Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist

Die bekanntesten Theaterstücke - Heinrich von Kleist


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Bei deinem toten Kinde, so in Warwand;

       Du hiebst sie nieder, so in Warwand; sie

       Gestanden Falsches, so in Warwand; du

       Vertrautest ihnen, so in Warwand. – Nein,

       Der einzge Umstand ist verschieden, daß

       Sylvester selber doch dich freispricht.

      RUPERT: O

       Gewendet, listig, haben sie das ganze

       Verhältnis, mich, den Kläger, zum Verklagten

       Gemacht. – Und um das Bubenstück, das mich

       Der ganzen Welt als Mörder zeigt, noch zu

       Vollenden, so verzeiht er mir. –

      EUSTACHE: Rupert!

       O welch ein häßlicher Verdacht, der schon

       Die Seele schändet, die ihn denkt.

      RUPERT: Verdacht

       Ists nicht in mir, es ist Gewißheit. Warum

       Meinst du, hätt er mir wohl verziehen, da

       Der Anschein doch so groß, als nur, damit

       Ich gleich gefällig mich erweise? Er

       Kann sich nicht reinigen, er kann es nicht,

       Und nun, damit ichs ihm erlaß, erläßt

       Ers mir. – Nun, halb zum wenigsten soll ihm

       Das Bubenstück gelingen nur. Ich nehme

       Den Mord auf mich – und hätt der Jung das Mädchen

       Erschlagen, wärs mir recht.

      EUSTACHE: Das Mädchen? O

       Mein Gott, du wirst das Mädchen doch nicht morden?

      RUPERT:

       Die Stämme sind zu nah gepflanzet, sie

       Zerschlagen sich die Äste.

      EUSTACHE (zu seinen Füßen): O verschone,

       Auf meinen Knien bitt ich dich verschone

       Das Mädchen – wenn dein eigner Sohn dir lieb,

       Wenn seine Liebe lieb dir, wenn auf immer

       Du seinen Fluch dir nicht bereiten willst,

       Verschone Agnes. –

      RUPERT: Welche seltsame

       Anwandlung? Mir den Fluch des Sohnes?

      EUSTACHE: Ja,

       Es ist heraus – auf meinen Knien beschwöre

       Ich dich, bei jener ersten Nacht, die ich

       Am Tage vor des Priesters Spruch dir schenkte,

       Bei unserm einzgen Kind, bei unserm letzten

       Das du hinopferst, und das du doch nicht

       Geboren hast, wie ich, o mache diesem

       Unselig-bösen Zwist ein Ende, der

       Bis auf den Namen selbst den ganzen Stamm

       Der Schroffensteine auszurotten droht.

       Gott zeigt den Weg selbst zur Versöhnung dir.

       Die Kinder lieben sich, ich habe sichre

       Beweise. –

      RUPERT: Lieben?

      EUSTACHE: Unerkannt hat Gott

       In dem Gebirge sie vereint.

      RUPERT: Gebirg?

      EUSTACHE:

       Ich weiß es von Jeronimus, der Edle!

       Vortreffliche! Sein eigner Plan war es

       Die Stämme durch die Heirat zu versöhnen,

       Und selbst sich opfernd, trat er seine Braut

       Dem Sohne seines Freundes ab. – O ehre

       Im Tode seinen Willen, daß sein Geist

       In deinen Träumen dir nicht mit Entsetzen

       Begegne. – Sprich, o sprich den Segen aus!

       Mit Tränen küß ich deine Kniee, küsse

       Mit Inbrunst deine Hand, die ach! noch schuldig

       Was sie am Altar mir versprach – o brauche

       Sie einmal doch zum Wohltun, gib dem Sohne

       Die Gattin, die sein Herz begehrt, und dir

       Und mir und allen Unsrigen den Frieden. –

      RUPERT:

       Nein, sag mir, hab ich recht gehört, sie sehen

       Sich im Gebirge, Ottokar und Agnes?

      EUSTACHE (steht auf):

       O Gott, mein Heiland, was hab ich getan?

      RUPERT (steht auf):

       Das freilich ist ein Umstand von Bedeutung.

       (Er pfeift; zwei Diener erscheinen.)

      EUSTACHE:

       Wärs möglich? Nein. – O Gott sei Dank! Das wäre

       Ja selbst für einen Teufel fast zu boshaft.

      RUPERT (zu den Dienern):

       Ist noch der Graf zurück nicht vom Spaziergang?

      EIN DIENER:

       Nein, Herr.

      RUPERT: Wo ist der Santing?

      EIN DIENER: Bei der Leiche.

      RUPERT:

       Führ mich zu ihm. (Ab.)

      EUSTACHE (ihm nach): Rupert! Rupert! O höre.

      (Alle ab.)

      Zweite Szene

       Inhaltsverzeichnis

       Warwand Zimmer im Schlosse. Sylvester tritt auf, öffnet ein Fenster, und bleibt mit Zeichen einer tiefen Bewegung davor stehen. Gertrude tritt auf, und nähert sich ihm mit verdecktem Gesicht.

      GERTRUDE:

       Weißt du es?

      AGNES (tritt auf, noch an der Tür halblaut):

       Mutter! Mutter!

      (Gertrude sieht sich um, Agnes nähert sich ihr.)

      Weißt du die

       Entsetzenstat? Jerome ist erschlagen.

      (Gertrude gibt ihr ein bejahendes Zeichen.)

      Weiß ers?

      GERTRUDE (wendet sich zu Sylvester):

       Sylvester!

      SYLVESTER (ohne sich umzusehen):

       Bist du es Gertrude?

      GERTRUDE: Wenn

       Ich wüßte, wie du jetzt gestimmt, viel hätt ich

       Zu sagen dir.

      SYLVESTER: Es ist ein trüber Tag

       Mit Wind und Regen, viel Bewegung draußen. –

       Es zieht ein unsichtbarer Geist, gewaltig,

       Nach einer Richtung alles fort, den Staub,

       Die Wolken, und die Wellen. –

      GERTRUDE: Willst du mich,

       Sylvester, hören?

      SYLVESTER: Sehr beschäftigt mich

       Dort jener Segel – siehst du ihn? Er schwankt

       Gefährlich, übel ist sein Stand, er kann

       Das Ufer nicht erreichen. –


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