Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


Скачать книгу
rief er, »kommt, Jungfer Remarkable; legt Euch in diesem Stuhl vor Anker; ‘s geht ein scharfer Wind draußen, kann ich Euch sagen, gute Frau. Aber was kümmert’s mich? Mag er hoch oder nieder blasen, seht Ihr, das ist Ben alles eins. Die Neger sind hübsch in den unterm Raum gestaut und haben ein Feuer vor sich, daß man einen Ochsen dabei braten könnte. Das Thermometer steht gegenwärtig auf fünfundfünfzig; aber das Ahornholz hat vortreffliche Eigenschaften, und ehe ich ein Glas geleert habe, wird es noch um zehn Grad gestiegen sein, so daß es der Squire, wenn er aus Betty Hollisters warmer Stube heimkommt, so heiß finden soll, wie eine Hand, die das Takelwerk mit schlechtem Teer eingeschmiert hat. Kommt, Jungfer Remarkable, legt in diesem Stuhl bei und sagt mir, wie Euch die neue Erbin gefällt.«

      »Nun ja, nach meiner Ansicht, Herr Penguillum –«

      »Pump, Pump«, unterbrach sie Benjamin, »‘s ist heute Christnacht, Jungfer Remarkable, und da, seht Ihr, ist es viel besser, wenn Ihr mich Pump nennt. Einmal ist der Name viel kürzer, und dann habe ich im Sinn, an dieser Flasche hier zu pumpen, solange sie gluckert. Ihr könnt mich daher mit Fug und Recht Pump nennen.«

      »Immer der Alte!« rief Remarkable mit einem Lachen; das jedes Gelenk an ihrem Körper ausrenken zu wollen schien. »Ihr seid ein spaßhafter Bursche, Benjamin, wenn Ihr’s darauf anlegt. Aber was ich sagen wollte, ich denke, daß es nun bald andere Zeiten in diesem Hause geben wird.«

      »Andere Zeiten?« rief der Majordomo, seine Flasche beäugelnd, die mit erstaunlicher Schnelle die Durchsichtigkeit des geschliffenen Glases anzunehmen drohte. »Das macht mir nicht viel aus, Jungfer Remarkable, solange ich die Schlüssel zu den Kellern in der Tasche trage.«

      »Ich will nicht gerade sagen«, fuhr die Haushälterin fort, »daß man in diesem Hause nicht immer genug zu essen und zu trinken bekommen hätte, – ein bißchen mehr Zucker in das Glas, Benjamin, – denn Squire Jones ist ein trefflicher Lieferant. Aber neue Herren bringen neues Regiment, und es sollte mich nicht wundernehmen, wenn Ihr und ich einer etwas ungewissen Zukunft entgegensähen.«

      »Das Leben ist etwas so Ungewisses wie das Blasen des Windes«, sagte Benjamin mit einer moralisierenden Gebärde, »und nichts ist veränderlicher als der Wind, Jungfer Remarkable, wenn man nicht zufällig in den Strich der Passatwinde gerät; dann geht’s aber wohl einen Monat in einem fort, mit Leesegeln auf beiden Seiten, oben und unten, und ein Kajütenjunge kann steuern.«

      »Jedermann weiß, daß das Leben etwas Ungewisses ist«, versetzte Remarkable, indem sie ihr Gesicht der guten Laune ihres Gefährten anpaßte, »aber ich sehe voraus, daß große Veränderungen im Hause stattfinden werden, und habt nur acht, man wird Euch bald einen jungen Menschen zum Vorgesetzten geben, wie man es eben erst mit mir gemacht hat. Freilich ist dies etwas Hartes, Benjamin, wenn man so lange wie Ihr treue Dienste geleistet hat.«

      »Die Beförderung sollte nach der Dauer der Dienstzeit stattfinden », meinte der Majordomo, »und wenn man mir einen vor der Nase einschiebt, so lege ich mein Amt in kürzerer Zeit nieder, als man ein Lotsenboot in eine Reede bringen kann. Doch Squire Dickens« – so pflegte Benjamin Richard gewöhnlich zu nennen – »ist ein prächtiger Herr und so gut, wie man sich nur einen wünschen kann. Seht Ihr, dem will ich’s dann rundheraus in meiner englischen Muttersprache sagen, daß ich auf meinen Dienst verzichte, wenn man mir irgendeinen Hans Taps vorsetzen will. Ich habe von unten angefangen, Jungfer Prettybones, und mich wie ein Mann hinaufgearbeitet. Ich war sechs Monate an Bord eines Garnsey-Luggers, bediente die Leeschoten und half beim Aufhissen des Takelwerks. Dann machte ich einige Kreuz-und Querzüge, wobei ich das gleiche Geschäft verrichtete; im Grunde aber segelt man dabei nur im Dunkeln herum und lernt weiter nichts, als wie man nach den Sternen steuern muß. Nun seht Ihr, dann lernte ich, wie die Stengen gesetzt werden müssen, und wie man ein Bramsegel befestigt; und dann verrichtete ich die kleinen Geschäfte in der Kajüte, wie z. B. das Grogmischen für die Matrosen – bei dieser Gelegenheit kam ich zu meiner feinen Zunge, die, wie Ihr oft gesehen haben mögt, ihresgleichen sucht. Niemand versteht das besser zu beurteilen als Ihr.«

      Remarkable erwiderte dieses Kompliment mit einem Kopfnicken und schlürfte aus dem vor ihr stehenden Glase; denn hin und wieder behagte ihr ein Schlückchen von einem solchen Getränk, wenn es stark mit Zucker versetzt war, gar nicht übel. Nach diesem kleinen Höflichkeitsaustausch zwischen dem würdigen Paar nahm die Unterhaltung ihren Fortgang.

      »Ihr müßt in Eurem Leben viele Erfahrungen gesammelt haben, Benjamin; denn die Schrift sagt: ›Diejenigen, die in Schiffen das Meer besuchen, sehen die Werke des Herrn.‹«

      »Nun, was das anbelangt, so haben die in einer Brigg oder in einem Schoner den gleichen Vorteil, und ich könnte sagen, sie sähen auch die Werke des Teufels. Die See, Jungfer Remarkable, bietet den Menschen viele Belehrung; denn man lernt dabei die Gebräuche der Völker und die Gestalt des Landes kennen. Was meine Person anbelangt, so bin ich freilich im Vergleich mit vielen, welche die Meere befahren, nur ein ungelehrter Mann; aber ich glaube, daß es von der Küste des Kaps Ler Hogue bis hinunter zum Kap Finisterre kein Vorgebirge und keine Insel gibt, von der ich nicht den Namen oder sonst eines und das andere wüßte. – Nehmt doch auch genug, Jungfer Markable, daß das Wasser eine Farbe kriegt; hier ist Zucker. Ihr seid ein Leckermaul und habt’s gern süß, Jungfer Prettybones. – Aber was ich sagen wollte: nehmen wir die ganze Küste an, so kenne ich sie so gut wie den Weg nach dem ›Kühnen Dragoner‹, besonders aber die verteufelte Bai von Biskaya. Puh! ich wollte, Ihr könntet den Wind dort pfeifen hören. Man braucht da oft zwei Leute zum Halten, daß er einem nicht das Haar vom Kopf bläst. Durch diese Bai lenzen ist so ziemlich das nämliche, wie wenn man hierzulande auf der einen Seite einen Berg hinan und auf der anderen hinunter klettert.«

      »Was Ihr da sagt«, rief Remarkable. »Und steigt denn dort das Meer berghoch an, Benjamin?«

      »Nun, ich will Euch das erzählen; aber erst laßt uns ein Schlückchen Grog versuchen. – Hm! ich muß gestehen, es ist ein ganz wackerer Stoff, den man hierzulande führt; aber man hat ja auch Westindien gerade neben Bord und braucht also nicht weit danach zu schicken. Beim Lord Harry, Jungfer Remarkable, wenn Gamsey nur irgendwo zwischen dem Kap Hatteras und dem Bite von Logann läge, wie wohlfeil müßte nicht da der Rum sein? Was die See in der Bai von Biskaya anbelangt, so wirft sie gerade nicht sonderlich hohe Wellen, wenn nicht allenfalls ein Südwester losbricht, wo sie dann freilich hübsch genug umhertummeln, obgleich man eigentliche Dünungen nicht in den kleinen Meeren suchen darf. Da muß man bei einer westlichen Bö an den westlichen Inseln hinauffahren, das Land auf der Backbordseite, den Schnabel nach Süden gekehrt, und unter dicht gerefftem Marssegel beigedreht; meinetwegen kann auch das Focksegel mit dem Fockmarsstagsegel und dem Besamsegel gerefft sein, um womöglich seewärts halten zu können. Ja, da braucht man nur zwei Wachen liegenzubleiben, wenn man berghohe Wellen sehen will. Ich war einmal auf der Boadishey-Fregatte dort, gute Jungfer, als man von dem Himmel nichts weiter als einen Fetzen, vielleicht von dem Umfang des Großsegels, sehen konnte. Wir lagen damals in Hohlwellen, die groß genug waren, um die ganze britische Flotte bergen zu können.«

      »Ach! um Gottes willen! und Ihr habt Euch nicht gefürchtet, Benjamin? Wie habt Ihr Euch denn durchgeholfen?«

      »Gefürchtet? Wer zum Teufel, glaubt Ihr, wird sich denn fürchten, wenn ihm ein bißchen Salzwasser über dem Kopf zusammenschlägt? Und was das Durchhelfen anbelangt – nun, als wir genug davon hatten und unsere Decks hübsch abgewaschen waren, so riefen wir alle Mann an Bord; denn seht Ihr, die Wache unten lag in ihren Hängematten, gerade als ob sie im besten Schlafzimmer gewesen wäre; und so blieben wir eine geraume Weile wach, drückten das Steuer luvwärts, ließen das Focksegel fallen und fingen an zu lavieren. Wie wir dann wieder so im Gange waren, so frage ich Euch, Jungfer Prettybones, meint Ihr wohl, daß es da rascher ging oder nicht? Ich lüge nicht, wenn ich sage, daß ich das Schiff von einer Wellenspitze zur andern hüpfen sah, geradeso wie die mit einer Flatterhaut versehenen Eichhörnchen von einem Baume zum andern fliegen.«

      »Was? ganz aus dem Wasser heraus?« rief Remarkable, indem sie ihre zwei dürren Arme erhob und erstaunt die Finger auseinanderspreizte.

      »Es war nicht so leicht, aus dem Wasser herauszukommen, Jungfer Remarkable, denn die Sprühe flog so hoch, daß man nicht


Скачать книгу