Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist

Die bekanntesten Theaterstücke - Heinrich von Kleist


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großer Sturm gefaßt, er beugt

       Mein wankend Leben tief zur Gruft. Wenn es

       Nicht reißt, so steh ich schrecklich wieder auf,

       Ist der gewaltsam erste Anfall nur

       Vorüber.

      THEISTINER: Doch das Zögern ist uns sehr

       Gefährlich – – Komm! Ergreif den Augenblick!

       Er wird so günstig niemals wiederkehren.

       Gebeut die Rache und wir wettern wie

       Die Würgeengel über Rossitz hin!

      SYLVESTER:

       Des Lebens Güter sind in weiter Ferne,

       Wenn ein Verlust so nah, wie diese Leiche,

       Und niemals ein Gewinst kann mir ersetzen,

       Was mir auf dieser Nummer fehlgeschlagen.

       Sie blühte wie die Ernte meines Lebens,

       Die nun ein frecher Fußtritt mir zertreten,

       Und darben werd ich jetzt, von fremden Müttern

       Ein fremdes Kind zum Almos mir erflehen.

      THEISTINER:

       Sylvester, hör mich! Säume länger nicht!

      SYLVESTER:

       Ja, du hast recht! es bleibt die ganze Zukunft

       Der Trauer, dieser Augenblick gehört

       Der Rache. Einmal doch in meinem Leben

       Dürst ich nach Blut, und kostbar ist die Stimmung.

       Komm schnell zum Zuge.

      (Man hört draußen ein Geschrei: Holla! Herein! Holla!)

      THEISTINER: Was bedeutet das?

      (Rupert und Santing werden von Rittern Sylvesters gefangen aufgeführt.)

      EIN RITTER:

       Ein guter Fund, Sylvester! Diese saubern

       Zwei Herren, im Gesträuche hat ein Knappe,

       Der von dem Pferd gestiegen, sie gefunden.

      THEISTINER:

       Sylvester! Hilf mir sehn, ich bitte dich!

       Er ists! Leibhaftig! Rupert! Und der Santing.

      SYLVESTER (zieht sein Schwert):

       Rupert!

      THEISTINER: Sein Teufel ist ein Beutelschneider,

       Und führt in eigener Person den Sünder

       In seiner Henker Hände.

      SYLVESTER: O gefangen!

       Warum gefangen? Gott der Gerechtigkeit!

       Sprich deutlich mit dem Menschen, daß ers weiß

       Auch, was er soll!

      RUPERT (erblickt Agnes' Leiche): Mein Sohn! Mein Sohn! Ermordet!

       Zu meinem Sohne laßt mich, meinem Sohne!

       (Er will sich losreißen, die Ritter halten ihn.)

      SYLVESTER:

       Er trägt sein eigen schneidend Schwert im Busen.

       (Er steckt ein.)

       Laßt ihn zu seinem Sohne.

      RUPERT (stürzt über Agnes Leichnam hin): Ottokar!

      GERTRUDE (tritt auf):

       Ein Reuter flog durch Warwand, schreiend, Agnes

       Sei tot gefunden in der Höhle. Ritter,

       Ihr Männer! Ist es wahr? Wo ist sie? Wo?

       (Sie stürzt über Ottokars Leichnam..

       O heilge Mutter Gottes! O mein Kind!

       Du Leben meines Lebens!

      EUSTACHE (tritt auf): Seid ihr Männer,

       So laßt ein Weib unangerührt hindurch,

       Gebeuts, Sylvester, ich, die Mutter des

       Erschlagnen, will zu meines Sohnes Leiche.

      SYLVESTER:

       Der Schmerz ist frei. Geh hin zu deinem Sohn.

      EUSTACHE:

       Wo ist er? – Jesus! Deine Tochter auch? –

       Sie sind vermählt.

      (Sylvester wendet sich. Eustache läßt sich auf ein Knie vor Agnes' Leiche nieder. Sylvius, von Johann geführt, treten auf. Der letzte mit Zeichen der Verrückung.)

      SYLVIUS: Wohin führst du mich, Knabe?

      JOHANN:

       Ins Elend, Alter, denn ich bin die Torheit.

       Sei nur getrost! Es ist der rechte Weg.

      SYLVIUS:

       Weh! Weh! Im Wald die Blindheit, und ihr Hüter

       Der Wahnsinn! Führe heim mich, Knabe, heim!

      JOHANN:

       Ins Glück? Es geht nicht, Alter. 's ist inwendig

       Verriegelt. Komm. Wir müssen vorwärts.

      SYLVIUS: Müssen wir?

       So mögen sich die Himmlischen erbarmen.

       Wohlan. Ich folge dir.

      JOHANN: Heißa lustig!

       Wir sind am Ziele.

      SYLVIUS: Am Ziele schon? Bei meinem

       Erschlagnen Kindeskind? Wo ist es?

      JOHANN: Wär ich blind,

       Ich könnt es riechen, denn die Leiche stinkt schon.

       Wir wollen uns dran niedersetzen, komm,

       Wie Geier ums Aas.

       (Er setzt sich bei Ottokars Leiche.)

      SYLVIUS: Er raset. Weh! Hört denn

       Kein menschlich Ohr den Jammer eines Greises,

       Der blind in pfadelosen Wäldern irrt?

      JOHANN:

       Sei mir nicht bös, ich mein es gut mit dir.

       Gib deine Hand, ich führe dich zu Agnes.

      SYLVIUS:

       Ist es noch weit?

      JOHANN: Ein Pfeilschuß. Beuge dich.

      SYLVIUS (indem er die Leiche betastet):

       Ein Schwert – im Busen – einer Leiche. –

      JOHANN: Höre, Alter,

       Das nenn ich schauerlich. Das Mädchen war

       So gut, und o so schön.

      SYLVIUS: Das ist nicht Agnes!

       – Das wäre Agnes, Knabe? Agnes' Kleid,

       Nicht Agnes! Nein bei meinem ewgen Leben,

       Das ist nicht Agnes!

      JOHANN (die Leiche belastend): Ah! Der Skorpion!

       's ist Ottokar!

      SYLVESTER: Ottokar!

      GERTRUDE:

       So wahr ich Mutter, das ist meine Tochter

       Nicht. (Sie steht auf)

      SYLVESTER: Fackeln her! – Nein, wahrlich, nein! Das ist

       Nicht Agnes!

      EUSTACHE (die herbeigeeilt): Agnes! Ottokar! Was soll

       Ich glauben –? O ich Unheilsmutter! Doppelt

       Die Leiche meines Sohnes! Ottokar!

      SYLVESTER:

       Dein Sohn in meiner Agnes Kleidern? Wer

      


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