DIAGNOSE F. Группа авторов

DIAGNOSE F - Группа авторов


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beim linear vorgehenden Leser keine Langeweile aufkommen zu lassen, haben wir uns gegen das Bündeln von Storys mit ähnlichen Diagnosen entschieden. Die Reihenfolge der hier vorgestellten Storys orientiert sich also nicht an Diagnosen. Für Uli und mich war Abwechslung das wesentliche Sortierkriterium.

      Je nachdem, wie die Anthologie von der Leserschaft aufgenommen wird, planen wir einen Folgeband, in den eventuell hier nicht berücksichtigte Störungsbilder Eingang finden.

      Im Register am Ende des Buches finden Sie bei den betreffenden Geschichten den Diagnoseschlüssel in der in der ICD-10 üblichen F-Codierung (z. B. F42.2). Wo eine diagnostische Zuordnung nicht eindeutig möglich war, finden Sie statt des F-Schlüssels ein das Hauptsymptom beschreibende Wort (z. B. Dermatozoenwahn).

      Michael Tinnefeld

      Essen, im Sommer 2020

      Hinweise zu den diagnostischen Kommentaren

      Hier folgen einige Anmerkungen zum Gebrauch bzw. zur richtigen Lesart der diagnostischen Kommentare.

      Es werden zwar differenzialdiagnostische Überlegungen angestellt, die Kommentare sollen jedoch lediglich, in kursorischer Form, einen Überblick bzw. eine diagnostische Einordnung erlauben. Für Uli, Mario und mich standen und stehen die Storys im Vordergrund, nicht die Diagnostik.

      Deshalb fallen die Kommentare mal kürzer, mal ausführlicher aus. Sie erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzen keinesfalls ein Lehrbuch! Für diejenigen, die sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchten, sei auf entsprechende Fachliteratur verwiesen (siehe weiterführende Literatur zur ICD und zum DSM im Anhang). Eine saubere Diagnostik ist wichtig für die anschließende Therapie. Im ungünstigsten Fall führt eine falsche Diagnose zu einer falschen Behandlung. Diagnostik in der Psychotherapie kann als hypothesengeleitetes Vorgehen verstanden werden, d. h. die Diagnose macht den Therapeuten handlungsfähig, sodass er eine gezielte Behandlung einleiten kann, und gilt so lange, bis in der Therapie etwas eintritt, was zu einer Diagnosenanpassung (und damit auch zu einer Behandlungsanpassung) führt.

      Da es sich ausdrücklich nicht um ein Fach- bzw. Lehrbuch handelt, verzichten wir auf die in Fachbüchern und -journalen üblichen Quellenangaben. Die aus meiner Feder geflossenen diagnostischen Kommentare entstammen jahrelanger praktischer Tätigkeit und Erfahrung als Diplompsychologe und Psychologischer Psychotherapeut.

      Die Kommentare habe ich nach bestem Wissen und Gewissen, mit größtmöglicher Sorgfalt, verfasst. An den wenigen Stellen, an denen ich gezielt in Fachbüchern nachgeschlagen und zitiert habe, habe ich die Quelle direkt im Text benannt.

      Manchmal war das Finden einer oder mehrerer Diagnosen in einer Geschichte einfach, erst recht, wenn der Autor die Diagnosen gleich mitlieferte oder sie in der Story benannt wurden. In anderen Kurzgeschichten war es nicht möglich, eine eindeutige Diagnose zu finden. Hier hätte es eines diagnostischen Interviews des Patienten, also des Protagonisten bedurft, um Informationen über die in der Story gelieferten hinaus zu erhalten. Es liegt in der Natur der Sache, dass dies schlechterdings unmöglich war.

      Manchmal gaben die Autoren im Austausch mit mir diagnostische Hinweise, quasi stellvertretend für ihre Protagonisten, sodass eine diagnostische Zuordnung erleichtert wurde.

      Wie es in einer Science-Fiction-Anthologie nicht anders zu erwarten ist, erzählen einige Geschichten von psychischen Problemen, für die es (noch) keine Diagnose gibt. In diesen Storys muss also die literarische von der psychologisch-psychiatrischen, gegenwärtigen Realität unterschieden werden.

      Das mit Abstand beliebteste Thema bei den an der Ausschreibung teilnehmenden Autoren war die Psychose, bei der die Protagonisten den Bezug zur Realität verlieren. Unter den vorstellbaren psychotischen Symptomen interessierte Autoren besonders der Wahn, vor allem der Verfolgungs- oder Verschwörungswahn – die Paranoia im engeren Sinne.

      Vom Wortursprung her ist Paranoia mit Wahn gleichzusetzen, gleich, welchen Inhalt der Wahn hat. Paranoia stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie »wider den Verstand«, also verrückt oder wahnsinnig. Häufig wird es jedoch, was fachlich nicht korrekt ist, nur bei bestimmten Wahninhalten angewendet, eben bei Verfolgungs- oder Verschwörungswahn (Christian Scharfetter: »Allgemeine Psychopathologie«, Thieme, 2017). Dabei gibt es noch eine Reihe anderer Wahnideen, wie den Beziehungswahn, den Größenwahn, den religiösen Wahn, den Liebes- oder Eifersuchtswahn oder körperbezogene Wahnideen, um nur einige zu nennen.

      Uli und ich haben allein zehn Storys veröffentlicht, die Paranoia in eben dieser auf Verfolgungs- oder Verschwörungswahn reduzierten Bedeutung als Haupt- oder Nebenthema behandeln. Wie bereits im Vorwort erwähnt, haben wir die Reihenfolge der Storys nicht nach Diagnoseschlüsseln ausgewählt. Da in den diagnostischen Kommentaren zu den betreffenden Storys jeweils sich ergänzende Aspekte zu Verfolgungswahn genannt werden, sind im Folgenden diese Erzählungen aufgelistet:

      »Kiss« (Lea Baumgart), »Ghostwriter« (Markus Korb), »Ausgefallen« (Markus Regler), »Bürger 39« (Nora Hein), »Basteleien« (Gerry Rau), »Morgellons Krankheit und Ekboms Irrtum« (Rainer Schorm), »Doktor T.« (Andreas Müller), »Weisheiten« (Maike Braun), »Büchel« (Johann Seidl) und »Paranoia« (Monika Niehaus).

      Insgesamt präsentieren wir sogar vierzehn Kurzgeschichten, die sich mit dem übergeordneten Symptomkomplex Psychose, Wahn, Halluzinationen und Realitätsverlust beschäftigen. Neben den zehn genannten sind das: »Der Fall Häwelmann« und »Folie à deux« (beide von Monika Niehaus), »Ton in Ton« (Ellen Norten) und »Ero(bo)tomanie« (Janika Rehak).

(001) U

      Uli Bendick: Virtul

(001a) - VIRTUL Inserat im Text 160 x160 mm (UB)

      Anzeige in der »E-Sport Times« – Ausgabe 3/2037

      Zarko erwachte im Morgengrauen. Das kleine Feuer war über Nacht heruntergebrannt, und es fröstelte ihn. Aber er fühlte sich erholt und wieder bei Kräften. Die dreitägige Überquerung des Tourong-Gebirges lag hinter ihm. Er musste noch die Schlucht der lebenden Steine durchqueren, dann war er am Ziel: die rostigen Höhlen von Skrill.

      Zarko aß etwas Trockenfleisch, trank einige herzhafte Schlucke aus einem ledernen Wasserbeutel und legte seinen Waffengurt an. Die Blutgier-Klinge links, den Knochenspalter, seine Kampfaxt, rechts. Auf den Rücken schnallte er sich, über den Proviantsack, sein magisch aufgeladenes Runenschild, an dem alle metallischen Waffen zerbrachen.

      »Na dann! Auf geht’s!«

      Beherzt schritt er aus. Er wollte so schnell wie möglich die Schlucht hinter sich bringen. Zarko hatte Gerüchte über lebende Steine gehört, die sich angeblich nicht von ihrer Umgebung unterschieden. Sie seien quasi unsichtbar, und die Mineralien menschlicher Knochen sollten eine Delikatesse für sie sein.

      Zu Beginn war der Weg durch die Schlucht breit, doch er wurde immer schmaler. Rotbraune, steile Felswände säumten den Weg, oft musste er über mannsgroße Felsbrocken steigen. Manchmal glaubte er, aus den Augenwinkeln heraus Bewegungen wahrzunehmen, sicher war er sich allerdings nicht.

      Der Weg bog scharf rechts ab. Zarko verspürte ein Kribbeln im Nacken. Gefahr? Vorsichtig schaute er um die Ecke, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. In zwei- bis dreihundert Metern Entfernung sah er das Ende der Schlucht.

      »Das sollte zu schaffen sein«, freute er sich und legte eine schnellere Gangart ein. Urplötzlich versperrten ihm große Felsen den Weg. Zarko war sich sicher, dass sie eben noch nicht dagewesen waren.

      »Wo kommt ihr denn her?«, rief er verdutzt, aber die Steine reagierten nicht. Er drehte sich um, um ein Stück zurückzugehen, aber auch dort standen diese Steine. Sie kamen im Zeitlupentempo näher.

      »Scheiße!« Zarko war umzingelt. Fieberhaft


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