Vergiftete Hoffnung. Mara Pfeiffer

Vergiftete Hoffnung - Mara Pfeiffer


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      Mara Pfeiffer

      Vergiftete Hoffnung

      Mainz 05-Krimi

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      Alle Rechte vorbehalten · Societäts-Verlag

      © 2020 Frankfurter Societäts-Medien GmbH

      Satz: Julia Desch, Societäts-Verlag

      Umschlaggestaltung: Julia Desch, Societäts-Verlag

      Umschlagabbildung: Koonsiri – stock.adobe.com

      E-Book: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt

      ISBN 978-3-95542-397-1

      Besuchen Sie uns im Internet:

      www.societaets-verlag.de

      Für Isa.

      Beste, Prinzessin, Bitch.

      Die Hollywoodschaukel wartet.

      … und für Migo & Sol.

      Kapitel 1

      Jo öffnet langsam die Augen. Für einen Moment weiß sie nicht, wo sie sich befindet. Schläfrig dreht sie im stickigen Halbdunkel den Kopf zur Seite und nimmt den warmen Körper neben ihrem wahr. Sie lächelt und betrachtet den schlafenden Mann. Sein Atem geht ruhig und die Augen, über deren Farbe sie sich nicht ganz klar ist – grün oder doch ocker mit einem leichten Einschlag braun – sind geschlossen. Beim Gedanken an seine Blicke aus diesen Augen kribbelt es in Jos Magengegend. Sie seufzt leise und widersteht dem Bedürfnis, mit sanften Bewegungen die geschlossenen Lider nachzufahren. Vorsichtig dreht sie sich wieder auf den Rücken und betrachtet die länglichen Risse in der Decke. Die Luft im „Zimmer ohne Wetter“, wie sie ihre Unterkunft getauft haben, ist schlecht, aber das stört Jo nicht. Es gibt gerade ohnehin nichts, was sie stört, sie fühlt sich so entspannt und ausgeglichen wie lange nicht.

      Es ist ihre Blase, die sie schließlich doch aus dem Bett treibt. Jo schafft es, die Tür zum Badezimmer ohne Quietschen hinter sich zu schließen und lässt sich auf der Klobrille nieder. Das Hotel ist klein und die Zimmer sind extrem einfach, aber sauber. Das allein zählt, damit sie sich wohlfühlen kann. Das Fenster neben ihr steht leicht offen, doch draußen ist nichts zu sehen als die nächste Wand, die so nah ist, dass Jo sie berühren kann, wenn sie den Arm aus dem Fenster streckt. Alle Zimmer auf dieser Seite des Hotels öffnen zu einem hohen, schmalen Schacht, in den kein Tageslicht fällt. In den anderen Stockwerken des Gebäudes, in dessen Treppenhaus es muffig riecht, befinden sich Wohnungen, lediglich hier auf der zweiten Etage sind einige Hotelzimmer. Das Frühstück können Gäste in einem deutlich größeren, moderneren Hotel zwei Straßen weiter einnehmen, doch sie beide haben sich dagegen entschieden und suchen lieber jeden Morgen ein neues Café in der Altstadt. Wobei Morgen in diesem Fall ein dehnbarer Begriff ist, denn so lange wie zuletzt hat Jo ewig nicht in den Tag hineingeschlafen. Auch jetzt ist es bereits nach zwölf.

      Als sie aus dem Badezimmer zurückschleicht, fühlt Jo sich richtig beschwingt. Sie schlüpft lautlos unter die Decke und dreht sich wieder auf die Seite. Ein Blick aus den eben noch geschlossenen Augen streift sie zärtlich und Jos Herz macht einen Sprung. Wie so eine Teenagerin, denkt sie und lächelt.

      „Hey. Hast du gut geschlafen?“

      Nicken.

      „Hunger?“

      „Ja, auf dich.“

      Er grinst, Jo muss kichern, dann wird sie ernst.

      „Heute ist unser letzter Tag.“

      „Du meinst, danach hören wir auf zu existieren?“

      „Nein, aber wir müssen zurück nach Hause.“

      „Wir können gerne in Barcelona leben. Aber ich warne dich, mein Spanisch ist wirklich schlecht und vielleicht bringe ich einen Ochsen vom Markt mit, wenn du mich Gemüse holen schickst.“

      „Du willst wohl heimlich Fleisch essen.“ Sie grinst.

      „Eher nicht. Und wenn, meinst du nicht, da gibt es unauffälligere Wege, als einen Ochsen mit nach Hause zu bringen?“

      „Vermutlich.“

      „Alles gut?“ Er streicht ihr die Haare aus der plötzlich gefurchten Stirn. Jo ringt sich ein Lächeln ab. „Ja. Bloß ein bisschen traurig, weil unser Urlaub schon vorbei ist. Und ich habe Hunger.“

      „Da du auf meine Krabbeleien bislang nicht reagiert hast, nehme ich an, du meinst: Hunger auf etwas, das dir auf einem Teller und nicht einem Bettlaken serviert wird“, neckt er.

      „Ist das okay?“

      „Klar. Der Tag ist lang und ich kann dich auch später vernaschen.“

      Aus dem Badezimmer ist das Rauschen des Wassers zu hören und Jo öffnet die Tür einen Spalt. „Ich geh schon runter, in dem kleinen Supermarkt gegenüber nach Flip-Flops schauen. Bis gleich.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, schließt sie die Tür und verlässt das Hotelzimmer. Im Flur fällt ihr auf, dass sie ihre Handtasche nicht mitgenommen hat, nur das Smartphone in ihrer Hosentasche. Leise fluchend dreht sie um und läuft zurück in den zweiten Stock. Aus dem Bad dringt nun das Fiepen des kleinen Hotelföhns. Sie muss sich beeilen, wenn sie noch in Ruhe alleine telefonieren möchte. Lautlos zieht sie die Tür hinter sich zu und eilt durchs Treppenhaus nach unten.

      Die Sonne wärmt um diese Uhrzeit schon, dabei ist bereits Oktober. Zuhause liegen die Temperaturen aktuell so um die zehn Grad und die Vorstellung, ab morgen lange Hosen und bald eine Winterjacke zu tragen, schlägt Jo spürbar auf die Laune. Sie läuft ein paar Schritte, bis sie den Supermarkt erreicht hat, geht dann aber nicht hinein, sondern daran vorbei. Im kleinen Hof hinter dem Markt hat sie vor zwei Tagen eine Holzbank entdeckt, auf der sie sich niederlässt und mit zitternden Fingern die vertraute Nummer sucht. Solange sie eintaucht in die wunderbare Atmosphäre dieser Stadt, kann sie alles andere vergessen. Diese Anrufe aber zerstören den Moment, weil sie sich unfassbar mies fühlt und schäbig.

      „Und womit, mit Recht“, murmelt sie hinter vorgehaltener Hand, während die Finger der anderen nervös auf der Bank trommeln. Als das Tuten erklingt, hört Jo ihren Herzschlag derart dröhnend, dass sie fürchtet, gar kein Gespräch führen zu können. Schließlich klackt es in der Leitung und aus weiter Ferne dringt Hans’ Stimme an ihr Ohr.

      „Hallo?“

      „Ich bin’s.“

      „Jo, hi. Was. Habt ihr Mittagspause?“

      Sie schluckt. „Ja, aber gleich vorbei.“

      „Schön, dich zu hören.“

      „Ja.“ Pause. „Dich auch.“

      „Wie läuft es denn? Bist du schon schlauer als vor einer Woche?“

      Sein ehrliches Interesse versetzt ihr einen Stich. „Das. Ja, auf jeden Fall. Die Dozentin ist … toll.“

      „Das freut mich. Und gefällt dir die Bretagne?“

      „Mhm.“

      „Du fehlst uns.“

      „Ja. Wie geht es Luca?“

      „Wir sind gerade zusammen auf dem Markt.“

      „Ist er nicht in der Schule?“

      „Heute ist doch Samstag. Warte, ich gebe ihn dir.“

      „Nein, musst du nicht, ich …“

      „Mama!“

      Jo kann Lucas Strahlen sehen, wenn sie die Augen schließt. Die Sonne steht hoch über ihr am Himmel, aber in diesem Moment ist ihr furchtbar kalt. „Hi, mein Schatz. Wie geht es dir?“

      „Wir machen eine Männerwoche“, erklärt ihr Sohn stolz.

      „Ich weiß.“ Jo flüstert nur noch.

      „Kommst du bald nach Hause? Ich vermisse dich.“ Und fast ein wenig peinlich berührt schiebt er hinterher: „Ein bisschen.“

      Jo


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