Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Mutter von soviel Söhnen« – er hob dabei drei Finger seiner Hand in die Höhe – »und sie hatte Töchter, welche die jungen Delawaren glücklich gemacht haben würden. Sie war sanft, Tochter, und was ich ihr sagte, das tat sie. Ihr habt andere Gebräuche; aber glaubst du wohl, daß John das Weib seiner Jugend – die Mutter seiner Kinder nicht liebte?«

      »Und was ist aus Eurer Familie, Eurem Weib und Euren Kindern geworden, John?« fragte Elisabeth, tief ergriffen von den Worten des Indianers.

      »Wo ist das Eis hingekommen, das den großen Quell bedeckte? Es ist zerschmolzen und zu Wasser geworden. John hat gelebt, bis sein ganzes Volk hingegangen war in das Land der Geister; seine Zeit ist gekommen, und er ist bereit.«

      Mohegan ließ den Kopf auf seine Decke sinken und verstummte. Miss Temple wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie wünschte, die trüben Gedanken des alten Kriegers zu zerstreuen; aber sowohl in seinem Kummer als in seiner Entschiedenheit lag eine solche Würde, daß sie nicht zu sprechen wagte. Nach einer langen Pause begann sie jedoch das Gespräch aufs neue, indem sie fragte:

      »Wo ist Lederstrumpf, John? Seinem Wunsch gemäß habe ich diese Büchse Pulver hergebracht, aber er läßt sich nirgends blicken. Wollt Ihr sie in Verwahrung nehmen und darauf bedacht sein, daß sie abgeliefert wird?«

      Der Indianer erhob langsam seinen Kopf und sah mit ernstem Blick auf die Gabe, welche sie in seine Hand legte.

      »Dies ist der große Feind meines Volkes. Wann hätten die Weißen ohne ihn je die Delawaren vertreiben können? Tochter, der Große Geist hat Eure Väter gelehrt, Gewehre und Pulver zu machen, um die Indianer damit aus ihrem Lande zu vertilgen; bald wird keine Rothaut mehr in diesen Bezirken weilen. Wenn John dahingeht, so verläßt die letzte diese Berge, und seine Familie ist ausgestorben.«

      Der alte Krieger streckte seinen Körper vorwärts, legte einen Ellenbogen auf sein Knie und schien Abschied zu nehmen von den Gegenständen des Tales, die noch durch die dunstige Atmosphäre sichtbar waren, obgleich sich die Luft mit jedem Augenblick um Miss Temple zu verdicken schien, wie sie denn auch fühlte, daß ihr das Atmen immer schwerer wurde. Das Auge Mohegans veränderte allmählich den Ausdruck des Schmerzes zu einem wilden Blick, den man beinahe für den eines begeisterten Sehers hätte halten können, als er fortfuhr:

      »Aber er wird gehen nach dem Land, wo seine Väter weilen. Das Wild wird in ebenso großer Menge da sein wie der Fisch in den Seen. Kein Weib wird um Nahrung weinen und kein Mingo je dahin kommen. Die Kinder werden jagen und alle gerechten roten Männer wie Brüder zusammenleben.«

      »John, das ist nicht der Himmel eines Christen!« rief Miss Temple. »Ihr sinkt zurück in den Aberglauben Eurer Vorfahren.«

      »Väter! Söhne!« sprach Mohegan mit Festigkeit – »alle dahin! – alle dahin! – Ich habe keinen Sohn als den jungen Adler, und in seinen Adern fließt das Blut eines weißen Mannes.«

      »Sagt mir, John«, entgegnete Elisabeth, die seine Gedanken auf andere Gegenstände zu lenken wünschte, indem sie zugleich der Macht der Neugierde nachgab: »Wer ist dieser Herr Edwards? Warum liebt Ihr ihn so, und woher kommt er?«

      Der Indianer fuhr bei dieser Frage, die augenscheinlich seine Gedanken nach der Erde zurückführte, zusammen. Er ergriff die Hand des Mädchens, zog sie an seiner Seite nieder und deutete auf das Land unter ihnen. –

      »Sieh, Tochter«, sagte er, ihre Blicke gen Norden lenkend; »so weit dein junges Auge sehen kann, war es das Land seines – –«

      In diesem Augenblick rollten ungeheure Rauchmassen über ihren Köpfen weg und verhüllten in kreiselnden Wirbeln die Aussicht nach dem Gebirge. Erschrocken über diese Erscheinung sprang Miss Temple auf ihre Füße und wandte ihre Augen nach dem Gipfel des Berges, den sie gleichfalls mit einer dichten Rauchwolke bedeckt sah, während sich ein heulender Ton, ähnlich dem Brausen des Windes, im Wald über ihr vernehmen ließ.

      »Was bedeutet das, John?« rief sie. »Wir sind von Rauch eingehüllt, und ich fühle eine Hitze, ähnlich der Glut eines Ofens.«

      Ehe der Indianer antworten konnte, ließ sich das Rufen einer Stimme durch die Wälder vernehmen.

      »John! Wo bist du, alter Mohegan? Der Wald steht in Flammen, und du hast nur noch eine Minute Zeit zur Flucht!«

      Der Häuptling legte die Hand vor seinen Mund und brachte mit den Lippen denselben Ton hervor, der Elisabeth nach der Stelle gelockt hatte, als plötzlich ein schneller hastiger Schritt durch das Gebüsch und Unterholz rauschte und unmittelbar darauf Edwards mit entsetzten Zügen an ihre Seite trat.

      XXXVII

       Inhaltsverzeichnis

      Die Liebe herrscht ob Hof und Feld und Hain.

      Lied des letzten Minstrels

      »Es wäre in der Tat traurig gewesen, dich auf eine solche Weise zu verlieren, mein alter Freund«, rief Oliver, sobald er so weit zu Atem gekommen war, um sprechen zu können. »Auf und fort! Vielleicht ist es jetzt schon zu spät. Die Flammen ziehen sich im Kreis um die Felsenspitze, und wenn wir hier nicht durch können, bleibt uns kein anderer Ausweg als über den Absturz hinunter. Auf! Auf! Schüttle deine Schlaffheit ab, John! Der Augenblick drängt!«

      Mohegan deutete auf Elisabeth, welche, sobald sie die Töne von Edwards Stimme erkannt, die Gefahr vergessen und sich hinter einen Felsenvorsprung zurückgezogen hatte, und sprach mit neu erwachendem Leben:

      »Rette sie – laß John sterben!«

      »Sie? Wen meinst du?« rief der Jüngling, indem er sich rasch nach der von dem Indianer angedeuteten Stelle umwandte; – als er aber Elisabeths Gestalt sah, in deren Haltung sich sowohl der Schreck als auch ein Mißbehagen ausdrückte, mit dem jungen Mann an einem solchen Ort zusammenzutreffen, fühlte er sich vor Entsetzen fast der Sprache beraubt.

      »Miss Temple!« rief er, als er wieder Worte fand. »Sie hier? Ach, daß Ihnen ein solcher Tod vorbehalten sein mußte!«

      »Nein, nein, nein – kein Tod, hoffe ich, für irgend jemand von uns, Herr Edwards«, versetzte sie, indem sie sich bemühte, ruhig zu sprechen. »Es ist nur Ranch vorhanden, kein Feuer, das uns beschädigen könnte. Versuchen wir’s zu fliehen!«

      »Nehmen Sie meinen Arm«, entgegnete Edwards, »es muß irgendwo noch eine Lücke sein, um uns durchzuhelfen. Aber sind Sie auch der Anstrengung gewachsen?«

      »Gewiß. Doch ich glaube nicht daß die Gefahr so groß ist, Herr Edwards. Führen Sie mich nach der Richtung, wo Sie herkamen.«

      »Ich will – ich will«, rief der Jüngling mit einer Art verzweifelter Entschlossenheit. »Ja, ja – dort ist keine Gefahr, ich habe Sie unnötig beunruhigt.«

      »Aber sollen wir den Indianer verlassen? – Können wir ihn, wie er sagt, sterben lassen?«

      Ein Ausdruck schmerzlicher Erregung flog über das Gesicht des jungen Mannes; er hielt an und warf einen wehmütigen Blick auf Mohegan zurück, ohne jedoch seine Gefährtin loszulassen, die er mit gewaltigen Schritten vorwärts zog, um in der Richtung, aus der er gekommen war, einen Weg durch den Flammenkreis zu suchen.

      »Nehmen Sie keine Rücksicht auf ihn«, sprach er mit der Ruhe der Verzweiflung. »Er ist an die Wälder und an solche Szenen gewöhnt und entkommt vielleicht auf den Berg – über den Felsen – oder bleibt auch wohl, wo er ist, ohne daß seine Sicherheit gefährdet würde.«

      »Sie waren eben erst noch anderer Ansicht, Edwards! – Lassen Sie ihn nicht dort, um eines solchen Todes zu sterben«, rief Elisabeth und heftete dabei auf das Antlitz des Jünglings einen Blick, der die Gesundheit der Sinne ihres Führers zu bezweifeln schien.

      »Ein Indianer und verbrennen! Wer hat je gehört, daß ein Indianer im Feuer gestorben wäre? Ein Indianer kann nicht verbrennen, der Gedanke ist lächerlich. Eilen Sie, eilen Sie, Miss Temple!


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