Der Kaperschiffer vor hundert Jahren. Фредерик Марриет

Der Kaperschiffer vor hundert Jahren - Фредерик Марриет


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zum Mahle nieder. Der Kapitän hatte dem Gouverneur versprochen, bei ihm zu speisen, und forderte mich auf, an dem Abschiedsmahle Theil zu nehmen, da wir am andern Morgen aussegeln sollten. Ich hatte lange bei mir erwogen, wie ich mich wohl der Schufte an Bord entledigen könne, wesshalb ich beschloss, mit dem Kapitän an’s Land zu gehen, und dem Gouverneur einen Plan vorzuschlagen. Eine Mittheilung an diesen von dem beabsichtigten Versuche konnte nicht schaden, um so weniger da ich hoffte, er werde uns hülfreiche Hand bieten. Ich begab mich daher in’s Boot, und als wir an’s Land stiegen, sagte ich meinen Leuten, was ich zu thun gedenke. Bei dem Gouverneur angelangt, ersah ich, als der Kapitän eben in einem Buche blätterte, die Gelegenheit, unsern Wirth um einige Augenblicke Gehör zu bitten, und ertheilte ihm sodann Nachricht von dem bestehenden Komplott, indem ich ihm zugleich bedeutete, es dürfte passend sein, gegen den Kapitän nichts davon zu erwähnen, bis Alles in Sicherheit sei. Auf den Plan, den ich ihm vorschlug, ging er auf’s Bereitwilligste ein. Er kehrte nunmehr zu dem noch immer im Lesen begriffenen Kapitän zurück, und sagte ihm, er besitze einen Vorrath von Goldstaub und anderen werthvollen Gegenständen, die er in unserem Schiff nach England zu schicken wünsche; indess sei ihm daran gelegen, dass diess nicht öffentlich geschehe, weil er die Ansicht zu unterhalten wünsche, dass er selbst keinen Handel treibe, der Kapitän möge daher nach Eintritt der Dunkelheit sein Langboot an’s Ufer schicken, und er wolle dann alle die besprochenen Gegenstände mit der betreffenden Weisung, an wen sie bei unserer Ankunft in England abzuliefern wären, an Bord senden. Der Kapitän war dies natürlich zufrieden. Wir verabschiedeten uns etwa eine halbe Stunde vor Einbruch der Nacht von dem Gouverneur und kehrten an Bord zurück. Ich war noch keine paar Minuten auf dem Deck, als ich den zweiten Maten kommen liess, und ihm den angeblichen Vorschlag des Gouverneurs als ein Geheimniss mittheilte, dabei zugleich bemerkend, er werde die Güter, sobald es dunkel sei, vom Lande aus holen müssen; er solle sich aber dabei sehr in Acht nehmen, weil sich ein grosser Vorrath von Goldstaub darunter befinde. Natürlich musste ihm diese Kunde sehr angenehm sein, da der Raub, wenn sie sich des Schiffes bemächtigten, nur vergrössert wurde. Ich erklärte ihm noch weiter, er solle keine Zeit verlieren, und sobald als möglich wieder zurückkehren, damit wir das Langbot noch aufhissen könnten, sintemal die Abreise auf Tagesanbruch festgestellt sei. Gegen acht Uhr ging das Boot mit dem zweiten Maten und den acht Matrosen an’s Land. Der Gouverneur hatte versprochen, sie mit Branntwein so lange hinzuhalten, dass wir Zeit gewännen, uns in Sicherheit zu bringen; sobald wir sie also ausser Seh- und Hörweite hatten, trafen wir alle Vorbereitungen, um Anker zu lichten. Der Kapitän war nach seiner Kajüte hinuntergegangen, aber noch nicht im Bette; ich begab mich desshalb zu ihm, um ihm zu sagen, dass ich oben bleiben wolle, bis das Boot zurückgekehrt, und Alles in Ordnung sei: in der Zwischenzeit wolle ich Alles für die Abfahrt am nächsten Morgen zurecht machen — er könne daher immerhin sein Lager aufsuchen; ich wolle ihn mit Tagesanbruch wecken, damit er mich ablöse. Dieser Vorschlag gefiel ihm; eine halbe Stunde später bemerkte ich, dass sein Licht gelöscht war und er sich zur Ruhe begeben hatte. Es war jetzt so dunkel, dass wir den Sklavenhändler, welcher ungefähr drei Kabellängen von uns entfernt lag, nicht sehen konnten, wesshalb füglicherweise anzunehmen war, dass wir auch von dort aus nicht bemerkt wurden. Ich begab mich daher nach dem Vorderschiff, liess in aller Stille das Ankertau los, und schickte meine Leute auf die Masten, um die Segel zu lösen. Es wehte eine leichte Brise, die zureichte, uns mit einer Geschwindigkeit von ungefähr zwei Knoten durch’s Wasser zu bringen; auch wussten wir, dass sie sich eher steigern, als mindern würde. Trotz unserer schwachen Bemannung waren wir nach einer halben Stunde unter Segel, ohne dass dabei nur ein Wort gesprochen worden wäre. Es lässt sich denken, welche Freude wir Alle hatten, als wir fanden, dass unser Manöver so gut von Statten gegangen war. Gleichwohl hielten wir einen scharfen Lugaus, um zu sehen, ob der Sklavenhändler unsere Bewegungen bemerkt habe, und uns gefolgt sei. Die Furcht hielt uns fast bis zum Tagesanbruch in steter Unruhe; aber jetzt begann eine starke Brise zu blasen, und wir fühlten, dass wir nun nichts mehr zu besorgen hatten. Um die Zeit der Dämmerung standen wir schon vier oder fünf Seemeilen von unserem Ankergrunde und konnten nun nichts mehr von den niedrigen Masten des Sklavenhändlers sehen, der sich noch immer an der Stelle befand, wo wir ihn verlassen hatten.

      Ueberzeugt, dass wir jetzt in Sicherheit waren, begab ich mich zum Kapitän hinunter, der noch im Bett lag, und theilte ihm das Vorgefallene mit. Die ganze Sache kam ihm wie ein Erwachen aus einem Traume vor; er stand ohne Erwiederung auf und eilte nach dem Deck. Als er fand, dass wir unter Segel und soweit vom Lande ab waren, rief er:

      „Es muss Alles wahr sein; aber wie ist’s möglich, das Schiff mit so geringer Bemannung nach Hause zu bringen?“

      Ich entgegnete, dass ich um desswillen unbesorgt sei; ich stehe dafür, dass das Schiff wohlbehalten in Liverpool anlange.

      „Aber wie kommt’s,“ sagte er endlich, „dass ich von alledem nichts erfahren habe? Ich hätte mit den Leuten wohl in’s Reine kommen wollen.“

      „Wenn Ihr diess versucht hättet, Sir, so wäre das Schiff augenblicklich genommen worden.“

      „Warum ist mir nicht Meldung gemacht worden, frage ich?“ ergriff er abermals das Wort.

      Ich war inzwischen mit mir in’s Reine gekommen, welche Antwort ich ihm geben könne, und erwiederte daher:

      „Weil es Euch eine schwere Verantwortung hätte auf die Schulter wälzen können, wenn Ihr als Kapitän dieses Schiffes mit einem so werthvollen Kargo und so schwacher Bemannung nach England ausgesegelt wäret. Der Gouverneur und ich, wir Beide wollten Euch eine so verfängliche Lage ersparen, und hielten es daher für besser, von allen Vorfallenheiten gegen Euch zu schweigen. Läuft bei der Sache irgend etwas schlecht ab, so lastet die Schuld nicht auf Euch, sondern auf mir, und der Eigenthümer kann Euch keinen Vorwurf machen.“

      Auf diese Bemerkung hin blieb der Kapitän eine Weile stumm und sagte sodann:

      „Nun, ich glaube, es ist schon recht so, und ich bin sowohl Euch als dem Gouverneur für die gute Absicht dankbar.“

      Nachdem ich diese kleine Schwierigkeit vollends überwunden hatte, focht mich nichts weiter mehr an. Wir breiteten also unsere Segel aus, steuerten heimwärts und langten nach einer schnellen Fahrt, während welcher wir Tag und Nacht auf dem Deck waren, in hohem Grade erschöpft zu Liverpool an. Natürlich theilte der Kapitän dem Eigenthümer alles Vorgefallene mit, und dieser liess mich sogleich rufen. Nachdem er meine Darstellung der Geschichte vernommen, drückte er mir seinen Dank für die Erhaltung des Schiffes aus und beschenkte zum Beweise, dass es ihm Ernst damit sei, mich mit fünfzig Guineen, während er jedem der Matrosen zehn auszahlen liess. Die Ladung war bald am Lande, und ich konnte jetzt wieder über meine Zeit verfügen. Im Hafen fand ich den Kapitän Levee, der eben erst von einem neuen Kreuzzuge zurückgekehrt war und eine reiche Prise eingebracht hatte. Er kam mir mit derselben Herzlichkeit wie früher entgegen, und erkundigte sich eines Weiteren bei mir nach dem Vorfalle am Senegal, von welchem er bereits durch den Schiffseigenthümer gehört hatte. Als ich ihm meine Geschichte mitgetheilt hatte, sagte er:

      „Ihr seid ein Bursche nach meinem Herzen, und ich wollte, wir segelten miteinander. Ein erster Lieutenant, wie Ihr seid, geht mir ab, und wenn Ihr mich begleiten wollt, so sprecht Euch unverholen aus. Freilich wird man mir Schwierigkeiten machen, aber ich will Euch haben.“

      Ich entgegnete, dass es mir nicht sonderlich darum zu thun sei, wieder auf einen Kaper zu kommen, und dies führte zu einer Besprechung der Ereignisse, die ich erlebt hatte, als ich mit Kapitän Weatherall an Bord der Rache war.

      „Na,“ sagte er endlich, „Alles diess steigert nur meinen Wunsch, Euch bei mir zu haben. Ich liebe ein ehrliches Gefecht, und das Buccaniren ist mir wie Euch verhasst. Indess können wir ein andermal darüber sprechen. Ich bin im Begriff, nach London aufzubrechen. Was sagt Ihr dazu — wollt Ihr mit? wir können dort einigen Spass haben. Mit gutgefüllter Tasche lässt sich in London Alles anfangen.“

      „Ja wohl,“ entgegnete ich, „wer nur erst die gutgefüllte Tasche hätte.“

      „Dies macht keinen Unterschied; meines Wissens ist das Geld doch zu nichts nütze, als zum Ausgeben,“ erwiederte Kapitän Levee. „Ich habe hinreichend für uns Beide, und meine Börse steht Euch zu Dienst. Nehmt daraus, so viel Ihr wollt, ohne zu zählen, denn ich bin Euer Feind, wenn


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