Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist
Als wir den Finger abgelöset, kamen
Zwei Männer her aus Warwand, welche sich
Den von der Rechten lösen wollten. Der
Hilft aber nichts, wir machten uns davon,
Und weiter weiß ich nichts.
OTTOKAR: Es ist genug:
Du hast gleich einer heilgen Offenbarung
Das Unbegriffne mir erklärt. Das kannst
Du nicht verstehn, doch sollst dus bald. – Noch eins.
In Warwand ist ein Mädchen, dem ich auch
So gut, wie dir. Die spräch ich gern noch heut
In einer Höhle, die ihr wohlbekannt.
Die Tochter ist es auf dem Schlosse, Agnes,
Du kannst nicht fehlen.
BARNABE: Soll ich sie dir rufen?
Nun ja, es wird ihr Freude machen auch.
OTTOKAR:
Und dir. Wir wollens beide dir schon lohnen.
Doch mußt dus selbst ihr sagen, keinem andern
Vertraun, daß dich ein Jüngling abgeschickt,
Verstehst du? Nun, das weißt du wohl. – Und daß
Du Glauben finden mögest auch bei ihr,
Nimm dieses Tuch, und diesen Kuß gib ihr. (Ab.)
(Barnabe sieht ihm nach, seufzt und geht ab.)
Vierte Szene
Eine andere Gegend im Gebirge. Rupert und Santing treten auf
SANTING:
Das soll gewöhnlich sein Spaziergang sein,
Sagt mir der Jäger. Selber hab ich ihn
Zweimal und sehr erhitzt, auf dieser Straße
Begegnet. Ist er im Gebirg, so ists
Auch Agnes, und wir fangen beid zugleich.
RUPERT (setzt sich auf einen Stein):
Es ist sehr heiß mir, und die Zunge trocken.
SANTING:
Der Wind geht kühl doch übers Feld.
RUPERT: Ich glaub,
's ist innerlich.
SANTING: Fühlst du nicht wohl dich?
RUPERT: Nein:
Mich dürstet.
SANTING: Komm an diesen Quell.
RUPERT: Löscht er
Den Durst?
SANTING: Das Wasser mindestens ist klar,
Daß du darin dich spiegeln könntest. Komm!
RUPERT (steht auf, geht zum Quell, neigt sich über ihn, und plötzlich mit der Bewegung des Abscheus wendet er sich):
SANTING: Was fehlt dir?
RUPERT: Eines Teufels Antlitz sah
Mich aus der Welle an.
SANTING (lachend): Es war dein eignes.
RUPERT:
Skorpion von einem Menschen.
(Setzt sich wieder.)
BARNABE (tritt auf):
Hier gehts nach Warwand doch, gestrenger Ritter?
SANTING:
Was hast du denn zu tun dort, schönes Kind?
BARNABE:
Bestellungen an Fräulein Agnes.
SANTING: So?
Wenn sie so schön wie du, so möcht ich mit dir gehn.
Was wirst du ihr denn sagen?
BARNABE: Sagen? Nichts,
Ich führe sie bloß ins Gebirg.
SANTING: Heut noch?
BARNABE:
Kennst du sie?
SANTING: Wen'ger noch, als dich,
Und es betrübt mich wen'ger. – Also heute noch?
BARNABE:
Ja gleich. – Und bin ich auf dem rechten Weg?
SANTING:
Wer schickt dich denn?
BARNABE: Wer? – Meine Mutter.
SANTING: So?
Nun, geh nur, geh auf diesem Wege fort,
Du kannst nicht fehlen.
BARNABE: Gott behüte euch. (Ab.)
SANTING:
Hast dus gehört Rupert? Sie kommt noch heut
In das Gebirg. Ich wett, das Mädchen war
Von Ottokar geschickt.
RUPERT (steht auf): So führ ein Gott,
So führ ein Teufel sie mir in die Schlingen,
Gleichviel! Sie haben mich zu einem Mörder
Gebrandmarkt boshaft, im voraus. – Wohlan,
So sollen sie denn recht gehabt auch haben.
– Weißt du den Ort, wo sie sich treffen?
SANTING: Nein,
Wir müssen ihnen auf die Fährte gehn.
RUPERT: So komm.
(Beide ab.)
Fünfte Szene
Rossitz. Ein Gefängnis im Turm. Die Tür öffnet sich, Fintenring tritt auf
OTTOKAR (noch draußen):
Mein Vater hats befohlen?
FINTENRING: In der eigenen
Person, du möchtest gleich bei deinem Eintritt
Ins Tor uns folgen nur, wohin wir dich
Zu führen haben. Komm, du alter Junge,
Komm h'rein.
OTTOKAR: Hör, Fintenring, du bist mit deinem
Satyrngesicht verdammt verdächtig mir.
Nun, weil ich doch kein Mädchen, will ichs tun.
(Er tritt auf, der Kerkermeister folgt ihm.)
FINTENRING:
Der Ort ist, siehst du, der unschuldigste.
Denn hier auf diesen Quadersteinen müßts
Selbst einen Satyr frieren.
OTTOKAR: Statt der Rosen
Will er mit Ketten mich und Banden mich
Umwinden – denn die Grotte merk ich wohl
Ist ein Gefängnis.
FINTENRING: Hör, das gibt vortreffliche
Gedanken, morgen, wett ich, ist dein Geist
Fünf Jahre älter, als dein Haupt.
OTTOKAR: Wär ich
Wie du, ich nähm es an. Denn deiner straft
Dein graues Haupt um dreißig Jahre Lügen.