf lautlos zurückzuckte, das Messer zu Boden fiel und sein Körper ihm folgte. Cedar bewegte sich im selben Augenblick wie Bond. Sie stemmte ihre Füße gegen den Boden und schleuderte die Rückenlehne des Stuhls unter Zuhilfenahme ihres ganzen Gewichts gegen Louis, der davon vollkommen überrumpelt wurde, da ihn Mazzards plötzlicher Sturz abgelenkt hatte. Bond nahm nur das Ächzen und das Krachen wahr, als der Mann durch Cedar und das schwere Möbelstück umgeworfen wurde.

      Mittlerweile befand sich das andere Messer in Bonds Hand. Sein Körper drehte sich ein kleines Stück, um sich Joe vorzunehmen, dessen Reaktionsvermögen wesentlich schneller war, als 007 erwartet hatte. Glücklicherweise gelang es dem großen Mann


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