Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет
Jägern erlegt wurden.
Die Thiere, welche wir zu bestehen hatten, waren grosse schwarze Wildschweine, Leoparden, Schakale, Tiger, Panther und noch andere, die ich nicht zu nennen weiss. Trotz der Wildheit, mit welcher die meisten dieser Bestien herauszuspringen pflegten, wurden sie doch alsbald mit einem Schauer von Wurfspiessen empfangen oder durch die starken Speere der Krieger durchbohrt, so dass nur wenige entkamen und nur selten durch sie ein Unglück geschah. Eines Tages jedoch, als die Treiber eben in ein Dickicht eingedrungen waren, hörte Whyna, die im Kreis der übrigen Jäger stand und auf die Jagd sehr erpicht war, etwas im Gebüsch rascheln; sie näherte sich dem Stande desselben, um den ersten Streich auf das herauskommende Thier führen zu können. Wie gewöhnlich befand ich mich in ihrer Nähe. Mit einmal stürzte ein grosser Tiger hervor nach welchem sie ihren Wurfspiess entsandte, ohne jedoch die Bestie in einem Grade zu verwunden, dass sie ungefährlich geworden wäre. Der Tiger wandte sich um, und ich bohrte ihm meinen Speer in die Kehle. Dies that ihm für einen Augenblick Einhalt; dann aber machte er wieder einen Sprung, unter welchem das Speereisen zwar tiefer hineindrang, zugleich aber der Schaft abknickte, so dass wir uns von der dringlichsten Gefahr bedroht sahen. Sowohl Whyna als ich, wir Beide ergriffen vor der Wuth des Thiers die Flucht; dieses aber war uns noch immerhin nahe genug, dass es trotz der von meinem Speer ihm versetzten Wunde uns mit zwei oder drei Sprüngen einholen konnte. Meine Gebieterin war so schnell wie der Wind und kam bald an mir vorbei; sie fasste mich bei dieser Gelegenheit an der Hand und schleppte mich mit solcher Eile fort, dass ich mich nur mit Noth auf den Beinen erhalten konnte. Die umstehenden Jäger waren über ihre Gefahr sehr erschrocken, und da sie wohl wussten, was sie von dem Zorn des alten Königs zu gewärtigen hatten, wenn ihre Gebieterin durch den Tiger getödtet wurde, so warfen sie sich zwischen uns und die Bestie, welche sie endlich auch mit ihren Speeren erlegten, obschon in dem wilden Kampfe Einige um’s Leben kamen und Viele verwundet wurden. Der ungewöhnlich grosse Kopf des Raubthiers wurde abgehauen und im Triumph zu dem alten König gebracht. Als dieser von der Gefahr hörte, welcher Whyna ausgesetzt gewesen, liebkoste er sie unter Thränen, und ich konnte mich dabei des Gedankens nicht erwehren, dass der alte Elende am Ende doch ein Herz habe. Whyna theilte dem König mit, wenn ich das Thier nicht mit einem Speer durchbohrt und so seinen ersten Sprung verhindert hätte, wäre es um ihr Leben geschehen gewesen. Das Ungeheuer grinste mir hierauf mit einem hässlichen Lächeln zu, das, wie ich vermuthe, entweder Beifall oder Dankbarkeit bedeuten sollte.
Zu andern Zeiten galt die Jagd der grossen Menge von Vögeln, die sich in den Wäldern vorfanden. Man bediente sich bei derselben nur des Bogens und der Pfeile, so dass ich bei der ganzen Sache nichts zu thun hatte, als die von meiner Gebieterin erlegten Thiere aufzulesen und ihr die Pfeile zurückzugeben; sie schoss den Vogel stets in den Flügel — eine Fertigkeit, auf die sich ausser ihr nur Wenige verstanden. Allmälig gewann ich die Jagd lieb, da sie zugleich auch mit Gefahr verknüpft war, und ich fühlte mich nie glücklicher, als wenn ich ihr obliegen konnte. Wir hielten gegen zwei Monate in den Wäldern aus; dann aber wurde der König der Sache überdrüssig, und wir kehrten nach der Stadt zurück, wo ich noch einige Zeit in derselben Weise, wie früher, fortlebte.
Ich würde mich in der Zuneigung meiner Gebieterin auch als Sklave vollkommen glücklich gefühlt haben, wenn nicht einige Tage nach unserer Rückkehr von der Jagd der alte Wütherich eine neue Probe von seiner unbegrenzten Grausamkeit abgelegt hätte, die uns Alle mit Bestürzung und Entsetzen erfüllte; denn wir entnahmen daraus, dass nicht einmal Whyna stets das wilde Ungeheuer zu bändigen im Stande war.
Eines Morgens bemerkte ich, dass einer von des Königs Wachen, der mich stets sehr liebevoll behandelt, und den auch ich liebgewonnen hatte, an den Henkerpfahl vor der Hütte angebunden war. Da ich wohl wusste, welch ein Schicksal ihm bevorstand, so eilte ich in Whyna’s Hütte, und langte daselbst in so trostlosem Zustande an, dass ich nicht zu sprechen vermochte. Ich konnte nur ihre Kniee umklammern und den Namen des Negers wiederholen, indem ich zugleich auf den Pfahl deutete, an welchen er gefesselt war. Sie verstand mich, und da ihr gleichfalls an der Rettung des Mannes gelegen war, oder sie mir vielleicht einen Gefallen erweisen wollte, so eilte sie nach der grossen Hütte, um bei dem alten Barbaren Schonung für den Unglücklichen zu erwirken. Dieser aber tobte in leidenschaftlicher Wuth einher, verweigerte geradezu die Begnadigung, und erhob seinen Säbel, um dem Neger den Garaus zu machen. Whyna fiel ihm in den Arm, um den Hieb abzuwenden; doch jetzt verdoppelte sich die Wuth des Königs. Seine Augen funkelten wie glühende Kohlen; er warf ihr einen teuflischen Blick zu, ergriff sie beim Haar, zerrte sie vor seinen Füssen hin, erhob den Säbel und war augenscheinlich im Begriff, ihr den Kopf abzuhauen. Das Entsetzen und die Gefahr, in welcher sich meine Gebieterin befand, lähmte alle meine Gliedmassen; indess dachte ich doch, er werde den Streich nicht führen. Ich hatte keine Waffe, aber wenn er die grausame That begangen hätte, so würde ich ihren Tod gerächt haben, obschon ich dafür meines eigenen Lebens verlustig gegangen wäre. Endlich liess aber das alte Ungeheuer ihr Haar los; er stiess sie mit dem Fuss von sich, so dass sie auf dem Sand fortrollte, und wandte sich sodann nach dem unglücklichen Gebundenen, dem er mit einem schrägen Aufwärtshieb seines Säbels die Seite bis zur Brust zertheilte, so dass die Eingeweide auf die Erde niederfielen. Hierauf sah er mit einem Blick umher, ob dem uns das Blut in den Adern gerann, und dann ging er finster in seine Hütte zurück, uns Zeit lassend, uns von unserem Entsetzen wieder zu erholen.
Was meine Gebieterin betraf, so war sie zu gleicher Zeit von Schrecken und Wuth erfüllt. Sobald ich sie nach ihrer Hütte zurückgeführt hatte und wir allein waren, machte sie dem Sturm der Leidenschaften, der ihren Busen schwellte, Luft, verwünschte ihren Gatten in den ungezügeltsten Ausdrücken des Ekels und Abscheus, und beklagte in der bittersten Weise ihr Geschick, welches sie an ein solches Ungeheuer gefesselt hatte. Zitternd ob der Gefahr, welcher ich sie blossgestellt hatte, und durch ihre Lage gerührt, konnte ich nicht umhin, meine Thränen mit den ihrigen zu vermischen, und durch Liebkosungen sowohl, als Beileidsbezeugungen ihre Aufregung zu beschwichtigen. Hätte mich der alte König damals gesehen, so weiss ich nicht, was aus uns Beiden geworden wäre; aber ich kümmerte mich in jenem Augenblicke um nichts. Jung und heftig, wie ich war, hatte ich mir fest vorgenommen, dass der Wütherich sich weder an mir, noch an ihr ungerächt vergreifen sollte. Endlich war sie unter Schluchzen eingeschlummert, und ich bezog meinen gewöhnlichen Posten vor der Hütte. Ich hatte daran wohl gethan, denn es stund nicht fünf Minuten an, als der alte Kerl, dessen Zorn sich inzwischen gelegt hatte, aus seinem Zelt gegen die Hütte herkam, um Whyna wieder zu begütigen, da sie für sein Glück unerlässlich war. Er behandelte sie nachher wieder mit seiner gewohnten Freundlichkeit; indess bemerkte ich doch, dass sich von der eben beschriebenen Scene an ihre Abneigung gegen ihn verdoppelt hatte.
In den verschiedenen Hütten, die innerhalb der Einzäunung standen, wohnten mehrere Dutzend Frauenspersonen, die, wie ich hörte, insgesammt Weiber des alten Monarchen waren, obschon wir nie andere, als die vier, die wir bei unserem Anlangen kennen gelernt hatten, in seiner Gesellschaft bemerkten. Durch die Vermittlung meiner wohlwollenden Gebieterin fand ich stets Gelegenheit, meine Gefährten mit Geflügel und Wildpret, das auf der königlichen Tafel übrig blieb, zu versehen, und ihrer Vorsorge hatten sie es zu danken, dass sie stets freundlich und mild behandelt wurden.
So blieb ich noch weitere zwei Monate in meiner Gefangenschaft, bald glücklich im Umgang mit Whyna, bald elend in der Anwesenheit des Königs, dessen Auge stets einen niederschlagenden Einfluss auf seine ganze Umgebung übte. Endlich erhielten wir eines Morgens Befehl zum Antreten, und wurden von einem grossen Haufen umringt, der mit Speeren, Wurfspiessen und Vogelpfeilen bewaffnet war — ich sage Vogelpfeilen, weil diejenigen, welche im Krieg Dienste thun mussten, grössere Stärke besassen. Wir erfuhren nun, dass wir nach einem andern Platz gebracht werden sollten, aber warum dies geschah und wohin man mit uns wollte, konnten wir nicht ausfindig machen. Bald nachher wichen unsere Wächter auseinander, um Whyna Platz zu machen. Sie nahm die Federkrone von meinem Kopf, und die Fesseln von meinem Arm und Beine, worauf sie hinging und sie dem Könige zu Füssen legte. Sie kehrte dann zurück und theilte mir mit, dass ich sammt allen meinen Gefährten frei sei; wenn ich übrigens Lust dazu habe, so sei es mir, aber nur mir allein gestattet, bei ihr zu bleiben.
Anfangs gab ich keine Antwort. Sie bat mich dann in der angelegentlichsten Weise, als ihr Sklave bei ihr zu bleiben; da sie nicht wagen durfte, ihre Gefühle auszudrücken oder ihrer Ueberredungskunst durch Liebkosungen Kraft zu geben, so stampfte