Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


Скачать книгу
des Huronen ist noch leer. Ist er nicht besser als dieser Ort?«

      »Hinweg!« rief Cora, ihre Augen vor seinem empörenden Anblick verhüllend.

      Der Indianer lachte höhnisch und antwortete, seine rauchende Hand emporhaltend: »sie ist roth, aber das Blut kommt von weißen Adern!«

      »Ungeheuer! Blut, Ströme von Blut lasten auf deiner Seele: – dein Geist hat diese Scene herbeigeführt!«

      »Magua ist ein großer Häuptling!« erwiederte der frohlockende Wilde: – »will das schwarze Haar zu seinem Stamme gehen?« »Nimmermehr! führe deinen Streich, wenn du willst, und vollende deine Rache!«

      Der schlaue Indianer zögerte einen Augenblick; dann aber faßte er rasch die leichte und anscheinend leblose Gestalt Alicens in seine Arme und enteilte über die Ebene dem Wald zu.

      »Halt!« schrie Cora, und eilte ihm mit wildem Ungestüme nach. »Laß das Kind! Elender! was willst du mit ihr?«

      Aber Magua war taub für ihre Stimme; oder vielmehr er kannte seine Macht und war entschlossen, von ihr Gebrauch zu machen.

      »Haltet – Lady – haltet!« rief Gamut der besinnungslosen Cora nach, »Der heilige Zauber beginnt zu wirken und bald werdet Ihr diesen schrecklichen Aufruhr gestillt sehen!«

      Da er sah, daß man nicht auf ihn hörte, folgte der treue David der trostlosen Schwester, seine Stimme wieder zu einem heiligen Gesang erhebend, mit seinen langen Armen in steter Begleitung die Luft durchfurchend, das Zeitmaß anzugeben. So eilten sie über die Ebene hin, mitten durch Fliehende, Verwundete und Todte. Der wilde Hurone war Schutz genug für sich selbst, wie für das Schlachtopfer, das er trug; aber Cora wäre mehr denn einmal unter den Streichen ihrer wilden Feinde gefallen, hätten nicht die erstaunten Eingebornen das außerordentliche Wesen, das ihr auf dem Fuße folgte, mit dem schützenden Geiste der Verrücktheit begabt geglaubt.

      Magua, welcher den dringendsten Gefahren zu entgehen wußte, trat, um alle Verfolgung zu vereiteln, durch eine kleine Schlucht in den Wald, wo er bereits die Narragansets seiner wartend fand, welche die Reisenden so kurz zuvor verlassen hatten. Hier bewachte sie ein Hurone, dessen Züge eben so wild und boshaft waren als die seinigen. Er setzte Alice auf eines der Pferde und winkte Cora, das andere zu besteigen. Trotz des Abscheus, den die Gegenwart Magua’s in ihr erregte, fühlte sie sich doch für den Augenblick erleichtert, daß sie dem gräßlichen Schauspiele auf der Ebene entronnen war. Sie nahm ihren Sitz ein, und streckte ihrer Schwester die Arme entgegen, mit einem bittenden Ausdruck der Liebe, dessen Gewalt sich sogar der Hurone nicht entziehen konnte. Er brachte Alice auf dasselbe Pferd, auf welchem Cora saß, ergriff den Zügel und drang, seinen Weg fortsetzend, in die Tiefe des Waldes. Als David merkte, daß man ihn allein ließ, als einen, den es nicht einmal verlohne zu verderben, warf er eines seiner langen Beine über den Sattel des zurückgelassenen Pferdes und kam so schnell vorwärts, als es die Schwierigkeiten des Pfades erlauben wollten.

      Bald begannen sie zu steigen; da aber diese Bewegung die schlummernde Lebenskraft Alicens wieder zu erwecken schien, so war Cora’s Aufmerksamkeit zu sehr zwischen der zärtlichen Sorgfalt für die Schwester, und dem Geschrei, das sich immer noch laut genug von der Ebene her vernehmen ließ, getheilt, um darauf achten zu können, nach welcher Richtung hin sie reisten. Als sie jedoch auf die ebene Fläche eines Berggipfels gelangt waren, und dem östlichen Absturze nahten, erkannten sie den Platz wieder, zu welchem sie vor einigen Tagen unter der freundlicheren Leitung des Kundschafters geführt worden waren. Hier ließ sie Magua absteigen, und trotz ihrer eigenen Gefangenschaft, trieb sie doch die Neugierde, die vom Schauder unzertrennlich scheint, einen Blick auf das entsetzenvolle Schauspiel unter ihnen zu werfen.

      Das grausame Werk war noch nicht zu Ende. Auf allen Seiten flohen die Besiegten vor ihren erbarmungslosen Verfolgern, während die bewaffneten Kolonnen des allerchristlichsten Königs mit einer Gefühllosigkeit stehen blieben, die sich nicht erklären läßt und die auf den sonst so hohen Ruf ihres Anführers einen unauslöschlichen Flecken wirft. Das Schwert des Todes ruhte nicht eher, als bis die Raubgier der Wilden über ihren Blutdurst die Oberhand gewann. Endlich wurde das Gewinsel der Verwundeten und das Schlachtgeheul der Mörder allmählig schwächer, und die Schreckensrufe verstummten oder wurden von dem lauten, langen, durchdringenden Triumphgeschrei der Wilden übertönt. –

      Achtzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Ja, so etwas:

       Ein ehrenwerther Mörder, wenn Ihr wollt; –

       That Nichts aus Haß, der Ehre wegen Alles.

      Othello.

      Die blutige, barbarische Scene, die wir im vorigen Kapitel mehr nur flüchtig erwähnt, als im Einzelnen geschildert haben, führt in der Geschichte der Kolonien den wohlverdienten Namen des »Blutbads von William Henry.« Der Ruf des französischen Heerführers hatte schon durch einen früheren Vorgang ganz ähnlicher Art gelitten, und diesen neuen Flecken konnte selbst sein frühzeitiger, ruhmvoller Tod nicht völlig tilgen. Die Zeit hat ihn jetzt etwas verwischt, und Tausende, die erfahren haben, daß Montcalm auf den Ebenen von Abraham den Tod eines Helden starb, wissen vielleicht nicht, wie sehr es ihm an jenem moralischen Muthe gebrach, ohne den es keine wahre Größe gibt. Seiten ließen sich schreiben, um an diesem allbekannten Beispiele die Mängel menschlicher Vortrefflichkeit zu zeigen – um darzuthun, wie die Eigenschaften der Großmuth, feiner Höflichkeit und ritterlicher Tapferkeit vor dem erstarrenden Frosthauch der Selbstsucht dahinschwinden, und wie ein Mann, groß nach allen niederen Attributen des Charakters, zu Falle kommen kann, wenn es gilt, zu zeigen, wie hoch über der Politik die Forderungen des Sittengesetzes stehen. Aber diese Aufgabe würde die Gränzen unsres Werkes überschreiten; und da die Geschichte, gleich der Liebe, ihre Helden so gern mit einem Heiligenschein umgibt, so wird wohl die Nachwelt in Louis de Saint Veran nur den ritterlichen Vertheidiger seines Vaterlandes erblicken und seine grausame Fühllosigkeit an den Ufern des Oswego und des Horican vergessen. Mit Bedauern über diese Schwäche unsrer Schwestermuse, treten wir aus ihrem geheiligten Gebiete zurück auf das Feld unsres eigenen bescheidenern Berufs.

      Der dritte Tag nach der Uebergabe des Forts ging zu Ende; doch muß der Leser noch etwas an den Ufern des heiligen Sees verweilen. Als wir seine Gewässer zuletzt sahen, waren die Umgebungen der Festungswerke der Schauplatz der Gewaltthat und des Aufruhrs; jetzt herrschte dort eine Todtenstille. Die blutbefleckten Sieger waren abgezogen; und ihr Lager, das erst noch vom Jubelruf eines siegreichen Heeres ertönt hatte, war nun eine verlassene Hüttenstadt. Die Festung lag in rauchenden Trümmern: verkohltes Sparrwerk, Stücke zerrissenen Geschützes, zersprengtes Mauerwerk sah man in verworrener Unordnung auf den Erdwällen umher zerstreut.

      Ein grauenhafter Wechsel war selbst in der Witterung eingetreten. Die Sonne hatte ihre wärmenden Strahlen hinter eine undurchdringliche Dunstmasse verborgen, und Hunderte lebloser menschlicher Gestalten, welche die glühende Hitze des Augusts geschwärzt hatte, erstarrten vor einem Winde, der mit der Strenge des Novemberfrostes daherstürmte. Die wogenden Nebelwolken, welche über die Berge nach Norden zogen, wurden jetzt mit der Wuth eines Orkans in einem endlosen, schwarzen Streifen nach Süden getrieben. Der ruhige Spiegel des Horican war dahin: statt seiner peitschten grüne, ungestüme Fluten die Ufer, als ob sie alle Unreinigkeit unwillig an den entweihten Strand zurückwerfen wollten. Doch immer noch behielt das weite Becken einen Theil seiner Klarheit, spiegelte aber nur das düstere Gewölk zurück, das den Himmel über ihm verdeckte. Die liebliche, feuchte Atmosphäre, welche sonst der Landschaft Reiz verlieh und den Charakter der Wildheit und Strenge milderte, war verschwunden, und der Nordwind brauste so scharf und ungestüm über die Wasserfläche, daß weder dem Auge, noch der Einbildungskraft etwas blieb, mit dem sie sich gerne hätten beschäftigen können. Das ungestüme Element hatte das Grün der Ebene so verdorren lassen, als wenn ein verzehrender Blitzstrahl darüber hingefahren wäre. Hier und da erhoben sich dunkelgrüne Stellen, inmitten der Verödung, als wollten sie die künftige Fruchtbarkeit des mit Menschenblut getränkten Bodens verkündigen.

      Die ganze Landschaft,


Скачать книгу