Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist

Die bekanntesten Theaterstücke - Heinrich von Kleist


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(Er steht auf, zu Barnabe heimlich.)

       Du stellst dich an den Eingang, hörst du? Siehst

       Du irgend jemand nahe, so rufst du gleich.

       – Noch eins. Wir werden hier die Kleider wechseln,

       In einer Viertelstunde führst du Agnes

       In Männerkleidern heim. Und sollte man

       Uns überraschen, tust dus gleich. – Nun geh.

      (Barnabe geht in den Hintergrund. Ottokar kehrt zu Agnes zurück.)

      AGNES:

       Wo geht das Mädchen hin?

      OTTOKAR (setzt sich): Ach! Agnes! Agnes!

       Welch eine Zukunft öffnet ihre Pforte!

       Du wirst mein Weib, mein Weib! weißt du denn auch

       Wie groß das Maß von Glück?

      AGNES (lächelnd): Du wirst es lehren.

      OTTOKAR:

       Ich werd es! O du Glückliche! Der Tag,

       Die Nacht vielmehr ist nicht mehr fern. Es kommt, du weißt,

       Den Liebenden das Licht nur in der Nacht

       – Errötest du?

      AGNES: So wenig schützt das Dunkel?

      OTTOKAR:

       Nur vor dem Auge, Törin, doch ich sehs

       Mit meiner Wange, daß du glühst. – Ach, Agnes!

       Wenn erst das Wort gesprochen ist, das dein

       Gefühl, jetzt eine Sünde, heiligt – – Erst

       Im Schwarm der Gäste, die mit Blicken uns

       Wie Wespen folgen, tret ich zu dir, sprichst

       Du zwei beklemmte Worte, wendest dann

       Viel schwatzend zu dem Nachbar dich. Ich zürne

       Der Spröden nicht, ich weiß es besser wohl.

       Denn wenn ein Gast, der von dem Feste scheidet,

       Die Türe zuschließt, fliegt, wo du auch seist,

       Ein Blick zu mir herüber, der mich tröstet.

       Wenn dann der Letzte auch geschieden, nur

       Die Väter und die Mütter noch beisammen –

       – »Nun, gute Nacht, ihr Kinder!« – Lächelnd küssen

       Sie dich, und küssen mich – wir wenden uns,

       Und eine ganze Dienerschaft mit Kerzen

       Will folgen. »Eine Kerze ist genug,

       Ihr Leute«, ruf ich, und die nehm ich selber,

       Ergreife deine, diese Hand. (Er küßt sie.)

       – Und langsam steigen wir die Treppe, stumm,

       Als wär uns kein Gedanke in der Brust,

       Daß nur das Rauschen sich von deinem Kleide,

       Noch in den weiten Hallen hören läßt.

       Dann – – Schläfst du, Agnes?

      AGNES: – Schlafen?

      OTTOKAR: Weil du plötzlich

       So still. – Nun weiter. Leise öffne ich

       Die Türe, schließe leise sie, als wär

       Es mir verboten. Denn es schauert stets

       Der Mensch, wo man als Kind es ihm gelehrt.

       Wir setzen uns. Ich ziehe sanft dich nieder,

       Mit meinen Armen stark umspann ich dich,

       Und alle Liebe sprech ich aus mit einem, Mit diesem Kuß. (Er geht schnell in den Hintergrund; zu Barnabe heimlich.) So sahst du niemand noch?

      BARNABE:

       Es schien mir kürzlich fast, als schlichen zwei

       Gestalten um den Berg.

      (Ottokar kehrt schnell zurück.)

      AGNES: Was sprichst du denn

       Mit jenem Mädchen stets?

      OTTOKAR (hat sich wieder gesetzt): Wo blieb ich stehen?

       Ja, bei dem Kuß. – Dann kühner wird die Liebe,

       Und weil du mein bist – bist du denn nicht mein?

       So nehm ich dir den Hut vom Haupte (er tuts), störe

       Der Locken steife Ordnung (er tuts), drücke kühn

       Das Tuch hinweg (er tuts), du lispelst leis: o lösche

       Das Licht! Und plötzlich, tief verhüllend, webt

       Die Nacht den Schleier um die heilge Liebe,

       Wie jetzt.

      BARNABE (aus dem Hintergrunde):

       O Ritter! Ritter!

      AGNES (sieht sich ängstlich um):

      OTTOKAR (Fällt ihr ins Wort): Nun entwallt

       Gleich einem frühling-angeschwellten Strom

       Die Regung ohne Maß und Ordnung – schnell

       Lös ich die Schleife, schnell noch eine (er tuts), streife dann

       Die fremde Hülle leicht dir ab (er tuts).

      AGNES: O Ottokar,

       Was machst du? (Sie fällt ihm um den Hals.)

      OTTOKAR (an dem Überkleide beschäftigt):

       Ein Gehülfe der Natur

       Stell ich sie wieder her. Denn wozu noch

       Das Unergründliche geheimnisvoll

       Verschleiern? Alles Schöne, liebe Agnes,

       Braucht keinen andern Schleier, als den eignen,

       Denn der ist freilich selbst die Schönheit.

      BARNABE: Ritter! Ritter!

       Geschwind!

      OTTOKAR (schnell auf, zu Barnabe):

       Was gibts?

      BARNABE: Der eine ging zweimal

       Ganz nah vorbei, ganz langsam.

      OTTOKAR: Hat er dich gesehn?

      BARNABE:

       Ich fürcht es fast.

      (Ottokar kehrt zurück.)

      AGNES (die aufgestanden ist): Was rief das Mädchen denn

       So ängstlich?

      OTTOKAR: Es ist nichts.

      AGNES: Es ist etwas.

      OTTOKAR:

       Zwei Bauern ja, sie irrten sich. – Du frierst,

       Nimm diesen Mantel um.

       (Er hängt ihr seinen Mantel um.)

      AGNES: Du bist ja seltsam.

      OTTOKAR:

       So, so. Nun setze dich.

      AGNES (setzt sich): Ich möchte lieber gehn.

      OTTOKAR (der vor ihr steht):

       Wer würde glauben, daß der grobe Mantel

       So Zartes deckte, als ein Mädchenleib!

       Drück Ich dir noch den Helm auf deine Locken,

       Mach ich auch Weiber mir zu Nebenbuhlern.

      BARNABE (kommt zurück, eilig):

       Sie kommen! Ritter! Sie kommen!

      (Ottokar wirft schnell Agnes' Oberkleid über, und setzt ihren Hut auf.)

      AGNES:

      


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