Wanderung nach dem Schlachtfelde von Leipzig im October 1813. Группа авторов
hinzieht, und am 16ten October die Haupt-Position der französischen Armee bildete, weswegen der Kaiser Napoleon auch diesen Tag die Schlacht von Wachau nennt, so wie den 18ten die Schlacht von Leipzig.
Vor uns lag in einer Vertiefung, und südlich von Gehölz umgeben, das Dorf Wachau, als Geburtsort des berühmten Satyrikers Rabner schon früher bekannt. Einige Hohlwege bilden von der einen Seite die Zugänge. Im Dorfe war man beschäftigt, die Blessirten fortzuschaffen; wir bemerkten mehrere Truppen, und vermieden daher hinein zu gehen. Noch war es, da kein Bulletin erschienen, für uns unmöglich, den eigentlichen Gang der Schlacht, und die Ausdehnung des Schlachtfeldes auszumitteln. Man nannte uns vorzüglich Wachau und Liebertwolkwitz, als die Central-Punkte. Von Wachau wanderten wir daher zum Flecken Liebertwolkwitz4), der zum Theil abgebrannt, ganz ausgeplündert, und von seinen Bewohnern verlassen war. Bis hierher hatten wir, obgleich mitten auf dem Schlachtfelde, doch nur einzelne Tode bemerkt: von Leichenhügeln, die sich unsere Phantasie vorgestellt hatte, erblickten wir nichts. Ueberhaupt war das Schlachtfeld in keinem Vergleich mit den grausenvollen Scenen in den nächsten Umgebungen von Leipzig, von denen mein gestriger Brief eine schwache Schilderung enthielt. Verhältnißmäßig lagen mehr Pferde als Menschen da. Wir konnten deutlich sehen, wo Cavallerie-Attaquen gewesen waren; sicher blieben dabei auch viel Reiter. Sie waren verschwunden, also mußten hier Viele begraben worden seyn, wahrscheinlich bereits am 17ten, wo Waffenruhe war.
Liebertwolkwitz war schon bei den Gefechten am 14ten October genommen und wieder verloren worden. Ein Theil des Fleckens war abgebrannt. Hier lagen noch viele Tode, halbverbrannt, vorzüglich auf dem Kirchhofe, der die Kirche umgiebt, und mit einer Mauer eingeschlossen ist. Allenthalben waren die Verwundeten schon transportirt, und wir bemerkten im Freien keinen mehr. Die ganze Kirche war aber mit Verwundeten angefüllt, welche möglichst gut auf Stroh gelegt waren. Mit Wehmuth und thränenden Augen kamen so eben viele der geflüchteten Einwohner wieder in ihren Wohnort zurück. Viele fanden zwar noch ihre Häuser, aber von Allem entblößt und nichts, als die leeren Mauern; andere weinten auf den bis zur Erde niedergebrannten Trümmern ihres sonstigen Wohlstandes. Man kann wohl gegen 20 Dörfer rechnen, welche in dem Umkreise von zwei Stunden um Leipzig entweder ganz, oder zum Theil niedergebrannt sind.
Von Liebertwolkwitz schlugen wir den Weg nach Probstheida ein. Er führt an einer kleinen Anhöhe vorbei (wo auf der Charte die Ziegelscheune angegeben ist). Zuletzt standen einige Wirtschafts-Gebäude da, früher mag eine Ziegelscheune hier gewesen seyn; die Gruben, wo man den Lehm herausnahm, bilden eine Art Wallgraben, und geben der Anhöhe das Ansehen einer Schanze. Die vor der Schlacht da stehenden Gebäude waren bis auf einiges Gemäuer ganz niedergeschossen und niedergerissen; in diesen Ruinen fanden wir die einzigen, noch auf dem Schlachtfelde liegenden Verwundeten, und suchten sie durch etwas Brod, Aepfel und Wein zu stärken. —
Dieser Hügel wird in der Geschichte ewig denkwürdig bleiben. Hier hielten am Nachmittag des glorreichen 18ten Octobers die drei verbündeten Monarchen, Alexander, Franz und Wilhelm Friedrich, nebst dem commandirenden Feldmarschall Fürsten Schwarzenberg, und leiteten die Operationen der siegreich vordringenden Heeresmassen. Von dieser Stelle überblickt man, wie ein Panorama, größtentheils das Schlachtfeld des 18ten und 19ten. Kein Platz ist schicklicher, durch ein würdiges Monument das Andenken dieser großen Zeit auch hier von Seiten der Deutschen dankbar zu bezeichnen, als dieser Hügel. Hier erhebe sich ein Obelisk, an dem außer passenden Emblemen, die Namen unserer hohen Befreier, die Namen der Heerführer, welche die verschiedenen Armee-Abtheilungen zum heiligen Kampfe siegreich anführten, eingegraben zu lesen wären! Dieses aus Liebe, Dankbarkeit und Verehrung entsprungene Denkmal strafe jenen prahlerischen Entwurf zu dem der Menschheit hohnsprechenden Monumente auf dem Mont-Cenis Lügen, dessen Entstehung die Schlacht von Leipzig in der Geburt erstickte.
Von dem Hügel folgten wir der Landstraße nach Probstheida, welches Dorf am 18ten, trotz dem tapfersten Sturme, zuerst der Russischen Truppen unter Fürst Gortschakoff, dann der Preußischen des Kleistischen Armee-Corps, zuletzt von den Franzosen behauptet wurde. Die Franzosen behaupteten dieses Dorf durch immer abwechselnde neue Truppen, die in tiefen Massen dahinter aufgestellt waren. Die Verbündeten hatten in der Nähe noch große, disponible Kräfte, die sämmtlichen Russisch-Preußischen Garden und Reserven, welche an diesem Schlachttage nicht zum Angriff gekommen waren. Die Proposition soll gemacht worden seyn, die Corps von Klenau, Wittgenstein, von Kleist, unterstützt durch das Grenadier-Corps des Generals Miloradowitsch, links und rechts hinter Probstheida zu concentriren, um durch diese Masse von 80,000 Mann den feindlichen rechten Flügel bei Connewitz à revers zu nehmen, während der Erbprinz von Hessen-Homburg und Colloredo den Front-Angriff gemacht hätten. Die Garden mit einem Grenadier-Corps sollten als Reserve bleiben. Doch andere Gründe traten ein, weswegen diese erste Idee nicht zur Ausführung kam. —
Bei Probstheida waren die Spuren des mörderischen Kampfes noch sichtbar. Hier lagen die Toden über einander geschichtet, die meisten durch Kanonenschüsse verstümmelt, die vorstehenden Häuser in Probstheida waren ganz durchlöchert, und die umliegenden Felder mit Kanonenkugeln bedeckt. — Nicht weit davon liegt die Windmühle, welche auf holländische Art mit gemauerter Basis erbauet ist, und für die Quandtsche Tabacksfabrik arbeitet. Hier hatte Napoleon am 18ten seine Garden concentrirt; dies war der Central-Punkt, von dem aus er wirkte. Gegen Abend scheint sich der Kaiser, allen Nachrichten zu Folge, mit einem Theile seiner Garden gegen Reudnitz gewendet zu haben, da dort von der vordringenden Nord-Armee Gefahr drohte.
Längs der Straßenhäuser bei Stötteritz (eine Reihe von Häusern, größtentheils von Arbeitern bewohnt, die in Leipzig Beschäftigung finden), wo Alles zerstört war, wendeten wir uns gegen das Grimmaische Thor von Leipzig. Die nächsten Umgebungen der Stadt waren noch mit starken Corps Preußischer Truppen umgeben, welche hier bivouacquirten. So stehen in der Gegend von Reudnitz die Schweden und das Bülowsche Corps. — Zunächst bei uns waren die braven Sächsischen Truppen, Infanterie und Cavallerie, welche am 18ten der großen heiligen Sache des deutschen Vaterlands beigetreten waren. Aus mehreren Aeußerungen französischer Generale am Morgen des 19ten sieht man im Voraus, daß der französische Kaiser die verlorne Schlacht größtentheils dem Uebergange deutscher Truppen (welche außer den Sachsen, auch eine Brigade würtembergischer Cavallerie machte) zuschreibt. Wie nichtig diese Behauptung sey, zeigt der nähere Gang der Schlacht am 18ten October. Als an diesem Tage, hauptsächlich erst gegen Abend, die sächsischen Truppen unter dem General Ryssel, zwischen Paunsdorf und Sellershausen, mitten unter dem Kartätschenfeuer der Franzosen, so wie eine Brigade würtembergischer Cavallerie unter dem General Normann (wo? weiß ich nicht) zu den Alliirten übergiengen, war das Schicksal des Tages schon entschieden, und Napoleon hatte bereits den Rückzug seiner Armee angeordnet. Die Armeen des Kronprinzen von Schweden, so wie des Generals Bennigsen, hatten zu dieser Zeit ihre Vereinigung in der Gegend von Zweinaundorf und Paunsdorf schon bewirkt. Würden die Sachsen gegen diese concentrisch-andringenden siegreichen Massen ihre, keineswegs befestigte, Position haben behaupten können? Gewiß nicht; und auf keinem Fall kann der französische Kaiser durch diesen Uebergang seine Niederlage bei Leipzig entschuldigen5).
Was den Uebergang der Sachsen zur großen deutschen Sache betrifft, so ist Folgendes die Ansicht partheiloser Männer. Die sächsischen Truppen hatten bis zur Schlacht von Leipzig gegen ihre Ueberzeugung mit den Franzosen, welche Sachsen noch in der letzten Zeit so gränzenlos unglücklich gemacht hatten, fechten müssen, und aus angestammtem Pflichtgefühl als brave Soldaten dieses auch gethan. Doch seit dem 16ten October stieg ihre Hoffnung, ein verhaßtes Joch abzuwerfen, von Stunde zu Stunde. Am 18ten, als sich feindliche Cavallerie näherte, konnten die sächsischen Officiere die allgemeine Stimmung ihrer Soldaten, für die gute Sache und nicht ferner gegen dieselbe zu fechten, nicht länger zurückhalten. Sie fühlten, daß jetzt der große Augenblick gekommen sey, durch einen kühnen Entschluß den sächsischen Kriegern, ja ihrem ganzen Volksstamme, bei der Befreiung Deutschlands einen ehrenvollen Antheil zu sichern. Doch auch diesen Schritt sollte der rechtliche Sinn, den der Sachse gegen seinen Regenten und die gesetzlichen Behörden stets mit gewissenhafter Hingebung zeigte, leiten. Durch mehrere abgeordnete Officiere ließen sie ihrem commandirenden General, so wie nachher