Jäger der Finsternis. Rhya Wulf

Jäger der Finsternis - Rhya Wulf


Скачать книгу
durften, hatte er tatsächlich nicht gesagt.

      Ja, das nennt man dann wohl Logik, nicht wahr? Wir können uns vorstellen, dass der Zauberer das vermutlich etwas anders sehen wird, aber Niam hatte jetzt immerhin ihren Ausweg.

      Also blickte sie auf und nickte. Dann umarmte sie das Reh.

      „Danke, Púca“, sagte sie erleichtert.

      Das Reh winkte ab.

      „Wozu hat man Freunde?“

      Niam nickte nochmals und dachte abermals nach. Das Wichtigste war: Es war immer noch da, dieses merkwürdige Gefühl, was sie fest daran glauben ließ, dass es da etwas zwischen ihr und dem Zauberer geben musste.

      Mit diesen Gedanken flitzten Niam und Púca nach Hause, wo er wieder seine hier übliche Erscheinung als großer schwarzer Wolfshund einnahm.

      Oder was habt ihr gedacht, wer der große schwarze Wolfshund sein könnte, mit dem Fearghas in der Schmiede gesprochen hat?

      Es war Abend geworden und die Sonne würde bald untergehen. Ihren Eltern würde Niam aber nicht verraten, wo sie heute war, das hätte nur Ärger gegeben. Nein, das musste ihr Geheimnis bleiben. Was ihr dabei entging, war natürlich, dass Laoghaire ihre Eltern aufgesucht und ihnen Bescheid gegeben hatte. Und nun warteten die zwei darauf, dass Niam freiwillig ihren denkwürdigen Ausflug beichtete, was sie allerdings nicht tat. Daher meinte ihre Mutter, während sie den Inhalt des Kessels über dem Herdfeuer kritisch beäugte:

      „Wir wissen, wo du heute warst, Kobold. Laoghaire hat es uns erzählt und auch, dass er es billigt. Also keine Sorge, du bekommst keinen Ärger.“ Da blieb Niam der Mund offenstehen und misstrauisch huschte ihr Blick von ihrer Mutter zu ihrem Vater, der am langen Tisch saß und breit grinste. Und ihr nun gutmütig zuzwinkerte.

      „Wenn Laoghaire es erlaubt, muss es in Ordnung sein. Nimm nur immer Púca mit“, sagte er und wies mit dem Kopf auf den schwarzen Wolfshund. Púca, der sich auf Niams Bett räkelte, sah jetzt auf und nickte eifrig. Da erhellte sich Niams Gesicht. Sie schoss los und umarmte ihren Vater. Der lachte leise, gab ihr einen kleinen Klaps auf das Hinterteil und reichte sie weiter zu Aíne, die sich auf diese Weise auch ihre Umarmung abholte.

      „Danke!“, rief die Kleine glücklich und dachte: Jetzt konnte es ja nur noch klappen! Ganz sicher!

Kapitel 5

      Niam hatte beschlossen, dass sie es wissen wollte. Sie würde dem Zauberer so lange auf die Nerven gehen, bis er sie angehört hätte. Er würde ihr nichts Böses tun, das wusste sie genau und diese Tatsache wollte sie ausnutzen. Sie fand, dass sie so eine gemeine Behandlung nicht verdient hatte und würde es ihm schon zeigen!

      Bedauerlicherweise machte ihr ihre Mutter einen Strich durch die Rechnung. Sie verlangte von Niam, mit ihr an irgendeinem Wandbehang, oder was auch immer - Niam war es gleich - zu weben. Sie wusste, dass sie diverse Fertigkeiten, wie Weben, Nähen, Kochen und dergleichen mehr, brauchte, aber klar war auch, dass sich Niams Talent dafür als einigermaßen überschaubar herausstellte. Das Einzige, was sie wirklich mochte, war, etwas über Heilkunde zu erfahren und zu kochen. Beides war sich ähnlich, bei beidem konnte man Tränke brauen und verschiedene Zutaten aufeinander abstimmen. Das gefiel Niam recht gut, vor allem, weil ihrer Ansicht nach am Ende etwas wirklich Sinnvolles dabei herauskam. Einen Wandbehang zu weben, fand sie hingegen weniger sinnvoll. Kleidung lag ihr schon eher, aber auch nur als notwendiges Übel.

      Die nächsten drei Tage verbrachte sie also zu Hause, was ihr gar nicht schmeckte. Und endlich, endlich am vierten Tag ließ Aíne sie vom Haken. Niam hatte die Zeit allerdings nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Nachdenken genutzt. Und Letzteres gründlich. Sie war zu dem Entschluss gekommen, dass blindlings in den Wald zu rennen, womöglich doch nicht die beste Idee wäre. Denn das Letzte, was sie wollte, war es, den Zauberer noch mehr zu verärgern als ohnehin schon. Einfach nur abwarten wollte sie allerdings auch nicht. Letztlich lief es darauf hinaus: Niam hatte nicht die leistete Ahnung, wie sie jetzt weiter vorgehen konnte. Und während sie den fertigen Wandbehang kritisch musterte - er zeigte zwei Einhörner an einem idyllischen See inmitten eines prächtigen Waldes - kam ihr eine Idee: Sie würde zu Laoghaire gehen und noch einmal mit ihm reden. Er hatte ihr doch ausdrücklich erlaubt, zu Cathbad zu gehen und er hatte so nette Dinge über ihn gesagt, was Niam wirklich sehr gefreut hatte. Deshalb hatte sie beschlossen, Laoghaire gern zu haben.

      Was auch nicht sonderlich schwer war. Ebenso gut hätte man versuchen können, blauen Himmel oder Sonnenschein abzulehnen. Und in Niams Fall kam noch hinzu, dass sie sowieso und automatisch jeden mochte, der ihren Liebling leiden konnte.

      Außerdem hatte sie den jungen Priester zu ihrem Verbündeten erklärt. Sehr zufrieden mit ihrer Idee, fragte sie ihre Eltern nach der Erlaubnis, ihn besuchen zu dürfen, was ihr beide natürlich nicht verwehrten. Also lief sie los und kurz darauf war Laoghaires Haus in Sichtweite. Wieder war das Glück auf ihrer Seite, denn er war zu Hause. Rauch kringelte sich durch die Öffnung im Dach und sogar die Tür stand offen, wie Niam beim Näherkommen feststellte. Vor lauter Vorfreude auf bestimmt unheimlich interessante Geschichten über den Zauberer schlug ihr Herz schneller, aber sie beherrschte sich und klopfte etwas zaghaft an die Tür.

      „Tritt ein, Kobold", hörte sie daraufhin die sanfte Stimme des Priesters. Niam folgte der Aufforderung und sah sich im Inneren des Hauses verstohlen und neugierig um. Sie hatte noch nie zuvor das Haus des jungen Druiden allein betreten und war dementsprechend nervös. Laoghaire sah ihr schmunzelnd entgegen. Das konnte sie deshalb so genau sehen, weil nicht nur das Herdfeuer Licht spendete, auch durch zwei schmale Fenster links und rechts neben der Tür fiel Tageslicht. Zudem brannten überall kleinere und größere Talglampen, sodass der Innenraum recht gut ausgeleuchtet war.

      „Nur zu, Kobold, sieh dich ruhig um. Ich habe nichts dagegen. Ich kann mir vorstellen, dass dies aufregend für dich sein dürfte, aber komm dabei auch näher." Der junge Priester stand am Feuer und hatte bis eben in einem Kessel gerührt, aus dem es eigentümlich roch. Im hinteren Teil des Raumes gab es eine Bettstatt, ausgelegt mit Fellen und wollenen Decken. In der Mitte des Hauses loderte das Herdfeuer und an den Wänden links und rechts daneben gab es etliche Gebrauchsgegenstände, sauber in Regalen aufgestellt: Schüsseln, Krüge, Töpfe. Einige Phiolen standen dort ebenfalls sorgfältig aufgereiht herum. Von der Decke hingen gebündelte Kräuter, teils frisch, teils getrocknet, sowie zum Räuchern über dem Feuer platzierte Fleischstücke und Fische. Im Vordergrund stand ein langer, dunkler Tisch gesäumt von zwei schlichten Bänken sowie zwei Stühlen am Kopf- und Fußende. Alle Sitzmöbel waren mit Fellen belegt. Niam kam etwas zutraulicher näher und stellte sich neben Laoghaire an das Feuer. Sie schnupperte und stellte fest:

      „Bäh!" Laoghaire lachte leise und erwiderte:

      „Sehe ich auch so." Die Kleine stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen Blick in das kochende Innere des Kessels zu erhaschen.

      „Was wird das, Laoghaire? Irgendein geheimnisvoller Zaubertrank vielleicht?“ Der junge Mann grinste breit.

      „Ich wünschte, ich könnte das bestätigen, aber in Wahrheit sollte das mein Mittagessen werden. Ist allerdings gründlich missglückt, würde ich sagen", schloss er mit kritischem Blick in den Kessel. Dann zwinkerte er Niam zu und langte in ein Fass, das an der linken Wand stand. Er warf Ihr einen großen, roten Apfel zu, den sie reflexartig mit beiden Händen fing.

      „Macht nichts, dann essen wir eben das hier", erklärte er gut gelaunt und biss in sein Exemplar. Nachdem der erste Bissen vertilgt war, fragte er:

      „Und was führt dich wohl zu mir? Warte, lass mich raten, ich denke, ich habe da so eine Ahnung. Der Zauberer?" Mit diesen Worten ging er zum langen Tisch und setzte sich auf den Stuhl am Kopfende. Er klopfte einladend auf die Bank zu seiner Rechten und Niam kletterte hinauf.

      „Ja, genau", erklärte sie, „Laoghaire ich brauche deine Hilfe. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll, damit er mich wenigstens einmal anhört." Es klang etwas traurig und der junge Priester nickte verständnisvoll.

      „Nun. Er ist schwierig, das sagte ich dir ja. Leider. Wenn du mich nun fragst, was du machen sollst, kann ich dir auch nichts anderes


Скачать книгу