Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
Eure Bezahlung daraus nehmen.«
»Dies gölte in den Augen des Gesetzes nicht als eine Belohnung«, fiel der Advokat ein – »nicht als ein so betiteltes quid pro quo. Die Tasche kann nicht als handelnd, sondern muß als ein Teil von des Mannes eigener Person betrachtet werden, – das heißt, in diesem besonderen Falle. Ich bin der Ansicht, daß man auf dieses Versprechen ein Prozeßverfahren einleiten kann, und bin erbötig, es kostenfrei durchzuführen, wenn der Kläger verlieren sollte.«
Der Arzt gab auf diesen Vorschlag keine Erwiderung, obgleich man bemerkte, daß er seine Augen umhergleiten ließ, als wolle er die Zeugen aufzählen, um zu gegebener Zeit die Einhaltung dieses Versprechens fordern zu können, falls es nötig werden sollte. Ein so wichtiger Gegenstand wie die Erhebung einer Klage gegen den Richter Temple war indes nicht ganz nach dem Geschmack der Gesellschaft, zumal der Punkt an einem so öffentlichen Platz verhandelt wurde; es folgte nun ein allgemeines Schweigen, welches erst durch das Aufgehen der Tür und das Eintreten Nattys unterbrochen wurde.
Der alte Jäger hatte seine ihm nie von der Seite kommende Gefährtin, die Büchse, in der Hand; und obgleich die ganze Gesellschaft, den Rechtsgelehrten ausgenommen, der seinen Hut ein bißchen verwegen aufs Ohr gedrückt hatte, mit unbedeckten Häuptern dasaß, ging Natty doch auf eines der Feuer zu, ohne auch nur im mindesten irgendeinen Teil seines Anzugs oder seines Äußern zu verändern. Man richtete verschiedene das Weidwerk betreffende Fragen an ihn, die er bereitwillig und mit einigem Interesse beantwortete, und der Wirt – Nattys alter Freund, weil beide in ihrer Jugend Soldaten gewesen – bot ihm ein Glas Branntwein, das, aus der Art, wie es angenommen wurde, zu schließen, keine unwillkommene Gabe war. Als sich der Waldbewohner gelabt hatte, setzte er sich ruhig auf das Ende eines der Holzblöcke, die in der Nähe des Feuers lagen, und bald schien die durch seinen Eintritt veranlaßte kleine Störung vergessen zu sein.
»Das Zeugnis der Schwarzen hat freilich keinen Wert, Sir«, fuhr der Rechtsgelehrte fort, »da sie samt und sonders das Eigentum des Herrn Jones sind. Aber es gibt noch einen anderen Weg, auf welchem man dem Richter Temple oder irgendeinem anderen Mann das Schießen auf seinen Nebenmenschen verleiden und ihn zur Zahlung der Kurkosten veranlassen kann. Ich sage, es gibt noch einen andern Weg, ohne daß man gerade vor den ›Gerichtshof der Irrungen‹ geht.«
»Die größte Irrung würde es aber sein, Mister Todd«, rief die Wirtin, »wenn Ihr den Richter gerichtlich belangen wolltet, der da einen Beutel hat so lang wie eine von den Fichten auf den Bergen, und mit dem sich’s gut genug umgehen läßt, wenn man sich ein bißchen in seine Launen fügt. Richter Temple ist ein wackrer Mann, der es gut mit den Leuten meint und nicht durch Drohungen geschreckt zu werden braucht, um rechtlich zu handeln. Ich wüßte nichts an dem Manne auszusetzen, als daß er zu gleichgültig in betreff seines Seelenheils ist Er ist weder Methodist noch Papist noch Presbyterianer, – nein, nichts von alledem, und ich kann nicht wohl glauben, daß er, der in dieser Welt den guten Kampf unter dem Banner einer regelmäßigen Kirche nicht fechten will, einst in der Musterrolle der Erwählten gefunden werden wird, wie mein Mann, der Kapitän da, sagt – obgleich es meines Wissens nur einen Kapitän gab, der diesen Namen verdiente. Ich hoffe, Lederstrumpf, Ihr seid nicht so töricht, dem Jungen einzureden, daß er vor dem Gericht Hilfe suche; denn es wird euch beiden einen schlimmen Tag bereiten, wenn ihr die Haut eines friedlichen Schafes abstreift und eine hadernde Bestie zum Vorschein kommen laßt. Der Junge soll umsonst seinen Trunk bei mir holen dürfen, bis seine Schulter die Büchse wieder tragen kann.«
»Bravo, das ist generös!« hörte man von verschiedenen Lippen; denn die Gesellschaft bestand aus lauter Leuten, bei welchen ein so liberales Anerbieten nicht weggeworfen war. Natty aber, statt etwas von der Entrüstung auszudrücken, die man bei ihm vermutete, öffnete, als er auf die Verletzung seines jungen Gefährten anspielen hörte, seinen Mund nur zu dem bekannten stummen Lachen und erwiderte nach einer Weile:
»Ich wußte wohl, daß der Richter nichts ausrichten würde, als er mit seiner Schlüsselbüchse aus dem Sleigh stieg. Ich habe erst eine einzige Vogelflinte gesehen, mit der sich etwas machen ließ, und zwar auf den Großen Seen: es war ein französisches Gewehr, mit Lauf halb so lang wie meine Büchse, und schoß auf hundert Ellen eine Gans sicher herunter; es zerfetzte aber sein Opfer auf eine schreckliche Weise, so daß man es fast zusammenkehren mußte. Als ich mit Sir William am Fort Niagara gegen die Franzosen marschierte, bedienten sich alle Jäger der Büchse, – einer fürchterlichen Waffe in den Händen von Männern, die sie zu laden und sicher damit zu zielen verstehen. Der Hauptmann muß das wissen; denn er sagt, er habe in Shirleys Regiment gedient; und obgleich dieses meist nur mit Bajonetten focht, so hat er doch gewiß davon gehört, wie wir den Franzosen und Irokesen in den Scharmützeln jenes Krieges zu Leibe gingen. Chingachgook, was soviel wie ›Große Schlange‹ besagen will, oder der alte John Mohegan, der sein Nachtlager neben dem meinigen aufgeschlagen hat, war damals ein großer Krieger und focht mit uns; er kann auch ein Geschichtchen davon erzählen, obgleich er lieber mit dem Tomahawk zuschlug und nie mehr als ein-oder zweimal feuerte, ohne hinzulaufen und sich den Skalp zu holen. Ach! die Zeiten haben sich seither schrecklich verändert. Ja, Doktor, damals gab es nichts als einen Fußweg oder höchstens einen Pfad für Packpferde am ganzen Mohawk hin, von den Jarman-Ebenen an bis zu den Forts hinauf. Nun sprechen sie gar von einer jener breiten Straßen mit Geländern am ganzen Fluß hin. Ha, ha, zuerst einen Weg machen und dann ihn einzäunen! Ich jagte vor einiger Zeit auf den Höhen von Kaatskills in der Nähe der Ansiedlungen, und die Hunde verloren oft, wenn sie an die Landstraße kamen, die Witterung, weil so viel darauf gereist wird, obgleich ich nichts anderes sagen kann, als daß die Bestien von ganz vortrefflicher Zucht sind. Der alte Hektor schlug im Herbst an auf einen Hirsch über die breiteste Stelle des Otsego, und das ist doch anderthalb Meilen, wie ich selbst auf dem Eis mit Schritten abgemessen habe, als unter Zustimmung der Indianer der Strich zum erstenmal aufgenommen wurde.«
»Es scheint mir ein schlimmes Kompliment zu sein, Natty, daß Ihr Euerm Kameraden nach dem Argen seinen Namen gebt«, sagte die Wirtin, »und doch kommt mir der alte John nichts weniger als wie eine Schlange vor. Nimrod würde wohl besser für den alten Knaben passen und wäre doch zum mindesten ein christlicher Name, da er in der Bibel vorkommt. Der Sergeant las mir jenes Kapitel den Abend vor meiner Aufnahme in die Gemeinde vor, und es gereichte mir zu einer mächtigen Beruhigung, etwas aus dem Buch zu hören.«
»Der alte John und Chingachgook sind zwei ganz verschiedene Leute«, entgegnete der Jäger, indem er in trüben Erinnerungen den Kopf schüttelte. – »In dem Kriege von achtundfünfzig stand er in der Blüte seiner Manneskraft und war wohl auch um drei Zoll höher. Wenn Ihr ihn, wie ich es tat, an jenem Morgen gesehen hättet, als wir von unseren Mauern aus den Dieskau schlugen, so würdet Ihr ihn wohl für die hübscheste Rothaut, die Euch je vorgekommen ist, erklärt haben. Er war nackt bis auf die Hüft-und Beinkleidung, und Ihr habt sicher nie einen Menschen so schön bemalt gesehen: die eine Seite seines Gesichts rot, die andere schwarz. Sein Kopf war glatt geschoren mit Ausnahme eines Haarbüschels auf dem Scheitel, in dem er einen Busch von Adlerfedern trug, so schön, als kämen sie aus einem Pfauenschweif. Seine Brust war gefärbt, so daß sie wie ein Skelett mit seinen Rippen aussah; denn Chingachgook hatte viel Geschmack in solchen Dingen, und wenn er so mit seinem kühnen feurigen Gesicht, seinem Messer und seinem Tomahawk dastand, so konnte man sich kaum einen trotzigeren Krieger vorstellen. Er spielte auch seine Rolle wie ein Mann; denn ich sah ihn des andern Tages mit dreizehn Skalpen an seinem Gürtel. Auch muß ich der Großen Schlange nachsagen, daß sie ehrlich zu Werke ging und nie einem den Skalp nahm, den sie nicht eigenhändig getötet hatte.«
»Nun, nun«, rief die Wirtin; »Fechten ist Fechten, so oder so, und auch hierin gibt’s verschiedene Moden; obgleich ich nicht sagen kann, daß ich Geschmack daran finde, wenn man einen Körper, nachdem der Atem entwichen ist, verstümmelt. Auch glaube ich nicht, daß ein Christ so etwas tun darf. Ich hoffe, Sergeant, daß du nie bei so argen Werken Beihilfe geleistet hast?«
»Meine Obliegenheit war, in Reih und Glied zu bleiben und mit dem Bajonett und der Muskete zu kämpfen oder zu fallen«, erwiderte der Veteran. »Ich war damals in dem Fort, und da ich selten meinen Platz verließ, so sah ich nur wenig von den Wilden, die vorn auf den Flanken plänkelten. Ich kann mich jedoch erinnern, von der Großen Schlange, wie man ihn nannte, gehört zu haben; denn er war ein berühmter