DAS ALIEN TANZT WALZER. Группа авторов

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Bekannter war emsig damit beschäftigt, die Rhododendren im Vorgarten zu gießen.

      »Guten Morgen«, grüßte Hoffbauer und nippte am Becher. »In diesem Sommer scheint zeitiges Gießen angebracht.«

      Gähringer hielt inne und kam zum Zaun. »Guten Morgen, Professor. Die Hitze ist das Eine. Etwas Anderes, worüber Sie sich als Astronom ohne Garten nicht zu sorgen brauchen, bereitet mir erheblich mehr Kopfschmerzen: Ich habe ein Schneckenproblem.«

      Hoffbauer verschluckte sich an seinem Kaffee. »Verdammte Schnecken!«, japste er.

      »Genau! Als Tierfreund scheue ich mich jedoch, diesen Kreaturen ein Leid anzutun. Schließlich wollen die auch nur leben und schätzen meinen Salat sehr, was man ja auch als Kompliment verstehen kann. Daher habe ich mich zum Einsatz von Bierfallen entschlossen.«

      »Bierfallen?«, fragte der Professor. Seine Neugier war geweckt. »Erklären Sie mir das bitte.«

      »Nun ja, ich stelle im Garten mit Bier gefüllte Untertassen auf. Die Schnecken werden daraufhin vom Malzgeruch angelockt. Sie lassen den Salat links liegen und genehmigen sich lieber, was man ihnen nicht verdenken soll, einige kräftige Schlucke vom kühlen Nass. Daraufhin kann ich die kleinen Trinker absammeln und im hohen Bogen über den Zaun auf die gegenüberliegende Kuhwiese befördern. So ein Rauswurf ist doch humaner als sie umzubringen, oder?«

      Der Professor schwieg. Während er am Spitzbart zwirbelte, klebte sein Blick an einer der Untertassen. Plötzlich schnippte er mit dem Finger, drückte dem verdutzten Hobbygärtner lächelnd seine Brötchentüte in die Hand und lief winkend einem vorbeifahrenden Taxi hinterher.

      Elf Monate nach dem Dialog am Gartenzaun würde das Satellitenprojekt »Sonnenspiegel« heute zum Abschluss kommen und dabei über nichts Geringeres als den Fortbestand der menschlichen Zivilisation entscheiden. Aus diesem Grund tagte der Globalrat im großen Konferenzraum des »Lagezentrums Energieerzeugung« in geheimer Sitzung. Der Konferenzraum war in Form einer Muschel errichtet worden und verfügte über stufenförmig angelegte Sitzreihen. Er glich damit einem Kinosaal, nicht zuletzt, da in gespannter Stille mehrere Hundert Augenpaare erwartungsvoll auf die noch schwarze Leinwand an dessen Stirnseite starrten.

      Endlich begann die Direktübertragung vom Erdorbit. Eine gigantische Metallkonstruktion von der Größe Australiens schob sich langsam ins Bild. Sie sah einem Suppenteller äußerst ähnlich und funkelte im Sonnenlicht wie blank poliertes Tafelsilber.

      Schnellen Schrittes betrat Professor Hoffbauer die Bühne, ging zum Rednerpult und grüßte die Anwesenden mit einer angedeuteten Verbeugung.

      »Meine Damen und Herren, in ungefähr zwanzig Minuten wird Gastropoda galactica – genannt Podi – den Orbit erreichen.« Ein aufgeregtes Murmeln ging durch die Reihen, schwoll an und brandete schließlich gegen die Bühne.

      Der Professor räusperte sich vernehmlich. Im Saal kehrte wieder Ruhe ein.

      »Das offiziell als ›Sonnenspiegel‹ bezeichnete Satellitenprojekt, welches in einer beispiellosen Kraftanstrengung aller Staaten aus der Taufe gehoben wurde, wird uns nicht nur vor Podi schützen. Nein, von Beginn an verdeckte die Konstruktion durch ihre schiere Größe den Blick auf die Weltraumschnecke, sodass sie privaten Astronomen – und damit auch der Öffentlichkeit – bis heute verborgen blieb.«

      Das Bekanntwerden der herankriechenden Gefahr, sinnierte Hoffbauer, hätte zu einer globalen Massenpanik mit unabsehbaren Folgen geführt. Zumindest darin waren sich alle Verantwortlichen von Anfang an einig. Die Einigkeit stellte letztlich das Gelingen des Geheimprojekts sicher. Der gemeinsame Wille, die Menschheit vor der außerirdischen Bedrohung zu retten, führte zum Ende der Kriege auf Erden sowie zur Aussöhnung aller Nationen. Nebenbei beförderte der damit einhergehende Pazifismus die von Hoffbauer entwickelte, nicht letale Schneckenabwehr. Vertreter des Militärs waren deshalb zur heutigen Sitzung nicht geladen (sie wurden auch von niemandem vermisst).

      »Meine Damen und Herren«, setzte der Professor erneut an. Er strahlte Zuversicht aus, während er das auf der Leinwand dargebotene Geschehen kommentierte. »Podi hat nicht nur den Annäherungsvektor geändert, sondern auch ihre Geschwindigkeit deutlich gesteigert. Sie scheint den Lockstoff zu wittern und hält nun direkt auf den Sonnenspiegel zu.« Wie die Schnecke im luftleeren Raum riechen, geschweige denn kriechen konnte, war nach wie vor ein Mysterium.

      Ebenso wie die übrigen Zuschauer folgte Hoffbauer dem dargebotenen Schauspiel. Inzwischen hatte Podi den Sonnenspiegel erreicht und dessen Energieschild durchbrochen. Ohne den Schild wäre der in die Wölbung des Spiegels eingelagerte, mehrere Millionen Hektoliter umfassende Lockstoff längst in den Weltraum abgedriftet (es hatte Monate gedauert, diesen mithilfe eines flexiblen, von schwäbischen Tüftlern erdachten Rohrsystems direkt in den Orbit zu pumpen). Podi begann, zunächst bedächtig, doch schon nach wenigen Schlucken mit wachsender Begeisterung, den Lockstoff zu schlürfen: ein im Laufe des vergangenen Jahres weltweit in Sonderschichten gebrautes Starkbier nach bayerischer Rezeptur.

      Als die Schnecke mit einem aufgrund des Vakuums unhörbaren, aber deutlich zu erkennenden Rülpsen das flüssige Mahl beendet hatte, trat die zweite Phase des Satellitenprojekts – im wahrsten Sinne des Wortes – schlagartig in Kraft: Ein riesiger, wie ein Teppichklopfer geformter Schläger löste sich vom Rand des Sonnenspiegels und verpasste der sichtlich angetrunkenen Schnecke einen Hieb, der sie in Richtung Milchstraße katapultierte. Vom Alkohol betäubt schwebte Podi davon, wobei einige Beobachter einen glücklich verklärten Gesichtsausdruck wahrzunehmen glaubten. Der Rauschzustand der Schnecke hielt an, bis sie schließlich den Sichtbereich der Teleskope verlassen hatte.

      Nachdem die Gefahr mithilfe der orbitalen Bierfalle gebannt war, wurden sämtliche an der Konstruktion beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure – allen voran Professor Hoffbauer und dessen Assistent – von den Mitgliedern des Globalrats ausgiebig gefeiert. Beim Abschluss einer im Geheimen durchgeführten Ehrenreise von einem Kontinent zum anderen waren die beiden Wissenschaftler mit Orden und Auszeichnungen behängt wie eine Kuhherde beim Almabtrieb. Zudem durfte sich Hoffbauer über Forschungszuschüsse von zahlreichen Brauereien freuen, denn das zur Schneckenabwehr verwendete Starkbier erzielte – unter dem Markennamen »Podiator« – kontinuierlich steigende Absatzzahlen.

      Ein Jahr später

      Nach der Rückkehr von einem längeren Forschungsaufenthalt in Mittelamerika beging Professor Hoffbauer sein übliches Samstagmorgenritual, welches mit einem Einkauf in der Bäckerei Semmelmeier begann. Auf dem Nachhauseweg schlenderte er, ausgestattet mit Brötchentüte und Recup-Becher, fröhlich pfeifend am Garten von Herrn Gähringer vorbei.

      »Guten Morgen!«, rief Hoffbauer über den Zaun. »Nochmals vielen Dank für Ihren Tipp mit der Bierfalle.«

      Der Angesprochene grüßte ebenfalls und trat näher.

      »Gern geschehen! Ich habe allerdings noch immer nicht verstanden, wie Ihnen dies als Astronom helfen konnte. Sie sind doch noch nicht einmal Hobbygärtner.«

      »Naja, es hat mir einen kreativen Anstoß gegeben. Wie so eine Art Brainstorming. Sie verstehen?«

      Gähringer nickte zögernd, verstand offensichtlich jedoch gar nichts. Er seufzte lediglich.

      »Immerhin war es für Sie hilfreich. Ich werde die Bierfallen zukünftig nicht mehr aufstellen. Meine Freigiebigkeit scheint sich herumgesprochen zu haben: Die Anzahl der kleinen Trinker ist von Tag zu Tag größer geworden, ebenso wie die damit verbundenen Kollateralschäden. Offenbar haben meine Bierfallen sämtliche Schnecken der Nachbarschaft angelockt.«

      

      Zufrieden ging Hoffbauer die Zwischenergebnisse der aktuellen Forschungsprojekte durch. Unter den Papieren befand sich auch ein Bericht über den Umbau der orbitalen Bierfalle. Deren zwischenzeitlich mit Reflexionsplatten besetzte Rückseite leistete nun tatsächlich als Sonnenspiegel gute Dienste.

      Der Professor tippte noch ein paar Arbeitsaufträge für sein Team in den Rechner und begab sich anschließend zur Garderobe. Es war Zeit, Feierabend zu machen und sich auf das Wochenende zu


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