Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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doch ohne durch irgend einen Schatten gemildert zu werden.

      Wenn aber die vereinzelten, versengten Grashalme sich vor den darüber hinstreichenden Windstößen nur furchtsam erheben konnten, so traten dagegen die kühnen Felsenberge in ihrer Nacktheit um so deutlicher hervor, und vergeblich suchte das Auge einen Ruhepunkt, indem es die unbegränzte Leere des Himmels, der durch trübe, dahintreibende Nebelzüge dem Blicke verschlossen war, zu durchdringen suchte.

      Der Wind blies ungleich: bald strich er dicht über dem Boden hin, als wollte er sein dumpfes Stöhnen in das kalte Ohr der Todten flüstern, bald erhob er sich in ein schrilles, klägliches Pfeifen und fuhr in die Wälder mit einem Ungestüm, welches die Luft mit abgerissenen Blättern und Zweigen erfüllte. Mitten in diesem unnatürlichen Regenschauer kämpften einige hungrige Raben mit dem Sturm, waren aber nicht sobald über das grüne Wäldermeer, das unter ihnen flutete, hinweg, als sie aufs neue zu der willkommenen, scheußlichen Mahlzeit niederschossen, die dort ihrer wartete.

      Mit einem Wort, es war eine Scene wilder Verödung; und es schien, als hätte der unerbittliche Arm des Todes Alle ergriffen, die sich in seine Nähe wagten. Doch dieser Bann war vorüber: und zum Erstenmale, nachdem die Urheber jener Gräuelthaten, die den Schauplatz hatten entweihen helfen, verschwunden waren, wagten es wieder menschliche Wesen, dem Orte zu nahen.

      An dem bereits erwähnten Tage, etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang, sah man fünf Männer aus dem Waldpfade, der nach dem Hudson führt, hervortreten und den zerstörten Festungswerken zuschreiten. Ihre ersten Schritte waren langsam und vorsichtig, als ob sie nur widerstrebend in den Bereich dieses Ortes träten, oder die Wiederholung seiner Schreckensscenen fürchteten. Die leichte Gestalt eines Jünglings schritt den andern voran mit der Vorsicht und Gewandtheit eines Eingebornen, stieg auf jeden kleinen Hügel, um zu spähen und zeigte durch Geberden seinen Begleitern den Weg, welchen er für den sichersten hielt. Auch die ihm Folgenden ließen es nicht an jener Vorsicht und Wachsamkeit fehlen, die bei einem Kriege in den Wäldern unerläßlich ist. Einer unter ihnen, ebenfalls ein Indianer, hielt sich etwas bei Seite, indem er seine Augen, gewohnt, die nahende Gefahr an dem leisesten Zeichen zu erkennen, unverwandt auf den Saum der Wälder heftete: die drei andern waren Weiße, aber in einem Anzug, der nach Stoff und Farbe für ihr gefahrvolles Unternehmen berechnet war – einem sich zurückziehenden Heere in der Wildniß auf dem Fuße zu folgen.

      Die Eindrücke der schrecklichen Scenen, die sich mit jedem Schritte auf ihrem Wege nach dem See den Augen der Wanderer darboten, waren so verschieden als ihre Charaktere. Der Jüngling warf, leichten Schrittes über die Ebene wandelnd, ernste aber verstohlene Blicke auf die verstümmelten Schlachtopfer, ängstlich, die Gefühle, die sich ihm aufdrangen, zu verbergen, und doch zu unerfahren, um ihrem mächtigen Einflusse sich ganz entziehen zu können. Sein rother Gefährte dagegen war weit über eine solche Schwäche erhaben. Festen Schrittes und mit ruhiger Miene ging er durch die Gruppen von Leichnamen hin, so daß man wohl erkannte, lange Gewohnheit habe ihn mit dergleichen Scenen vertraut gemacht. Selbst die Gefühle, welche dieser Anblick in den Gemüthern der Weißen erregte, waren verschiedener Art, doch herrschte bei ihnen Allen der Kummer vor. Der Eine, obwohl jetzt als Waidmann verkleidet, verrieth durch seine grauen Haare, die gefurchte Stirne und seine kriegerische Haltung einen Mann, der an Scenen des Krieges schon lange gewohnt war; er schämte sich aber gleichwohl nicht, laut zu seufzen, wenn ein ungewöhnlich schrecklicher Anblick ihm vor Augen trat. Der junge Mann an seiner Seite schauderte, schien aber aus zarter Schonung für seinen Begleiter solche Empfindungen zu unterdrücken. Unter ihnen allen sprach allein der Letzte, welcher gleichsam den Nachtrab bildete, seine Empfindungen ohne Scheu und Rückhalt laut aus. Mit Blicken und einem Spiel seiner Muskeln, die die tiefste Bewegung verkündigten, schaute er auf die Gräuelscenen um ihn her und mit den stärksten und bittersten Verwünschungen gab er seinen Abscheu vor den Unthaten der Feinde zu erkennen.

      Der Leser wird in den beschriebenen Personen alsbald die Mohikaner und ihren weißen Freund nebst Munro und Heyward erkannt haben. Es war wirklich der Vater, der seine Kinder suchte, begleitet von dem jungen Manne, der so innigen Antheil an ihrem Schicksale nahm, und von den wackern und zuverlässigen Waldbewohnern, welche schon in so gefahrvollen Begegnissen Beweise ihres Geschicks und ihrer Treue gegeben hatten.

      Als Uncas, welcher voranging, die Mitte der Ebene erreicht hatte, stieß er einen Schrei aus, der sogleich die Gefährten an seine Seite rief. Der junge Krieger stand vor einer Gruppe von Weibern, welche, eine verworrene Masse von Leichen, beisammen lagen. So abschreckend auch die Aufgabe war, so eilten gleichwohl Munro und Heyward auf den Haufen zu, und suchten mit einem Eifer, den keinerlei Scheu mindern konnte, nach Spuren der Vermißten unter den zerstreuten und bunten Gewändern, die umherlagen. Der Vater und der Liebende fanden in dem Ergebniß ihrer Nachforschung augenblickliche Erleichterung, obgleich sie sich wieder aufs neue zu den Qualen einer Ungewißheit verurtheilt sahen, die fast eben so peinlich als die schreckhafteste Ueberzeugung ist. In nachdenkliches Stillschweigen versunken standen sie vor den Todten, als der Kundschafter herbeikam. Die klägliche Scene mit Entrüstung betrachtend, sprach der derbe Waldbewohner zum Erstenmale, seit sie die Ebene betraten, laut und verständlich:

      »Ich habe mehr als ein grauenvolles Schlachtfeld gesehen und die Spuren des Blutes oft manche ermüdende Meile weit verfolgt, aber nie habe ich die Hand des Teufels so sichtbar im Spiele gefunden, als hier! Rache ist ein Gefühl des Indianers, und alle, die mich kennen, wissen, daß kein Tropfen ihres Blutes in meinen Adern rinnt; aber so viel will ich sagen – hier, im Angesicht des Himmels, und vor dem Allgewaltigen, der in der heulenden Wildniß seine Macht so laut verkündet – wenn diese Franzosen mir wieder in Schußweite kommen, so gibt es eine Büchse, die ihre Schuldigkeit thut, so lange der Stein noch Feuer gibt und das Pulver zündet! – den Tomahawk und das Messer überlasse ich denen, die von der Natur angewiesen sind, sie zu führen. »Was sagst du dazu, Chingachgook?« fuhr er in Delawarischer Sprache fort; »sollen die Huronen sich dessen gegen ihre Weiber rühmen, wenn der tiefe Schnee fällt?«

      Ein Rachestrahl blitzte über die finstern Züge des Mohikaner-Häuptlings, er lockerte sein Messer in der Scheide, wandte aber sein Auge von dem Anblick wieder ab und sein Gesicht wurde so ruhig, als wäre ihm jede Leidenschaft fremd.

      »Montcalm! Montcalm!« fuhr der tiefentrüstete Kundschafter fort, der sich weniger Zwang auferlegte; »man sagt, es komme eine Zeit, wo man alle seine Handlungen auf Erden mit Einem Blicke überschaue und zwar mit Augen, die von menschlicher Schwäche gereinigt sind! Wehe dann dem Elenden, der geboren ist, um Rechenschaft von dem abzulegen, was sich auf der Ebene hier begeben hat. Ha – ich bin ein Mann von weißem Blut, aber dort liegt eine Rothhaut, der man den Schopf abgezogen hat. Sieh nach ihm, Delaware, ‘s ist vielleicht einer von eurem Volk, den Ihr vermißt! und der sollte ein Begräbniß haben, wie’s ein wackerer Krieger verdient. Ich les’ es in deinen Augen, Sagamore: ein Hurone zahlt dafür, eh’ noch die Winde von den Wasserfällen den Geruch seines Blutes weggeweht!

      Chingachgook nahte sich dem Verstümmelten, und ihn umkehrend, gewahrte er die unterscheidenden Zeichen Eines aus den sechs verbündeten Stämmen oder Nationen, wie man sie nannte, die, obgleich sie in den Reihen der Engländer fochten, Todfeinde seines Volkes waren. Den unwillkommenen Gegenstand verächtlich mit dem Fuße zurückstoßend, wandte er sich mit derselben Gleichgültigkeit ab, als ob es die Ueberreste eines Thieres gewesen wären. Der Kundschafter begriff die Meinung des Andern wohl und verfolgte bedächtlich seinen Weg, während er fortfuhr, seine rachedürstenden Verwünschungen gegen den französischen Heerführer auszustoßen.

      »Nur der tiefsten Weisheit und schrankenloser Macht sollte es zustehen, so viel Menschen auf einmal wegzuraffen,« sprach er; »denn der ersten nur kommt es zu, die Zeit des Gerichts zu bestimmen und wer will sich der zweiten vergleichen, die die Geschöpfe Gottes zu ersetzen im Stande ist? Ich halte es schon für eine Sünde, einen zweiten Rehbock zu schießen, ehe der erste verzehrt ist; ich müßte denn einen Marsch in der Fronte oder einen Hinterhalt vorhaben. Etwas Anderes ist es, wenn man mit wenigen Kriegern in offenem, herbem Kampfe ist; da gilt es den Tod mit der Büchse oder dem Tomahawk in der Hand, je nachdem Eines Haut gerade roth oder weiß ist. Uncas, komm her, Junge, und laß die Raben auf dem Mingo sich niedersetzen; ich weiß, sie haben eine Vorliebe für das Fleisch eines Oneida, und der Vogel mag seinem natürlichen Appetit folgen.«

      »Hugh!«


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