Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
sechs Matrosen vom Vorderkastell im Geschützraum bei den Aufholern blieben. Aber das Schiff hielt sich brav! Oh, es war ein herrliches Fahrzeug, Jungfer Remarkable! Ich hätte lieber in dieser einen Fregatte wohnen mögen als in dem besten Haus von England. Wenn ich der König von England gewesen wäre, so hätte ich sie über die Londoner Brücke aufholen lassen und sie zu einem Palast eingerichtet. Und warum nicht? Wenn ein Mensch sich ein behagliches Leben verschaffen kann, so muß es Seine Majestät können.«
»Wohl, Benjamin«, rief die Zuhörerin, die bei dem Bericht über die Gefahren des Majordomo ganz außer sich geriet, »aber was habt Ihr dabei getan?«
»Was ich dabei getan habe? Ei, wir taten alle unsere Schuldigkeit wie herzhafte Burschen. Freilich wenn die Landsleute des Monschür Le Quaw an Bord gewesen wären, so würde das Fahrzeug gewiß an dem Ufer einer der kleinen Inseln zerschmettert worden sein; aber wir liefen am Lande hin, bis wir tot leewärts von den Bergen des Piko lagen, und ich will verdammt sein, wenn ich bis auf den heutigen Tag herausgebracht habe, wie wir hinkamen und ob wir über die Insel weggeschifft oder um sie herumgefahren sind. Aber wir waren einmal da und lagen da unter leichtem Segel, lavierten hin und her, so daß die Fregatte hin und wieder ihre Nase hinausstrecken konnte, und sahen dem Wind entgegen, bis die steife Kühle aus dem letzten Loch pfiff.«
»Was das für Wundergeschichten sind!« rief Remarkable, die nunmehr eine wirre Vorstellung von dem Wüten eines Sturms gewonnen hatte, obgleich ihr die Ausdrücke, welche Benjamin brauchte, unverständlich waren. »Es muß doch etwas Schreckliches sein, auf dem Meere draußen, und ich finde es sehr natürlich, daß Ihr Euch nicht mit dem Gedanken befreunden könnt, von einem so behaglichen Herd wie diesem weggedrängt zu werden. Zwar läge nicht besonders viel daran; denn es gibt noch mehr Häuser, die einem ein anständiges Auskommen bieten. Als der Richter mir seine Wirtschaft übergab, fiel es mir gar nicht ein, daß hier lange meines Bleibens wäre; denn ich kam ganz zufällig ungefähr eine Woche nach Frau Temples Tod her, um zu sehen, wie sich die Familie befinde, und gedachte, abends wieder heimzukehren, aber das Hauswesen war in einem so verwirrten Zustand, daß ich es nicht übers Herz bringen konnte zu gehen, ohne meine Dienste anzubieten. Der Platz stand mir an, da ich als eine unverheiratete Person über mich verfügen konnte, und weil man meiner Hilfe bedurfte, blieb ich.«
»Und seid eine schöne Zeit an demselben Platz vor Anker gelegen, Jungfer Remarkable. Ich denke, die Reede hat Euch nicht übel behagt.«
»Wie mögt Ihr auch so reden, Benjamin! Es ist kein wahres Wort an allem, was Ihr sagt. Ich muß zwar gestehen, daß der Richter und Squire Jones ganz ordentlich mit mir umgegangen sind; aber ich sehe voraus, daß sich der Spieß bald umdrehen wird. Ich hörte zwar wohl, daß der Richter weit fortgereist sei und seine Tochter heimzuholen beabsichtige, aber auf ein solches Treiben habe ich nicht gerechnet. Ich fürchte, Benjamin, daß sie sich gegen uns als eine recht herrische und häßliche Frauensperson erweisen wird.«
»Häßlich?« rief der Majordomo, indem er seine Augen, die sich in sehr verdächtiger Schläfrigkeit bereits zu schließen begannen, verwundert aufriß. »Beim Lord Harry, Weibsbild, Ihr könntet ebensogut die Boadishey eine garstige Fregatte nennen! Was zum Teufel wollt Ihr denn? Sind nicht ihre Augen so leuchtend wie der Morgen-und der Abendstern, und sind nicht ihre Haare so glänzend wie ein Takelwerk, das soeben mit Teer beschmiert worden? Bewegt sie sich nicht so stattlich wie ein Schiff ersten Ranges in glattem Wasser, das vor seinem Kabel tanzt? Ei Weib, das Galionsbild der Boadishey war eine Trulle gegen sie, und doch hörte ich den Kapitän oft sagen, es stelle eine große Königin vor. Und sind Königinnen nicht immer schön? Meint Ihr, ein König wäre einfältig genug, sich nicht eine schöne Bettgenossin zu wählen?«
»Redet sittsamer, Benjamin«, sagte die Haushälterin, »oder ich bleibe nicht in Eurer Gesellschaft. Ich habe nichts gegen ihr hübsches Äußere einzuwenden, aber das behaupte ich, daß sie sich wahrscheinlich nicht zum besten benehmen wird. Es kommt mir vor, als halte sie sich für zu gut, um jemand ein Wort zu gönnen. Nach dem, was mir Squire Jones erzählt hat, glaubte ich, von ihrer Gesellschaft ganz bezaubert werden zu müssen; aber nun muß ich sagen, daß sich Lowise Grant viel anständiger zu benehmen weiß als Betsy Temple. Sie würdigte mich gar keiner Antwort, als ich sie fragte, wie es ihr in der Heimat wäre, da ihr die Mama fehlte.«
»Vielleicht hat sie Euch nicht verstanden, Jungfer Prettybones. Ihr sprecht nicht zum besten, und Miss Lizzy hat sich unter den großen Londoner Damen nur an das ursprüngliche Königliche Englisch gewöhnt; sie spricht es daher so gut wie ich selbst oder wie irgendein anderer geborener britischer Untertan. Ihr habt das bißchen, was Ihr könnt, und was Ihr in der Schule gelernt, wieder ausgeschwitzt, während die junge Herrin alles noch gut im Gedächtnis hat und gewiß auch fleißiger gewesen ist als Ihr.«
»Herrin?« rief Remarkable. »Wollt Ihr etwa gar eine Negerin aus mir machen, Benjamin? Sie ist nicht meine Herrin und wird es nie sein. Und was meine Aussprache anbelangt, so nehme ich’s da mit jedem in Neu-England auf. Ich bin in der Grafschaft Essex geboren und erzogen und habe immer sagen hören, daß der Baistaat wegen seiner Pronunschation berühmt ist.«
»Ich habe von dieser Staatsbai gehört«, versetzte Benjamin, »kann aber nicht sagen, daß ich je dort gewesen wäre oder überhaupt auch nur wüßte, wo sie liegt. Sie mag einen guten Ankergrund haben, und das ist jedenfalls nicht übel, wenn man eine Weile zu bleiben denkt; was aber die Größe anbelangt, so kann sie in Vergleichung mit der Bai von Biskaya oder meinetwegen auch der Tor-Bai nicht mehr sein als eine Jolle gegen eine Kriegsschaluppe. Wenn Ihr indes von der Aussprache redet und das ganze Wörterbuch wie ein Kabel in einem Zuge ablaufen hören wollt, so müßt Ihr nach Wapping gehen und die Londoner hören; das sind die rechten Leute. Ich sehe jedoch gar nicht ein, was Euch Miss Lizzy so groß unrecht getan hat, gute Jungfer Remarkable. Nehmen wir daher noch ein Schlückchen von unserm Gebräu und vergeben und vergessen wir wie ehrliche Christenseelen!«
»Nein, das tue ich gewiß nicht, Benjamin. Eine solche Behandlung ist mir etwas Neues, und ich lasse sie nicht auf mir sitzen. Ich habe hundertundfünfzig Dollar zur Verfügung, nebst einem Bett und zwanzig Schafen, und da brauch’ ich denn nicht in einem Haus zu leben, wo man ein junges Frauenzimmer nicht bei ihrem Taufnamen nennen darf. Ich will sie Betsy nennen, sooft es mir beliebt; denn wir leben in einem freien Lande, und niemand kann mir’s wehren. Ich habe zwar den Sommer über bleiben wollen; so aber ziehe ich gleich morgen ab und will dabei noch meine Zunge brauchen, wie sie mir gewachsen ist.«
»Was das anbelangt, Jungfer Remarkable«, erwiderte Benjamin, »so ist niemand hier, der Euch widersprechen wird; denn ich bin der Ansicht, daß es ebenso leicht ist, einer Windsbraut mit einem Barcelona-Schnupftuch Einhalt zu tun, als Eure Zunge zum Schweigen zu bringen. Doch sagt mir jetzt, Jungfer Haushälterin, gibt es auch viele Affen an den Ufern jener Staatsbai?«
»Ihr seid selbst eine Affe, Herr Penguillum«, rief die Haushälterin wütend, »oder ein Bär! ein schwarzer, viehischer Bär, und durchaus nicht die Person, bei der eine anständige Frauensperson bleiben kann. Gott bewahre mich vor Eurer Gesellschaft, und wenn ich auch noch dreißig Jahre in des Richters Haus bleiben sollte! Ein solches Geschwätz taugt allenfalls für die Küche, nicht aber für den Gesellschaftsraum eines Hauses, dessen Herr sich in der Welt sehen lassen darf.«
»Na, sehe man, Jungfer Pitty – Patty – Prettybones! Kann sein, daß ich so eine Art Bär bin, wie jeder empfinden soll, der mir auf den Leib rücken will; aber hole mich der T…, wenn ich ein Affe bin, – ein Ding, das in einem fort schnattert, ohne zu wissen, was es sagt, – ein Papagei, der in einem Dutzend Sprachen redet, sei es nun in der Staatsbai-Sprache oder in der griechischen oder in der deutschen. Weiß er aber, was er damit sagen will? Kannst du mir das beantworten, gute Jungfer? Ein Seekadett kann die Kommandoworte nachschreien, wenn er sie vom Kapitän gehört hat; aber man lasse ihn nur einmal selber machen, und das Schiff nach seinem eigenen Kopf lenken, – der Grog soll zu Gift in meinem Leibe werden, wenn ihn nicht sogar die Schiffsjungen auslachen!«
»Der ist freilich Gift in Eurem Leibe!« entgegnete Remarkable, indem sie in heftigem Zorn eine Kerze ergriff. »Ihr seid ein trunkener Narr, und ich will das Zimmer verlassen, ehe ich weitere ungebührliche Worte von Euch vernehme.«
Die Haushälterin entfernte