Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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hin und her, theils die spärlichen Reste des Gepäckes tragend, theils in den Reihen der Soldaten die Gesichter derjenigen suchend, von denen sie Schutz und Schirm erwarteten.

      Munro erschien festen Antlitzes, aber niedergeschlagen, in der Mitte seiner schweigenden Truppen. Offenbar hatte dieser unerwartete Schlag sein Herz hart getroffen, obgleich er sich anstrengte, sein Unglück als Mann zu tragen.

      Duncan war tief bewegt von dem ruhigen und doch so eindringlichen Gram, der aus seiner Miene sprach. Er hatte seine eigene Pflicht erfüllt und eilte jetzt an die Seite des alten Mannes, um ihm seine Dienste anzubieten.

      »Meine Töchter!« war der kurze, aber bedeutungsvolle Bescheid.

      »Gott des Himmels! Sind noch keine Vorkehrungen für sie getroffen?«

      »Heute bin ich blos Soldat, Major Heyward!« sprach der Veteran, »Alle, die Sie hier sehen, wollen ebenso meine Kinder seyn!«

      Duncan hatte genug gehört. Ohne einen Augenblick der jetzt so kostbaren Zeit zu verlieren, eilte er nach der Wohnung des Kommandanten, um die Schwestern aufzusuchen. Er fand sie auf der Schwelle des niedern Gebäudes zur Abreise bereit und umgeben von einem Haufen weinender und jammernder Weiber, welche sich gleichsam instinktmäßig hier versammelt hatten, wo sie am ehesten Schutz erwarten durften. Cora hatte nichts von ihrer Festigkeit verloren, obgleich ihre Wange blaß und ihre Miene unruhig war. Alicens Augen aber waren entzündet und verriethen, daß sie lange und bitterlich geweint hatte. Beide empfingen den jungen Mann mit unverhohlener Freude, die Erstere gegen ihre Gewohnheit das Gespräch beginnend.

      »Das Fort ist verloren,« sprach sie mit melancholischem Lächeln, »aber unser guter Name ist, darauf traue ich, unverloren!«

      »Er steht glänzender da, als je! Aber theuerste Miß Munro, es ist Zeit, weniger an Andere zu denken, und für sich selbst zu sorgen. Militärische Sitte – Stolz – der Stolz, den Sie selbst so hoch schätzen, verlangt, daß Ihr Vater und ich, eine kleine Weile an der Spitze der Truppen ziehen. Aber wo einen geeigneten Beschützer für Sie gegen die Verwirrung und die Wechselfälle eines solchen Abmarsches finden?«

      »Es ist keiner nöthig,« versetzte Cora, »wer wird es wagen, die Töchter eines solchen Vaters zu einer Zeit, wie diese, zu beleidigen oder zu beschimpfen?«

      »Ich möchte Sie nicht für das Kommando des besten Regiments in königlichem Solde allein lassen,« entgegnete der Jüngling, flüchtig um sich blickend. »Bedenken Sie, unsere Alice besitzt nicht Ihre Seelenstärke, und Gott weiß, welche Schrecken sie könnte auszustehen haben!«

      »Sie mögen Recht haben,« sagte Cora, wieder lächelnd, aber viel ernster, als zuvor. »Hören Sie, der Zufall hat uns bereits einen Freund gesandt, da wir ihn am nöthigsten haben.«

      Duncan horchte und verstand sogleich, was sie meinte. Die langsamen, ernsten Töne des heiligen Gesangs, so wohl bekannt in den östlichen Provinzen, trafen sein Ohr und führten ihn in das Zimmer eines nahen Gebäudes, das bereits von seinen bisherigen Bewohnern verlassen war. Hier fand er David, der seine frommen Gefühle in der einzigen ihm eignen Weise aussprach. Duncan wartete, bis er aus dem Aufhören seiner Handbewegung schließen durfte, daß der Gesang zu Ende sey, klopfte ihm dann auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit rege zu machen, und sprach ihm in wenigen Worten seine Wünsche aus.

      »Recht gerne,« sprach der schlichte Jünger des Königs von Israel, als der junge Mann ausgeredet hatte, »ich habe viel Anmuth und viel melodische Anlagen bei diesen Mädchen gefunden, und es will sich ziemen, daß wir, die wir so viele Gefahren getheilt haben, auch ferner in Frieden zusammenreisen. Ich will sie begleiten, wenn ich mein Morgenlied beendigt habe, wozu blos noch die Lobpreisung fehlt. Wollen Sie mit anstehen, Freund? Das Sylbenmaß ist bekannt und die Weise »Southwell«.«

      Dann schlug David sein Büchlein auf, gab mit wohlüberlegter Achtsamkeit den Ton an, begann und endigte seinen Gesang mit jener Bestimmtheit, die nicht leicht eine Unterbrechung sich gefallen ließ. Heyward konnte kaum erwarten, bis die Verse zu Ende waren, und fuhr, sobald er sah, daß David seine Brille in das Futteral und das Buch in die Tasche steckte, fort:

      »Eure Pflicht wird seyn, dafür zu sorgen, daß Niemand den Ladies in einer rohen Absicht sich nahe, oder das Unglück ihres tapfern Vaters schmähe oder verhöhne. Die Diener ihres Haushalts werden euch hierin behülflich seyn.«

      »Ganz gut.«

      »Es ist möglich, daß euch Indianer oder Streifzüge der Feinde etwas anhaben wollen. Ihr verweiset sie dann nur auf die Bedingungen der Uebergabe, und drohet ihnen, die Sache Montcalm zu berichten. Ein Wort wird genügen.«

      »Wo nicht, so hab’ ich hier etwas, das seine Wirkung thut,« versetzte David, mit einer Miene frommer Zuversicht nach seinem Buche greifend, »Hier stehen Worte, welche mit gehörigem Nachdruck und im richtigen Zeitmaße gesprochen oder vielmehr gedonnert, den unbändigsten Sinn zähmen müßen!«

      »Warum toben die Heiden so wüthend?«

      »Genug!« sprach Heyward, seine musikalische Standrede unterbrechend; »wir verstehen einander; es ist Zeit, daß jeder von uns seiner Pflicht nachgehe.«

      Gamut stimmte ein und sie suchten die beiden Schwestern auf. Cora empfing ihren neuen, etwas sonderbaren Beschützer wenigstens mit Artigkeit; und selbst Alicens blasse Gesichtszüge überschlich wieder ein Zug ihrer angebornen Schalkhaftigkeit, als sie Heyward für seine Fürsorge dankte. Duncan versicherte ihnen, er habe so viel gethan als die Umstände erlaubten, und, wie er glaube, genug für ihre Sicherheit, da keine wirkliche Gefahr vorhanden sei. Er sprach dann heiter von seinem Plane, einige Meilen vom Hudson wieder mit ihnen zusammenzutreffen, sobald er die Vorhut bis an den Fluß geführt, und nahm alsbald Abschied.

      Das Zeichen zum Abmarsch war indessen gegeben worden, und die englische Kolonne bereits in Bewegung. Die Schwestern erschracken bei dem Trommelschlag, und um sich blickend wurden sie die weißen Uniformen der französischen Grenadiere gewahr, welche die Thore des Forts bereits in Besitz genommen hatten. In diesem Augenblicke schien plötzlich eine ungeheure Wolke an ihren Häuptern vorüberzuziehen, und emporschauend erblickten sie über sich die weiten Falten der Standarte von Frankreich.

      »Laßt uns gehen!« sprach Cora; »dies ist kein schicklicher Aufenthalt mehr für die Kinder eines englischen Offiziers.«

      Alice hing sich an den Arm ihrer Schwester und zusammen verließen sie den Paradeplatz, umringt von der sich langsam fortbewegenden Menge. Als sie durch den Thorweg gingen, verbeugten sich die französischen Offiziere, welche ihren Rang erfahren hatten, oft und tief, enthielten sich aber weiterer Aufmerksamkeiten, die, wie ein feiner Takt ihnen sagte, nicht an der Stelle seyn konnten. Da alle Wagen und Lastthiere für Kranke und Verwundete in Anspruch genommen waren, so hatte Cora beschlossen, mit ihrer Schwester lieber die Beschwerden eines Fußmarsches zu theilen, als Jener Bequemlichkeit zu verkürzen. Wirklich mußte mancher verstümmelte und schwache Soldat, weil es in diesen Wildnissen an den nöthigen Beförderungsmitteln fehlte, seine erschöpften Glieder hinter den Kolonnen herschleppen. Alles war jedoch in Bewegung: die schwachen und Verwundeten stöhnend und leidend, ihre Kameraden still und verdrießlich, und die Weiber und Kinder von Schrecken ergriffen, ohne zu wissen warum.

      Als der verworrene, schüchterne Haufe die schützenden Wälle des Forts verließ und auf die offene Ebene gelangte, stellte sich mit einem Mal die ganze Scene vor Augen. In einiger Entfernung zur Rechten und etwas nach hinten stand das französische Heer unter den Waffen, da Montcalm alle seine Truppen zusammengezogen hatte, so bald seine Wachen Besitz von den Festungswerken genommen. Sie waren aufmerksame, aber schweigende Beobachter der Bewegungen der Besiegten, keine der stipulirten militärischen Ehren versäumend, und im Bewußtseyn ihres Sieges ohne allen Hohn oder Spott gegen ihre minder glücklichen Feinde. Kriegerische Schaaren der Engländer, im Ganzen beinahe dreitausend Mann stark, zogen langsam über die Ebene zu dem gemeinschaftlichen Centrum heran und näherten sich einander allmälich, der Richtung ihres Marsches zueilend, einem durch den hohen Wald gehauenen Wege, der die Straße nach dem Hudson bildete. Um den gedehnten Saum der Wälder hing eine finstere Wolke von Wilden, welche den Marsch ihrer Feinde beobachteten und Geiern ähnlich in einiger Entfernung


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