Revolverhelden auf Klassenfahrt. Hartmut El Kurdi

Revolverhelden auf Klassenfahrt - Hartmut El Kurdi


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Gesten zurück in den Umlauf bringt. Sonst schwächelt die Konjunktur, die Wirtschaft krankt. Folge: Verlust des Wohlstands, gesellschaftliche Destabilisierung, Abendland kopfunter! Asketischer Lebenswandel ist somit Subversion, Sparsamkeit ist Sabotage. Andererseits verherrlichen die gleichen Politiker, die mich zum Konsumieren auffordern, den öffentlichen Geiz. Dann heißt es, der Staat müsse sparen, vorzugsweise an der Kultur und am Sozialen. Da meine Einnahmen als Künst­ler allerdings oft von genau diesen weggesparten Subventionen abhängen, katapultieren sie mich damit in ein klassisches Dilemma. Was soll ich denn dann ausgeben? Das soll mal einer verstehen. Da presse ich doch gleich wieder revolutionäre Seifenklötzchen.

       Backen mit Blutfett

      AM ENDE DES LETZTEN JAHRTAUSENDS veranstaltete ich im niedersächsischen Universitätsstädtchen Hildesheim mehrere Jahre lang einen Literaturwettbewerb, den »Och­tersumer Literaturpreis«. Ochtersum ist ein dörflicher Stadtteil von Hildesheim, in dem ich damals wohnte. In der ehemaligen Knechtwohnung eines großen Bauernhofes. Sachen macht man manchmal ...

      Egal, der Literaturpreis war postmodern angelegt, irgendwo zwischen Parodie und ernst gemeint. Wir hatten echte Sponsoren, die bescheidene Geld- und Buchpreise stifteten, wir veranstalteten sogar richtige Preisverleihungen. Vielleicht auch nur Parodien von Preisverleihungen, unter anderem im Stadttheater – mit Lesungen der prämierten Texte und Wichtig-Wichtig-Popichtig-Kultur­pro­gramm. Ich erinnere mich unter anderem an Streicherensembles mit Zwölftonmusik, pathosgeschwängerte Chanson-Darbietungen und furchtbar schlechte Betroffenheits-Liedermacher ... Also eigentlich alles tofte.

      Am Ende der Veranstaltung gab’s fürs Publikum Häppchen (halbe hartgekochte Eier mit Remoulade und falschem Kaviar) und für jeden Zuschauer ein Buch zum Mitnehmen. Das konnte man sich aus einer Grabbelkiste fischen, in der alle Bücher lagen, die dem örtlichen Stadtmagazin – mit dem ich den Wettbewerb veranstaltete – im Laufe des vergangenen Jahres von den PR-Abtei­lun­gen der Verlage zur Besprechung zugeschickt worden waren.

      Die meisten Bücher kamen übrigens von Bastei-Lübbe oder Heyne. Keine Ahnung wie die darauf kamen, dass wir nichts besseres zu tun hatten, als regelmäßig und andauernd die Neuerscheinungen von zwar großen, aber doch eher mäßig beleumundeten Verlagen zu besprechen. Unser Publikum nahm die Geschenke, meist obskure Lebens-Ratgeber, freudig an. Einmal allerdings blieb ein Buch in der Kiste zurück. Mehr aus Mitleid denn aus Interesse steckte ich es selbst ein. Nicht ahnend, wie lieb und teuer dieses Werk mir noch werden würde.

      Es hieß »Cholesterinarm backen« von Ingrid Malhotra (Heyne 1994, DM 12,90) und zunächst wusste ich nicht, was ich damit anfangen sollte. Ich wollte ja gar nicht cholesterinarm backen. Weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass cholesterinarm Gebackenes auch nur andeutungsweise schmecken könnte. Das klang für mich wie alkoholfreies Bier, nikotinfreie Zigaretten oder Rock­musik ohne E-Gitarren. Alles möglich, aber nicht wirklich reizvoll. Da lasse ich die entsprechende Sache doch lieber gleich ganz.

      Irgendwann aber, vielleicht ein oder zwei Jahre später, war ich in der Verlegenheit, für eine Feier einen Kuchen backen zu müssen. Ein Käsekuchen sollte es sein, ich aber besaß kein Käsekuchenrezept. Und damals auch noch keinen Internetzugang. Ja, so lange ist das her. Aber, so fiel mir plötzlich ein, ich hatte doch ein Buch mit Backrezepten! Wenn auch für Backwaren mit zweifelhaften Surrogatzutaten. Ich nahm es zur Hand, suchte eine Anleitung zur Herstellung eines Käsekuchens, fand sie (unter dem Namen »Elsässer Quarktorte«), las mir die Zutatenliste durch – und kam augenblicklich auf eine glor- und folgenreiche Idee: Wie wäre es, wenn ich konsequent und gnadenlos alle cholesterinarme Zutaten durch cholesterinreiche Zutaten ersetzte? Also Becel-Margarine durch eine ordentliche Menge guter Süßrahm-Butter, die Becel-Kaffeesahne durch einen Becher Schlag­sahne und den angeblich im Reformhaus zu erwerbenden Ei-Ersatz für insgesamt fünf Eier durch, logo, fünf echte Eier.

      Ansonsten hielt ich mich beim Backen strikt an die Angaben. Und was soll ich sagen: Die Elsässer Quarktorte wurde großartig. Atemberaubend schmackhaft, in Form und Konsistenz maßstabsetzend und vor allem: Sie wurde mein Back-Trademark.

      Inzwischen habe ich sie sicher über hundert Mal gebacken, sie gelingt immer, sie schmeckt immer, erfreut jeden Gast, macht Frauen gefügig, lässt Schwiegermütter dahinschmelzen, Kinderherzen höherschlagen und Russen Kasatschok tanzen. Inzwischen wird sie in meiner Familie schon in der zweiten Generation gebacken.

      Als meine Tochter kürzlich ihr mehrtägiges schulisches Sozialpraktikum in einem Kindergarten beendete, schenkte sie den Kindern und Erziehern zum Abschied eine selbstständig und ohne Hilfe hergestellte und vor allem ordentlich cholesterinreiche »Elsässer Quarktorte«. Und wurde dafür mit stehenden Ovationen gefeiert.

      So, und wer mir jetzt noch erzählt, was man aus dieser Geschichte lernen kann, außer dass Flexibilität immer von Vorteil ist, bekommt von mir das Rezept der Quark­torte als pdf zugeschickt oder – falls ich super drauf bin – sogar die Torte selbst, die natürlich nicht als pdf, sondern in echt. Mal kucken.

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