Jäger der Finsternis. Rhya Wulf
sich auf einen umgestürzten Baum und seufzte enttäuscht. Aber was hatte sie erwartet? Dass es so einfach werden würde? Wohl kaum. Das hätte sie sich nach Laoghaires Worten auch denken können.
Eboric stemmte die Fäuste in die Hüften und baute sich vor ihr auf.
„So und was nun?“, schnappte er. „Hier kommen wir nie mehr raus, verdammt. Dieser verfluchte Wald! Was soll das alles überhaupt? Ich wollte hier ohnehin nichts, nur du, du musstest ja hier herumlaufen, um diesen blöden Zauberer zu suchen. Und was ist nun? Wir haben uns verirrt und dein grandioser Zauberer hilft uns nicht. Wozu ist der denn dann überhaupt gut?“ Bevor Niam antworten konnte zischte er:
„Und was ist mit dir, du…du Halbfee. Zaubere uns doch hier heraus, oder kannst du so etwas nicht?“
Niam sprang auf und funkelte ihn wütend an.
„Nein, kann ich nicht und wenn, würde ich dich nicht mitnehmen. Meinetwegen könntest du hier verrotten!“
„Oh ja? Aber da du das ja gar nicht kannst, scheidet das wohl aus, wie? War wohl nichts! Tja und der alte Fettsack zeigt sich nicht mal dir. Obwohl du doch so besessen von ihm bist, bist du wohl nicht wichtig genug für ihn, hm?“
Da schossen Niam die Tränen in die Augen. Vor Wut und vor Enttäuschung, denn Eboric hatte genau das ausgesprochen, was sie insgeheim befürchtete, sich aber nicht eingestehen wollte.
„Oohhh“, machte Eboric höhnisch, „jetzt heult sie, die Ärmste.“ Er begann, laut zu lachen und es klang sehr triumphierend.
Und auch jetzt geschah - nichts. Gar nichts.
„Ach, lass mich doch in Ruhe“, zischte Niam und drehte sich von Eboric weg.
Der Zauberer runzelte die Stirn. Er konnte sich nicht dagegen wehren, aber die Kleine tat ihm irgendwie leid.
Er beobachtete das Ganze eine Weile, dann griff er nach dem Trinkschlauch und ließ nachdenklich einige Schlucke Met in sich hineinlaufen.
„Bedenke, wie viel du trinkst, ich bin schließlich nicht dein Aufpasser“, hörte er eine wohlbekannte Stimme neben sich. Der Zauberer drehte den Kopf und musterte den Mann, der jetzt neben ihm stand, ohne jegliche Überraschung. Der andere verschränkte die Arme vor der Brust und hob vielsagend eine Braue. Beide standen auf einer kleinen Anhöhe und unter ihnen befanden sich die beiden Streithähne. Wann und wie sich der Zauberer dort hinbewegt hatte, konnte nicht festgestellt werden.
„Ach nein?“, antwortete Cathbad mit hochgezogener Braue und völlig ungerührt. „Wie kommt es dann, dass ich genau diesen Eindruck einfach nicht loswerde?“
Aengus grinste und sagte mit sichtlichem Vergnügen das Thema wechselnd:
„Hm? Wirst du auf deine alten Tage etwa sentimental, oder wie? Sieh mal an.“ Und nach kurzer Überlegung fügte er lauernd hinzu:
„Ganz schön frech, der kleine Eboric. Willst du das einfach so hinnehmen?“
Der Zauberer hob eine Braue und ein Mundwinkel zuckte kurz.
„Nun. Alt, versoffen, fett. Entspricht alles der Wahrheit. Und kann mich daher auch nicht beleidigen.“
Aengus nickte.
„Wo du Recht hast, hast du Recht. Aber was viel wichtiger ist: Was wirst du nun unternehmen, davon“, und mit diesen Worten deutete er auf den Trinkschlauch, „mal abgesehen?“, fragte er den Kopf leicht schiefgelegt.
Der Zauberer wandte den Blick der Szenerie unter sich zu. Ein höhnisch lachender Junge, ein weinendes kleines Mädchen. Ja, es stimmte, sie tat ihm leid. Er wusste von ihrer Faszination seine Person betreffend und gleichzeitig war ihm klar, dass ihr Wunsch sich nicht erfüllen konnte und durfte.
„Sie können nicht bleiben, auch die Kleine nicht“, antwortete er mit harter Stimme, „und das weißt du. Und nun ist Schluss mit diesem Theater. Ich beende es.“
Aengus seufzte.
Nun gut. Aber denk nicht, dass das schon das Ende war.
Niam schluckte. Blöder Eboric! Aber es stimmte ja: Wo war der Zauberer denn nur? Vielleicht wollte er sie gar nicht sehen und, wenn Niam so darüber nachdachte, warum sollte er auch. Wer war sie denn schon? Nur weil sie sich einbildete, da wäre eine Verbindung zwischen ihnen? Aber…was, wenn doch? Sie wusste es nicht, war im Moment zu wütend, enttäuscht und traurig gleichzeitig und wollte eigentlich nur noch nach Hause. Sie schniefte und war gerade im Begriff, einfach loszurennen, als Wind aufkam, plötzlich und unvermittelt. Niam riss überrascht die Augen auf und sah sich hektisch um. Dies tat auch Eboric, der langsam nervös wurde.
Beide erschraken beinah zu Tode, als der Zauberer von einem Moment auf den anderen direkt vor ihnen aufragte. Er hatte die Kapuze abgestreift und beide konnten sein markantes Gesicht mit den seltsamen Augen und der furchtbaren Narbe, die sich von der Stirn bis kurz unter das rechte Auge zog, sehen. Viele Falten hatten sich über die Jahre voller Kämpfe in dieses Gesicht gegraben und ließen es düsterer und ihn dadurch älter als seine tatsächlichen Jahre wirken. Er starrte die beiden Übeltäter so finster und unheilverkündend an, dass Eboric zurücktaumelte, über eine Wurzel stolperte und unsanft auf dem Hosenboden landete. Niam blickte den Zauberer derweil mit offenem Mund an. Púca hatte sich auf den Boden geworfen und beide Vorderläufe über den Kopf gezogen - nur für den Fall. Cathbads Blick streifte das Reh und er musste sich kurz sammeln, um bei diesem merkwürdigen Anblick nicht laut loszulachen.
Sein Blick wanderte zurück zu den Kindern und blieb an Eboric haften. Der versuchte, halb kriechend, halb laufend, irgendwie hier wegzukommen.
Der Zauberer machte eine Handbewegung, so als wolle er etwas verscheuchen und da teilte sich der Wald. Eine breite Schneise wurde sichtbar und das Ende des Waldes war zu erkennen. Seltsam lautlos war dies passiert und es ging so schnell, dass niemand sagen konnte, wann die Veränderung eingetreten war.
„Raus mit euch!“, grollte er. Das ließ Eboric sich nicht zweimal sagen! Er sprang auf und floh, Niam war ihm egal; die musste alleine klarkommen. Nur raus und weg hier!
Niam vergaß ihre Tränen und Eboric augenblicklich. Sie konnte den Blick nicht von dem Zauberer lösen und sah ihn unverwandt an, bis ihr einfiel, dass das sehr unhöflich war. Gerade wollte sie etwas sagen, als er ihr mit einer energischen Handbewegung den Mund verbat.
„Das gilt auch für dich, Mädchen, hast du mich verstanden?“ Es klang, als müsse er sich sehr beherrschen. Niam schluckte und trat unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. Cathbads Wangenknochen mahlten, als er das sah.
„Raus!“, brüllte er unvermittelt und Niam erschrak. Sie sah ihn entsetzt an, erstarrte für eine gefühlte Ewigkeit und dann drehte sich um und rannte los. Dicht gefolgt von Púca rannte sie und blieb erst stehen, als sie völlig außer Puste war. Dann drehte sie sich traurig um. Hinter ihr lag der Wald, still und dunkel.
„Mach dir nichts draus“, hörte sie Púcas tröstende Stimme. „War doch eigentlich klar, dass das nicht so einfach wird, oder?“
Niam ließ den Kopf hängen und schniefte.
„Ja“, antwortete sie leise, „aber irgendwie…ach ich weiß auch nicht“, schloss sie verdrossen.
„Du dachtest, er würde für dich eine Ausnahme machen, wie?“
„Mhm“, sie nickte.
„Ach komm: Sei nicht traurig! Versuchst du es halt morgen wieder. Ich begleite dich, was sagst du?“ Púca, immer noch als Reh getarnt, stupste Niam mit dem Kopf an und trippelte aufgeregt vor ihr auf und ab.
„Mhm…ach, du hast doch gehört, wie er war! Das ist so…so gemein! Und ungerecht!“
Púca tänzelte einmal um sie herum und meinte:
„Kann sein, aber du hast was vergessen: Er hat euch hinaus gescheucht, stimmt. Aber er hat nicht gesagt, dass du nicht wiederkommen darfst! Und dass das ausgerechnet von mir kommt, will was heißen! Du kennst ja meine Meinung. Aber für dich mache ich eine Ausnahme. Komm, lach wieder! Wir zusammen,