Das brennende Meer. Erik Eriksson

Das brennende Meer - Erik Eriksson


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sagte die Frau in dem gestreiften Rock.

      »Ja, natürlich, du bist doch Birgitta Olsdotter aus Tomta?«

      »Das ist richtig, ich arbeite jetzt hier, meistens in der Küche, aber ich verrichte auch einen Teil anderer Arbeiten wie die Wäsche hier. Wir haben gerade einen neuen Waschbottich aufgestellt, das war ziemlich schwer, aber Sigurd ist stark.«

      Sie lächelte dem Mann in der blauen Jacke zu, und er lächelte zurück, es war ein kurzes, schiefes Lächeln. Johanna fand, dass er etwas verlegen aussah, so wie der jüngere der beiden Brüder ihrer Mutter aussehen konnte, wenn er gelobt wurde.

      »Wir kommen, um nachzufragen, ob man etwas von dem Postboot gehört hat«, sagte Maria.

      »Am besten sprichst du mit dem Postmeister«, antwortete Birgitta. »Geht in den Flur und klopft dort an die rechte Tür«.

      »Kann ich das denn einfach tun, störe ich nicht?«, fragte Maria.

      »Nein, das ist ja dienstlich, dein Mann ist ja Postmann, frag nur.«

      Maria tat, was ihr gesagt worden war, doch sie klopfte sehr zögernd an die Tür.

      Sie kamen in ein großes helles Zimmer mit hoher Decke. Johanna bemerkte einen grünen Kachelofen, ein mit Büchern gefülltes Regal, Stühle mit geschwungenen Beinen, Kerzenleuchter. Sie hätte sich alle diese seltsamen Dinge gerne länger angeschaut, aber dazu war keine Zeit, denn der grauhaarige Mann, der Postmeister genannt wurde, erhob sich von seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch. Er ging auf Maria zu, gab ihr die Hand und machte eine ganz leichte Verbeugung, gab dann auch Johanna die Hand. Maria machte einen Knicks, Johanna tat es ihr nach.

      »Ich verstehe euer Anliegen«, sagte er und sah jetzt sehr ernst aus.

      »Weiß man etwas über das Boot?«, wollte Maria wissen. »Wir haben heute Vormittag eine Nachricht über die Telegrafenstation erhalten«, antwortete der Postmeister. »Eine Nachricht … ja, heute Vormittag ist das gewesen.«

      Der grauhaarige alte Mann nickte, runzelte die Stirn, offenbar versuchte er zu verbergen, dass er gerade im Begriff war, etwas zu sagen, sich jedoch mitten im Satz eines anderen besonnen hatte.

      »Wir warten noch auf weitere Information«, sagte er.

      »Ja, dann danken wir.«

      Der Postmeister reichte Maria wieder die Hand und betrachtete dann Johanna mit einem traurigen Lächeln.

      »Mein kleines Mädchen«, murmelte er.

      Er begleitete seine beiden Gäste in den Flur hinaus, öffnete die Haustür, stand einen Augenblick da, ehe er sie wieder zumachte.

      Als Maria und Johanna über den Hofplatz gingen, wurden sie von Birgitta Olsdotter eingeholt.

      »Habt ihr etwas erfahren?«, wollte sie wissen.

      »Nein, wir kommen heute Abend oder morgen Vormittag wieder«, antwortete Maria.

      »Wenn du willst, kann das Mädchen hierbleiben und warten«, schlug Birgitta vor. »Ich kümmere mich unterdessen um sie.«

      Gottvertrauen

      Johanna saß auf der Holzbank drinnen im Waschhaus. Unter dem Waschkessel brannte das Feuer, ein kleiner, rußiger Wasserkessel mit Deckel und Pfeife stand auf einem Dreifuß und wurde von der Glut der kleinen Feuerstelle in der Kaminwand erwärmt. Birgitta stand hinter dem Waschtrog, der Dampf wärmte, kräuselte aber zugleich auch ihre Haare, auf ihrer Stirn hatten sich Schweißtropfen gebildet.

      »Wir machen uns jetzt eine Tasse Kaffee, das haben wir verdient, nicht wahr«, flüsterte sie.

      Johanna lächelte, doch sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie hatte noch nie Kaffee getrunken und konnte sich nicht richtig entscheiden, ob sie dieses seltsame Getränk, von dem sie schon gehört hatte, mögen würde.

      »Du trinkst doch Kaffee!?«, flüsterte Birgitta.

      »Ja, danke«, antwortete Johanna.

      »Mit Zucker«, sagte Birgitta.

      Sie öffnete einen Wandschrank hinter der Waschbütte, nahm zwei etwas angeschlagene Tassen heraus, ein kleines Papierpäckchen und einen Löffel. Sie legte das Päckchen neben Johanna auf die Bank und wickelte es aus. Es enthielt eine flache Dose und ein Stück Zucker. Birgitta öffnete die Dose und hielt sie Johanna hin.

      »Riech mal«, flüsterte sie.

      Johanna schaute in die Dose und sah dort etwas, das sie an zusammengeklebte kleine schwarze Graupen erinnerte. Sie sog vorsichtig die Luft ein. Der Duft war stark, er stach ihr in die Nase, und sie zog den Kopf wieder ein wenig zurück.

      »Siehst du«, sagte Birgitta, »das ist wie ein kleines Abenteuer, gefährlich und herrlich zugleich.«

      Johanna nickte, sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.

      »Das hier bleibt unter uns beiden«, murmelte Birgitta.

      Johanna nickte wieder. Birgitta begann, den Kaffee zu kochen. Vorsichtig schüttete sie einen Teil der schwarzen Körner in den Kessel, schob die Glut mit dem Feuerhaken etwas zusammen und setzte den Kessel auf den Dreifuß über dem kleinen Gluthaufen.

      »Es gab eine Zeit, als uns die Herren in Stockholm verboten hatten, Kaffee zu trinken«, flüsterte Birgitta. »Reuterholms Spione konnten kommen und den, der Kaffee kochte, gefangen nehmen.«

      »Verboten, warum denn?«, wollte Johanna wissen, und jetzt flüsterte sie ebenfalls.

      »Keine Ahnung«, sagte Birgitta. »Die denken sich alles Mögliche aus, aber man muss gehorchen, auch heutzutage gibt es Polizisten und Spione. Dieser Reuterholm soll verschwunden sein, aber der neue König ist auch nicht so leicht zu verstehen. Man spricht auch von einem neuen Kaffeeverbot, aber darum kümmern wir uns nicht. Die Hausfrau hier trinkt auch Kaffee, wenn es keiner sieht.«

      Das Wasser kochte. Birgitta nahm den Kessel herunter, gab ein paar Tropfen kaltes Wasser hinzu, ehe sie eingoss. Dann nahm sie das kleine Zuckerstück, wickelte es in ein Stück Stoff und zerstieß es mit dem Stiel eines hölzernen Löffels, wickelte das Tuch wieder aus und sammelte den zerstoßenen Zucker in ihrer hohlen Hand.

      »Hier, nimm das, er wird dann nicht zu bitter«, sagte sie und schüttete die Hälfte des Zuckers in Johannas Tasse. »Und trink vorsichtig, verbrenn dich nicht, puste.«

      Johanna wartete, bis Birgitta getrunken hatte, dann machte sie es genauso, schlürfte und schluckte. Der Kaffee war stark und bitter und kratzte im Hals.

      »Riech, mach die Augen zu und trink langsam«, sagte Birgitta. Sie hatte aufgehört zu flüstern. Vielleicht hatte der Kaffee ihre Vorsicht verjagt.

      »Merkwürdig«, murmelte Johanna.

      »Was ist merkwürdig?«

      »Es zieht in den Kopf, mir wird irgendwie schwindelig.«

      »Genau, es wird einem ein bisschen leicht zumute von dem Duft. Wir Frauen können das Vergnügen genießen, die Männer verstehen nichts vom Kaffee, sie saufen stattdessen ihren elenden Branntwein.«

      Johanna hatte nur an dem Kaffee genippt. Die Tasse war nicht groß, trotzdem hatte sie die Hälfte noch übrig. Sie nahm noch einen kleinen Schluck. Sie hatte gesehen, dass Birgitta hin und wieder mit dem Löffel in ihrer Tasse rührte. Jetzt tat sie das ebenfalls. Sie erwischte ein Stückchen Zucker am Boden der Tasse, das sich nicht aufgelöst hatte. Nachdem sie es verrührt hatte, schmeckte der Kaffee weniger bitter.

      Wir Frauen, hatte Birgitta gesagt.

      »Hast du noch irgendetwas von dem Boot gehört?«, fragte Johanna.

      »Ja, vielleicht.«

      »Und was hast du gehört, Birgitta?«

      »Dass die Leute ein gekentertes Boot gesehen haben.«

      »Wo denn?«

      »Vor Signilskär, sie haben es von der Telegrafenstation aus gesehen,


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