Nice Girls. Louise Boije af Gennäs

Nice Girls - Louise Boije af Gennäs


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sich selbst. Sie eilte in die Küche hinaus, ohne sich darum zu kümmern, daß der Bursche mit der Brille offenbar direkt auf sie zusteuerte.

      Wenn Claes nicht dabei sein durfte, sollte sie selbst auch keinen Spaß haben.

      Doch der mit der Brille war schnell und Gunvors Tablett schwer. Er holte sie direkt an der Küchentür ein.

      »Soll ich es dir abnehmen?« fragte er, und Gunvor blieb abrupt stehen.

      »Warum solltest du das?« fragte sie unfreundlich.

      »Es scheint schwer zu sein.«

      Wie meinte er das? War das eine Anspielung auf ihr Gewicht? Oder versuchte er, freundlich zu sein?

      Gunvor spürte, wie ihr vor Ungewißheit und Verlegenheit das Blut in die Wangen stieg. Warum hatte ihr keiner beigebracht, wie man diese Typen zu verstehen hatte, zu erkennen, ob sie es nun freundlich meinten oder sich nur lustig machten?

      Sie ging auf Nummer Sicher, wie schon so viele Male zuvor.

      »Danke, das schaffe ich allein«, sagte sie und verschwand in der Küche, um das Geschirr abzuladen.

      Als sie eine halbe Stunde später wieder hinauskam, hatte jemand die Supremes-Platte zerbrochen und durch Roxy Music ersetzt.

      Der Typ mit der Brille war nach Hause gegangen.

      7.

      Catta hatte Charlie vor anderthalb Jahren bei einem Golfturnier in Falsterbro kennengelernt. Sie war zu ihrem üblichen dreiwöchigen Juliaufenthalt hinuntergefahren, um alte Freunde und Bekannte zu treffen, um sich vor der Krebssaison in den Stockholmer Schären hoffentlich knusprig schokoladenbraun brennen zu lassen und um ihre Position als Mitglied des innersten Kreises von Schwedens vermögenden und schönen Fünfundzwanzig- bis Vierzigjährigen zu festigen. In Schweden während der Saison Golf zu spielen war zudem in Cattas Familie keine zufällige Angelegenheit, kein auf Interesse begründetes Hobby; es war genauso eine Selbstverständlichkeit wie bei den Männern die Jagd und die Bestellung von Originalkleidern bei den Frauen, eine Routine von ebenso unvermeidlicher Natur wie das tägliche Zeitunglesen und das Zähneputzen morgens und abends. Es war ganz einfach ein Muß.

      Cattas Handicap lag bei fünfzehn. Sie war mit anderen Worten gerade gut genug, um Eindruck zu machen, ohne daß sie eine Bedrohung für die wirklichen Enthusiasten darstellte. Sie schlug weit und wagte es immer, den Driver vom Tee zu benutzen, landete selten im Rough und puttete mit großem Selbstvertrauen. Indes konnte sie zeitweise einen unerklärlichen Hook schlagen, der ihr Resultat bedeutend drückte und sie beinahe chronisch in schlechte Laune versetzte.

      Catta war keine sichere Karte, doch wenn sie in Form war, konnte sie beeindruckend sein.

      Sie war Charlie an einem Tag begegnet, als die Lufttemperatur, die Windverhältnisse, die Bahn und ihre eigene Form die absolut günstigsten Voraussetzungen boten.

      Am selben Morgen hatte sie zur erbsengrünen Golfjacke weiße Shorts gewählt und Golfschuhe in derselben Farbkombination. Das Grün ließ Cattas Sonnenbräune leuchten, die hochgekrempelten Ärmel betonten eine gewisse jugendliche Nonchalance, und das Haar – zu einem lockeren Pferdeschwanz auf dem Rücken zusammengenommen – glänzte in der Sonne, als sie ihren ersten Schlag mit dem Driver schlug.

      Charlie hatte schräg hinter ihr auf dem Abschlagplatz gestanden und ihre Bewegungen beobachtet. Er sah sie den Hals recken, um einen Schläger auszuwählen, er sah die kleinen hellen Härchen auf ihrem Unterarm im Gegenlicht, als sie mit dem Driver ausholte, er sah, wie sie den Mund ein wenig verzog, als sie ihrer Freundin leise einen Scherz zumurmelte und einen verstohlenen Blick über die Schulter warf – ein wenig befangen; sie wußte, daß sie beobachtet wurde.

      Das erhöhte die Spannung.

      Was für ein Typ war sie? Würde sie wegen der Zuschauer danebenschlagen? Oder gehörte sie zu der dickfelligeren Sorte?

      Zu Charlies großem, unverhülltem Entzücken zog sie den Schirm der Sportmütze etwas tiefer in die Stirn, zielte mit dem Schläger, verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere und lieferte einen perfekten Abschlag, so daß der Ball in einem brillanten Bogen aufstieg, erst langsam an Geschwindigkeit zunahm und dann über dem wogenden Gras auf das Loch zuschoß. Danach zog sie erneut die Mütze über den Augenbrauen zurecht, wandte sich zu Charlie um und lächelte, ein breites, herausforderndes, ironisches Was-hab-ich-gesagt-Lächeln, das ihn weich in den Knien und kampflustig zugleich werden ließ, drehte ihm den Rükken zu und ging.

      Es wurde ein heißer Sommer.

      8.

      Cattas Bilder waren das erste, was Charlie zu sehen bekommen hatte, als er nach ihrem gemeinsamen Falsterbo-Sommer nach Stockholm zurückgekehrt war.

      Sie waren beide braungebrannt und ausgeruht, und Catta sah einem Herbst voller harter Arbeit entgegen, der sie im Malen bedeutend vorwärtsbringen würde. Siegesbewußt hatte sie die Tür zu ihrem eigenen, relativ kürzlich eingerichteten Arbeitszimmer geöffnet und Charlie eintreten lassen.

      Als erstes sah er sich im Zimmer um und brach in Lachen aus. Nicht über die Gemälde, denn die standen alle mit der bemalten Seite zur Wand. Eher war es das Zimmer selbst, das Charlie komisch, ja ein bißchen rührend fand. In einer Ecke stand noch immer das alte Waschbecken der Dienstmagd, in das Catta eine altertümliche, blaugeblümte Porzellankanne mit ihren Pinseln gestellt hatte. In einer anderen Ecke waren Strahler angebracht, damit sie ihre Bilder bei starkem elektrischem Licht sehen konnte, wenn ihr danach war. Auf einer Bank lagen alle halb ausgedrückten Ölfarbentuben, und in dichtschließenden Gläsern verwahrte sie ihr Leinöl und verschiedene Terpentine. Auf dem Fensterbrett stand ein altes Radio.

      Charlie hatte all das betrachtet, gelacht und sich mit einem gerührten kleinen Lächeln zu ihr umgedreht.

      »Liebling!« rief er amüsiert und küßte sie auf den Mund. »Also das hier ist deine kleine Werkstatt!«

      »Und?« fragte Catta feindselig.

      »Ach nichts!« sagte Charlie. »Ich finde es nur so süß, das ist alles.«

      Mit einemmal verrann ihre Freude, wie schäumendes Spülwasser aus einem Becken.

      Zurück blieb nur ein Gefühl, blank wie Stahl: Sie war lächerlich mit ihren Träumen und ihren halbherzigen Versuchen, allen Ernstes zu malen. Plötzlich erschien auch ihr der Raum affig: Der desperate Versuch eines verwöhnten Mädchens, die Zeit zwischen Partys und Besuchen bei der Schneiderin totzuschlagen. Nicht einmal die Bilder konnten sie froher stimmen. Sie drehte lustlos ein Gemälde nach dem anderen um, mit dem zunehmenden Gefühl in der Brust, sich vor einem Fremden zu entkleiden, und trotz Charlies ermunternder Ausrufe konnte sie ihr Mißbehagen nicht abschütteln.

      »Schätzchen, sie sind wirklich gut!« hatte er mit Inbrunst gesagt, als das letzte Bild umgedreht war. »Daß du so viel Talent hast! Wollen wir jetzt essen gehen?«

      Catta hatte ihre eigenen Bilder feindselig angesehen.

      Wie plump sie waren, wie kindisch und amateurhaft. Zu Hause bei Charlie gab es richtige Kunst, abstrakte Gemälde von Künstlern wie Jim Dine und Tapiès, gekauft für akzeptable Summen, ehe die Künstler richtig berühmt wurden. Charlie hatte ein Gefühl für Kunst, richtige Kunst.

      »Komm«, hatte Catta gesagt und ihn aus ihrem Arbeitszimmer geleitet.

      Das Unbehagen und das Gefühl der Peinlichkeit verschwanden den ganzen Abend nicht.

      Es hatte Tage gedauert, bis sie das Zimmer überhaupt wieder betreten konnte.

      9.

      Um vier waren die meisten Gäste endlich gegangen.

      Stella war mit Benjamin und seinen Kumpels zu einem inoffiziellen Konzert im ›Dixie Queen‹ verschwunden. Lizzie hatte Frank schon gegen zwei ins ›Café Opera‹ geschickt, zusammen mit einem Trupp alter Schulkameraden und deren Männern oder Frauen, die bei dem Gedanken, zum erstenmal seit Jahren wieder richtig auszugehen, ganz kribblig und aufgedreht waren.


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