Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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westlichen Wasserbastion des Forts erreichte. Das Licht des überwölkten Mondes reichte eben hin, die Umrisse der Gegenstände schwach unterscheiden zu lassen. Er gebrauchte daher die Vorsicht, sich an den Stamm eines Baumes zu stellen, wo er sich eine Weile anlehnte, und die dunkeln, stillen Erddämme der englischen Festungswerke mit gespannter Aufmerksamkeit zu betrachten schien. Sein Blick nach den Bollwerken war nicht der eines neugierigen oder müßigen Gaffers, sondern wanderte von einem Punkt zum andern und bewies militärische Kenntniß, verrieth aber auch, daß seine Untersuchung nicht ganz frei von Mißtrauen war. Endlich schien er befriedigt, er warf die Augen ungeduldig auf das östliche Gebirge, als könnte er den Anbruch des Morgens nicht erwarten, und war im Begriff, wieder zurückzukehren, als ein leises Geräusch auf der nächsten Ecke der Bastion sein Ohr erreichte und ihn zu bleiben bewog.

      Eben näherte sich eine Gestalt dem Rande der Brustwehr, wo sie stehen blieb und die entfernten Zelte des französischen Lagers zu betrachten schien. Ihr Haupt wandte sich nach Osten, als sehe sie dem nahenden Tage mit Bangigkeit entgegen, und schien dann, an den Erdwall gelehnt, die klare Fläche der Wasser zu überblicken, die wie ein zweites Firmament das Bild von tausend Sternen wiederstrahlte. Das melancholische Aussehen, die Stunde und der hohe Wuchs des Mannes, welcher sich sinnend an die englische Brustwehr gelehnt hatte, ließ den aufmerksamen Beobachter über die Person nicht im Zweifel. Zartgefühl nicht minder als Klugheit geboten ihm nun, sich zurückzuziehen, und vorsichtig hatte er sich um den Baumstamm gedreht, um nicht bemerkt zu werden, da zog ein anderer Laut seine Aufmerksamkeit auf sich und ließ ihn abermal stille stehen. Leise, kaum hörbar bewegte sich das Wasser, dann war es, als ob Kieselsteine sich aneinander rieben. In einem Nu erhob sich eine dunkle Gestalt, wie aus dem See, und schlich geräuschlos an das Land, einige Schritte von der Stelle, wo er stand. Nächstdem erhob sich zwischen seinen Augen und dem Wasserspiegel eine Büchse, aber ehe sie noch losgeschossen werden konnte, war schon seine Hand auf dem Schloß.

      »Hugh!« rief der Wilde, dessen verrätherische Absicht so seltsam und unerwartet unterbrochen worden war.

      Ohne ein Wort zu sprechen, legte der französische Offizier seine Hand auf die Schulter des Indianers und führte ihn in tiefem Stillschweigen von der Stelle weg, wo ihr folgendes Zwiegespräch hätte gefährlich werden können, und wo wenigstens einer von ihnen ein Schlachtopfer zu suchen schien. Den Mantel zurückschlagend, um seine Uniform und das Ludwigskreuz an seiner Brust zu zeigen, fragte jetzt Montcalm in strengem Tone:

      »Was soll das? Weiß mein Sohn nicht, daß die Kriegsart begraben ist zwischen dem Engländer und seinem canadischen Vater?«

      »Was sollen die Huronen beginnen?« entgegnete der Wilde, ebenfalls französisch, aber nur unvollkommen sprechend. »Kein Krieger hat einen Skalp und die Blaßgesichter werden Freunde.« »Ha! Le Renard Subtil! Mich dünkt, ein übertriebener Eifer für einen Freund, der jüngst noch ein Feind war! Wie viele Sonnen gingen unter, seitdem le Renard den Kriegspfahl der Engländer berührt hat!«

      »Wo ist jene Sonne?« fragte der trotzige Wilde. »Hinter den Bergen, und sie ist schwarz und kalt. Aber wenn sie wieder kommt, wird sie glänzen und warm seyn. Le Subtil ist die Sonne seines Stamms, Wolken und viele Berge waren zwischen ihm und seiner Nation; aber jetzt scheint er hell und es ist klarer Himmel!«

      »Daß le Renard Macht über die Männer seines Volkes hat, weiß ich wohl,« sprach Montcalm, »denn gestern jagte er noch nach ihren Skalpen, und heute hören sie ihn bei dem Versammlungsfeuer.«

      »Magua ist ein großer Häuptling.«

      »Er zeig’ es dadurch, daß er sein Volk lehrt, wie es sich gegen unsere neuen Freunde zu betragen hat.«

      »Warum führte der Häuptling von Canada seine jungen Krieger in die Wälder und feuerte sein Geschütz nach dem Haus von Erde ab?« fragte der schlaue Indianer.

      »Um es in Besitz zu nehmen. Meinem Herrn gehört das Land und Euer Vater bekam den Befehl, diese englischen Eindringlinge daraus zu vertreiben. Sie willigen ein, zu gehen, und jetzt heißt er sie nicht mehr Feinde.«

      »Das ist gut. Aber Magua nahm die Kriegsaxt, um sie mit Blut zu färben. Jetzt glänzt sie; wenn sie roth ist, soll sie wieder begraben werden.«

      »Aber Magua ist verpflichtet, Frankreichs Lilien nicht zu beflecken. Die Feinde des großen Königs über dem Salzsee sind seine Feinde; seine Freunde die Freunde der Huronen.«

      »Freunde!« wiederholte der Indianer verächtlich, »Der Vater Magua’s lasse ihn seine Hand nehmen.«

      Montcalm, welcher wußte, daß er seinen Einfluß auf die kriegerischen Stämme, die er versammelt hatte, mehr durch Nachgiebigkeit, als durch Gewalt behaupten könne, willfahrte ihm widerstrebend. Der Wilde legte den Finger des französischen Befehlshabers in eine tiefe Narbe auf seiner Brust und fragte dann frohlockend:

      »Weiß mein Vater, was dies ist?«

      »Welcher Krieger sollte das nicht wissen? Es ist von einer bleiernen Kugel.«

      »Und das?« fuhr der Indianer fort, dem Andern den nackten Rücken zukehrend, denn er trug gerade seinen Calicomantel nicht.

      »Dieß! mein Sohn ist hier schwer mißhandelt worden. Wer hat es gethan?«

      »Magua schlief hart in den englischen Wigwams, und Streiche haben ihre Spur zurückgelassen,« antwortete der Wilde mit dumpfem Gelächter, das gleichwohl seinen wilden Trotz nicht zu verbergen vermochte, der ihn beinahe überwältigte. Bald aber faßte er sich und fuhr mit seiner angebornen und schnell wieder gewonnenen Würde fort: »Geh’, sag’ Deinen jungen Kriegern, es ist Friede, Le Renard Subtil weiß, wie er mit dem Huronenkrieger sprechen muß.«

      Ohne weitere Worte für der Mühe werth zu halten oder eine Antwort zu erwarten, nahm der Wilde seine Büchse in den Arm und schritt langsam durch das Lager auf die Wälder zu, wo sein Stamm sich gelagert hatte. Jede paar Schritte wurde er von den Schildwachen unterbrochen, ging aber trotzig weiter, ohne den Ruf der Soldaten zu beachten, die sein Leben nur schonten, weil sie das Aussehen und den Tritt nicht weniger als die Tollkühnheit des Indianers kannten. Montcalm verweilte noch lange und trübsinnig an dem Ufer, wo ihn der Wilde verlassen hatte, und verfiel in tiefes Nachsinnen über die Stimmung, die sein unbändiger Verbündeter an den Tag gelegt hatte. Bereits war sein Ruf einmal durch eine Gräuelscene befleckt worden, und unter Umständen, die mit den jetzigen eine furchtbare Aehnlichkeit hatten. Je weiter er nachsann, desto lebhafter drang sich ihm das Gefühl auf, welche Verantwortlichkeit derjenige auf sich lade, welcher die Mittel, die ihm für seinen Zweck zu Gebote stehen, nicht gehörig bedenke, und eben so wenig die Gefahr, Kräfte in Thätigkeit zu setzen, deren Leitung über den Bereich menschlichen Vermögens geht. Er entschlug sich aber dieser Gedanken, die er im Augenblick des Sieges für Schwäche hielt, kehrte in sein Zelt zurück und gab im Vorbeigehen Befehl, das Heer aus seinem Schlummer zu erwecken.

      Der erste Schlag der französischen Trommeln fand ein Echo im Innern der Festung, und augenblicklich füllte sich das Thal mit den anhaltenden und durchdringenden Klängen einer Kriegsmusik, die ihre lärmende Begleitung noch übertönte. Die Hörner der Sieger bliesen heitere und fröhliche Weisen, bis der letzte Mann im Lager unter den Waffen war; sobald aber die brittischen Pfeifen im Fort ihr schrilles Signal gaben, verstummten sie wieder. Unterdessen war der Tag angebrochen, und als das französische Heer zum Empfange seines Generals in Reihe und Glied bereit stand, erblitzten die Waffen der Krieger von den Strahlen einer glänzenden Sonne. Der gewonnene Vortheil, schon so wohl bekannt, wurde nun öffentlich verkündigt, und die begünstigte Schaar, welcher die Auszeichnung zu Theil wurde, die Thore des Forts zu besehen, zog vor ihrem Chef vorüber: das Zeichen zum Aufbruch ward gegeben, und alle üblichen Vorbereitungen eines Wechsels der Herrschaft wurden unter den Kanonen der bestrittenen Festungswerke getroffen und sogleich ausgeführt.

      Einen ganz verschiedenen Anblick gewährten die Reihen des englisch-amerikanischen Heers. Sobald das Abzugssignal gegeben war, gewahrte man alle Zeichen eines übereilten, gezwungenen Abmarsches. Finstern Blickes warfen die Soldaten ihre ungeladenen Feuerrohre auf die Schulter, und als sie in ihre Reihen traten, sah man wohl, daß ihr Blut durch den so lange geleisteten Widerstand erhitzt war, und sie blos nach einer Gelegenheit verlangten,


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