Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
im Feuer liegt Du siehst ja, daß es schwarz ist – So! jetzt ist’s recht. Seht einmal her, ob es nicht so rot ist wie eine Kirsche.« Das Getränk wurde erhitzt, und Richard nahm es mit einer Miene hin, wie sie wohl Leute zu zeigen pflegen, die etwas recht Kluges ausgeführt zu haben meinen, zumal wenn sie den Branntwein lieben.
»Ah, Betty, Ihr habt eine Hand, wie gemacht zum Flipmischen«, rief Richard, nachdem er ein bißchen verschnauft hatte. »Sogar das Eisen gibt ihm einen Wohlgeschmack. Da, John, trink, Mensch, trink! Ich und du und der Doktor Todd haben diesen Abend an der Schulter des jungen Menschen ein Meisterstück geliefert. Duke, ich habe in deiner Abwesenheit ein Lied gemacht, –‘s gibt nicht alle Tage zu tun, und da hat man schon Zeit für so etwas. Ich will dir einen Vers oder zwei vorsingen, obgleich ich mich noch nicht ganz für die Melodie entschieden habe. –
Das Leben ist nur eine Kette von Mühen,
Wo jeder hinpilgert auf dorniger Bahn.
Drum laßt in die Arme der Freude uns fliehen;
Bedenkt, daß im Dornbusche Rosen auch blühen,
Nicht überall naget des Kummers Zahn!
Drum fort mit den Grillen
Und fort mit den Stillen –
Daß Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken
Zu frühe in unsere dunkelen Locken.
Nun, Duke, was hältst du davon? Ich habe noch einen Vers in petto, aber es fehlt mir noch die letzte Zeile, bei der es mit dem Reim nicht recht gehen will. – Was sagst du zu dieser Musik, alter John? Ist sie nicht so gut wie eins von deinen Kriegsliedern, he?«
»Gut«, entgegnete Mohegan, der dem Getränk der Wirtin redlich zugesprochen und gelegentlich auch den Rundkrügen des Majors und des Richters die gebührende Achtung erwiesen hatte.
»Bravo! bravo! Richard!« rief der Major, dessen schwarze Augen bereits zu schwimmen begannen. »Bravissimo! Ein prächtiges Lied, – aber Natty Bumppo weiß noch ein schöneres. Lederstrumpf, willst du nicht singen? Sag an, alter Knabe, willst du nicht ein Waldlied singen?«
»Nein, nein, Major«, erwiderte der Jäger mit einem schwermütigen Kopfschütteln. »Ich habe leben müssen, um zu sehen, was meine Augen in diesen Bergen nimmer zu schauen hofften, und da ist mir die Lust zum Singen vergangen. Wenn er, der das Recht hat, hier zu gebieten, sich genötigt sieht, seinen Durst mit Schneewasser zu stillen, so ziemt es denen, die von seinem Eigentum leben, schlecht, sich lustig zu machen, als ob es auf der Welt nichts gäbe als Sonnenschein und Sommer.«
Als Lederstrumpf ausgesprochen hatte, ließ er seinen Kopf wieder auf die Knie sinken und verbarg seine harten, runzligen Züge mit den Händen. Der schnelle Wechsel von der grimmigen Kälte draußen zu der Hitze der Trinkstube, in Verbindung mit der Tiefe und Häufigkeit von Richards Zügen, hatten bereits, was Heiterkeit anbelangt, das Gleichgewicht zwischen diesem Ehrenmann und den übrigen Gästen hergestellt, und jetzt hielt er ein paar mit dampfendem Flip gefüllte Becher dem Jäger entgegen.
»Ja, lustig muß es hergehen, alter Knabe!« rief er. »Es ist ein lustiges Christfest! Was Sonnenschein und Sommer! Seid Ihr blind, Lederstrumpf, daß Ihr den Mondschein und den Winter nicht mehr sehen könnt? Steckt Euch eine Brille ins Gesicht und sperrt Eure Augen auf –
Fort, fort mit den Grillen
Und fort mit den Stillen –
Daß Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken
Zu frühe in unsere dunkelen Locken.
Hört jetzt den alten John meckern. Die Indianer haben im Grunde doch eine verzweifelt trübselige Musik, Major. Ich möchte wohl wissen, ob sie nie nach Noten singen.«
Während Richard abwechselnd sang und plauderte, ließ Mohegan einige schwerfällige und eintönige Laute vernehmen, die er mit einer sanften Bewegung des Kopfes und des ganzen Körpers begleitete. Es waren nur wenige Worte, und zwar indianische, so daß sie nur von ihm selbst und von Natty verstanden wurden. Ohne auf Richard zu achten, fuhr er fort, seine wilde melancholische Weise zu singen, wobei er sich bald in die höchsten Töne verstieg, bald wieder in die tiefen bebenden Laote überging, welche den Charakter der indianischen Musik bezeichnen.
Die Aufmerksamkeit der Gesellschaft war nun sehr geteilt, da die Männer, welche früher mehr im Hintergrund gesessen, sich in kleinen Gruppen sammelten und verschiedene Gegenstände besprachen, unter denen die Behandlung schäbiger Schweine und Pfarrer Grants Predigtweise ein Hauptthema abgaben, während Doktor Todd sich mühte, Marmaduke die Beschaffenheit der Verletzung des jungen Jägers auseinanderzusetzen. Mohegan fuhr fort zu singen, wobei er vor sich hinstierte und seine Züge unter dem buschigen Haar einen ungemein wilden Ausdruck annahmen. Sein Gesang wurde allmählich lauter und steigerte sich zuletzt so sehr, daß das Gespräch aufhören mußte. Der Jäger erhob nun abermals seinen Kopf und sprach mit Wärme zu dem alten Krieger in der Sprache der Delawaren, was wir hier, dem Leser zuliebe, in einer Übertragung geben wollen.
»Wie magst du von deinen Schlachten und von den Kriegern, die du erschlagen, singen, Chingachgook, wenn der schlimmste Feind in deiner Nähe ist, der dem ›jungen Adler‹ seine Rechte vorenthält? Ich habe so viele Schlachten mitgekämpft wie irgendein Krieger deines Stammes, aber zu einer solchen Zeit kann ich mich nicht meiner Taten rühmen.«
»Hawk-eye«, versetzte der Indianer, mit wankenden Tritten seinen Platz verlassend, »ich bin die Große Schlange der Delawaren; ich kann die Mingos aufspüren, wie die Otter die Eier des Windfängers, und sie mit einem Schlage tot zu Boden strecken wie die Klapperschlange. Der weiße Mann machte Chingachgooks Tomahawk so glänzend wie die Wasser des Otsego in der Abendsonne, aber er ist rot vom Blute der Maquas.«
»Und warum hast du die Mingokrieger erschlagen? Tatest du es nicht, um diese Jagdgründe und Seen den Kindern deiner Väter zu erhalten? Wurden sie nicht in der Versammlung dem Feueresser übergeben? Und rinnt nicht das Blut eines Kriegers in den Adern eines jungen Häuptlings, der laut sprechen sollte, während seine Stimme zu schwach ist, um gehört zu werden?«
Diese Anrede des Jägers schien einigermaßen die verwirrten Sinne des Indianers zu sammeln, da er nunmehr das Gesicht den Umstehenden zuwandte und seine Blicke aufmerksam auf den Richter heftete. Er schüttelte sein Haupt, strich sich das Haar aus der Stirn und ließ ein Paar Augen gewahr werden, die von dem Feuer wilder Rachelust erglühten. Der Indianer war ganz umgewandelt: seine Hand schien einen vergeblichen Versuch zu machen, den Tomahawk hervorzuholen, der mit dem Handgriff in seinem Gürtel stak, während seine Blicke allmählich wieder einen leeren Ausdruck annahmen, Richard stellte in diesem Augenblick einen Becher vor ihn hin, dessen Züge sich eben in das Grinsen des Blödsinns verzerrten. Er ergriff das Gefäß mit beiden Händen, trank es, auf der Bank zurückgelehnt, bis auf die Neige aus und versuchte sodann, mit der Unbeholfenheit totaler Betrunkenheit, es beiseitezustellen.
»Kein Blutvergießen!« rief der Jäger, als er den vorübergehenden Ausdruck der Wildheit in den Zügen des Indianers gewahrte. »Doch er ist betrunken und kann keinen Schaden tun. So geht es mit allen Wilden! Gebt ihnen Branntwein, und sie machen sich selbst zu Hunden. Doch sei’s drum – die Zeit wird nichtsdestoweniger kommen, wo Gerechtigkeit geübt wird. Wir müssen nur Geduld haben.«
Da Natty dies in der Sprache der Delawaren laut werden ließ, so wurde er natürlich von niemand verstanden. Er hatte kaum ausgesprochen, als Richard rief: »Nun, der alte John ist zeitig fertig geworden. Gebt ihm Quartier in der Scheune, Kapitän, und laßt mich für die Bezahlung sorgen. Ich bin heute abend reich, zehnmal reicher als Duke mit allen seinen Ländereien, Kapitalbriefen, Wechseln und Renten.
Fort, fort mit den Grillen
Und fort mit den Stillen –
Daß Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken
Zu frühe in unsere dunkelen Locken.
Trink, trink, König Hiram – trink, Meister Tunichts – trink, sag’ ich. Heute ist der Christabend, der bekanntermaßen nur einmal im Jahr kommt«
»He! he! he! der Squire ist heute ganz musikalisch«,