Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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Worten Munro einen offenen Brief hinhielt; »Sie werden daraus ersehen, mein Herr, daß seine Bewegungen meinem Heere nicht eben viel in den Weg legen werden.«

      Der Veteran ergriff das dargebotene Papier, ohne zu warten, bis Duncan Montcalm’s Worte verdolmetscht hatte, mit einer Heftigkeit, welche verrieth, wie wichtig ihm sein Inhalt seyn müsse. Während sein Auge das Schreiben überlief, ging seine Miene plötzlich von dem Ausdruck militärischen Stolzes in den des tiefsten Kummers über. Seine Lippe begann zu beben, das Papier entfiel seiner Hand und das Haupt sank ihm auf die Brust, wie einem Manne, dessen Hoffnungen ein Schlag vernichtet hat. Duncan hob den Brief auf und ohne die Freiheit, die er sich nahm, zu entschuldigen, warf er einen Blick auf dessen grausamen Inhalt. Ihr gemeinschaftlicher Oberer ermunterte sie nicht nur nicht zum Widerstände, sondern rieth ihnen sogar selbst, sich unverzüglich zu ergeben, indem er mit dürren Worten als Grund anführte, es sey ihm durchaus unmöglich, ihnen auch nur einen einzigen Mann zu Hülfe zu senden.

      »Hier findet keine Täuschung Statt!« rief Duncan, indem er den Brief sorgfältig außen und innen untersuchte, »Er trägt Webb’s Siegel und es muß der aufgefangene Brief seyn.«

      »Der Mann hat mich verrathen!« rief Munro endlich bitter aus; »er hat das Haus eines Mannes entehrt, dem Schande bisher unbekannt war, und Schmach über meine grauen Haare gebracht!«

      »Sagen Sie das nicht!« rief Duncan; »noch sind wir Herren des Forts und unserer Ehre. Wir wollen unser Leben um einen Preis verkaufen, der selbst unsern Feinden zu theuer erscheinen soll!«

      »Sohn, ich danke dir!« rief der alte Mann, der wie aus einer Betäubung erwachte. »Mit einem Male hast du Munro zu seiner Pflicht zurückgerufen. Wir wollen heim, und unsere Gräber hinter jenen Bollwerken graben!«

      »Messieurs,« sprach Montcalm, mit edelmüthiger Theilnahme, einen Schritt vortretend, »Sie kennen Louis de St. Veran wenig, wenn Sie ihn für fähig halten, diesen Brief zur Demüthigung tapferer Soldaten und zur Befleckung seines eigenen Rufes benutzen zu wollen. Hören Sie meine Bedingungen, ehe Sie mich verlassen.«

      »Was sagt der Franzose?« fragte der Veteran finster; »macht er sich ein Verdienst daraus, einen Kundschafter mit einem Zettel aus dem Hauptquartier aufgefangen zu haben? Sir, er thäte besser, die Belagerung aufzuheben, und sich vor Fort Edward zu legen, wenn er einen Feind mit Worten einzuschüchtern wünscht.«

      Duncan erklärte ihm, was Montcalm gesagt hatte.

      »Monsieur de Montcalm, wir sind bereit, Sie anzuhören,« fügte der Veteran hinzu, als Duncan geendet hatte.

      »Das Fort zu behaupten, ist jetzt unmöglich,« sprach sein hochsinniger Gegner; »das Interesse meines Gebieters fordert, daß es zerstört werde: was aber Sie selbst und Ihre wackern Kameraden betrifft, so soll Ihnen kein Vorrecht, das dem Soldaten theuer ist, verweigert bleiben.«

      »Unsre Fahnen?« fragte Heyward.

      »Nehmen Sie nach England, um sie Ihrem Könige zu zeigen.«

      »Unsre Waffen?

      »Sie sollen ihnen bleiben; Niemand kann sie besser führen.«

      »Unser Auszug, die Uebergabe des Platzes?«

      »Alles soll auf die ehrenvollste Weise für Sie vor sich gehen.«

      Duncan wandte sich jetzt zu seinem Kommandanten, um ihm diese Punkte mitzutheilen. Der Greis hörte ihn mit Erstaunen an und war von einem so ungewöhnlichen und unerwarteten Edelmuth tief ergriffen.

      »Gehen Sie, Duncan,« sprach er, »gehen Sie mit diesem Marquis, der ein ächter Marquis ist, gehen Sie mit ihm in sein Zelt und bringen Alles in Ordnung. Zwei Dinge habe ich in meinem Alter erlebt, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ein Engländer ist so feig, seinem Waffenbruder Hülfe zu versagen, und ein Franzose hat zu viel Ehrgefühl, um seinen Vortheil auszubeuten.« Mit diesen Worten ließ der Veteran sein Haupt wieder auf die Brust sinken und kehrte langsamen Schrittes nach dem Fort zurück, wo seine Niedergeschlagenheit die bestürzte Besatzung üble Botschaft erwarten ließ.

      Dieser unerwartete Schlag hatte Munro’s stolzen Sinn so niedergebeugt, daß er sich nie mehr erholte. Von dem Augenblicke an war in seinem entschiedenen Charakter eine Veränderung vorgegangen, die ihn bald mit in das Grab begleiten sollte. Duncan blieb zurück, um die Bedingungen der Kapitulation festzusetzen. Man sah ihn um die erste Nachtwache in das Fort zurückkehren und unmittelbar nach einer kurzen Besprechung mit dem Kommandanten dasselbe wieder verlassen. Es ward jetzt öffentlich bekannt gemacht, daß die Feindseligkeiten aufzuhören hätten. Munro hatte eine Kapitulation unterzeichnet, laut welcher der Platz mit dem anbrechenden Morgen dem Feinde übergeben werden, die Besatzung aber ihre Waffen, ihre Fahnen und ihr Gepäcke, folglich nach militärischen Begriffen ihre Ehre behalten sollte.

       Inhaltsverzeichnis

      Laßt weben uns. Den Faden dreht geschwind.

       Webt das Geweb. Das Werk ist schon zu End’.

      Gray.

      Die feindlichen Heere, welche in den Wildnissen des Horican gelagert waren, brachten die Nacht des neunten Augusts 1757 ungefähr auf dieselbe Weise zu, wie wenn sie auf dem schönsten Schlachtfelde Europas zusammengetroffen wären. Während die Besiegten still, verdrossen und niedergeschlagen waren, triumphirten die Sieger. Aber Trauer wie Freude haben ihre Gränzen: und lange vor der Morgenwache wurde die Stille der endlosen Wälder nur noch durch den Jubelruf eines lustigen jungen Franzosen bei einem entfernten Piquet, oder durch ein drohendes Anrufen aus dem Fort unterbrochen, das jede Annäherung von feindlichen Fußtritten vor der festgesetzten Zeit verbot. Selbst diese gelegentlich laut werdenden drohenden Töne verstummten in der unheimlichen Stunde, die dem Anbruch des Tages vorangeht, und auch ein Lauscher hätte vergeblich auf irgend ein Zeichen gehorcht, daß die Anwesenheit der an den Ufern des »heiligen Sees« schlummernden Streitkräfte verkündigt hätte.

      Während dieser Augenblicke tiefer Stille wurde der Vorhang vor dem Eingange eines geräumigen Zeltes in dem französischen Lager bei Seite geschoben, und ein Mann schlüpfte unter demselben in die freie Luft hervor. Er war in einen Mantel gehüllt, der ihn gegen die kalten Dünste der Wälder schützen, aber auch seine ganze Gestalt verbergen sollte. Ungehindert ließ ihn der Grenadier, welcher den schlummernden französischen Befehlshaber zu bewachen hatte, vorüber, und die Schildwache machte nur das gewöhnliche Zeichen militärischer Ehrerbietung, als er flüchtigen Schritts durch die kleine Zeltstadt in der Richtung von William Henry forteilte. So oft der Unbekannte auf eine der zahlreichen Schildwachen auf seinem Wege stieß, war seine Antwort kurz und, wie es schien, befriedigend, denn man ließ ihn überall ohne weitere Ausforschung vorüber. Mit Ausnahme solcher oft wiederholten aber kurzen Unterbrechungen störte ihn auf seiner stillen Wanderung von der Mitte des Lagers bis zu den äußersten Vorposten nichts. Als er sich dem Soldaten näherte, der zunächst an den feindlichen Festungswerken Wache hielt, ward er mit dem gewöhnlichen Rufe empfangen: »Wer da?«

      »Frankreich,« war die Antwort.

      »Die Losung?« –

      »Der Sieg!« sprach der Andere, ihm so nahe tretend, daß er ihm seine Antwort zuflüstern konnte.

      »Gut,« versetzte die Schildwache, die Muskete wieder auf die Schulter nehmend, »Ihr geht frühe spazieren, Herr!«

      »Man muß wachsam seyn, mein Kind,« bemerkte der Andere, indem er eine Falte seines Mantels fallen ließ und beim Vorübergehen den Soldaten scharf in’s Gesicht faßte, indem er seinen Weg nach den brittischen Bastionen verfolgte. Der Soldat fuhr auf, seine Waffen erklirrten stark, als er sie zum ehrerbietigsten militärischen Gruße vorwarf, und ging dann, seine Flinte wieder aufnehmend und zwischen den Zähnen murmelnd, auf und nieder.

      »Gewiß muß man wachsam seyn! Ich glaube, wir haben da einen Korporal, der nie ein Auge schließt!«

      Der Offizier


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