Kämpferherz. John Eldredge

Kämpferherz - John Eldredge


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kindlichen Naivität in die Welt aus, ignorieren die Löwen, scheitern bei dem Versuch, ihre Träume zu verwirklichen, und geben dann Gott und der Welt die Schuld dafür. In Wirklichkeit haben sie einfach darauf bestanden, das Leben müsse ein ewiges großes Ferienlager sein.

      Du musst noch ein paar Löwen erlegen. Angst ist einer davon. Verzweiflung ein weiterer. Anspruchsdenken – dieses pubertäre Auf-etwas-Beharren – ein dritter. Entweder du erlegst sie, oder sie verspeisen dich und deine Träume zum Nachtisch.

      Mut, Ausdauer, Klugheit – damit besiegt man Löwen. Wenn du das tust, dann wirst du eine Geschichte erleben, die es sich lohnt zu erzählen.

      zwei

      Kassensturz

      Ich würde gern leben wie ein armer Mann mit einem Haufen Geld.

      Pablo Picasso

      Mein Job als Botenjunge war natürlich nicht unbedingt das, wofür ich studiert hatte. Ich hatte ihn angenommen, weil ich von etwas leben musste – und weil dieser Arbeitgeber als Erster auf meine Mails geantwortet hatte. Da hatte ich also vier Jahre in höhere Bildung investiert und machte einen Job, bei dem ich Katzenfutter umtauschen musste.

      Wann wurde aus meiner Sehnsucht, etwas Sinnvolles zu tun, einfach der Wunsch, dass der Tag endlich vorüber wäre? Vor meinem Studienabschluss hatten wir am Strand gesessen und darüber geredet, dass wir nun bald in unbekannte Gewässer eintauchen würden. Wir spürten, wie uns der Boden unter den Füßen allmählich wegrutschte. Aber wenn wir schon ins schwarze Nichts hinausgestoßen werden sollten, wollten wir den Sprung wenigstens mit einer hübschen Schraube verzieren.

      Nach fast einem Jahr konnte ich die Sinnlosigkeit nicht mehr ertragen und machte mich auf die Jagd nach einem neuen Job. Um meinen Geburtstag angemessen zu feiern, entschied ich mich, an diesem Tag zu kündigen. Aber die meisten meiner Freunde hielten das für keine gute Wahl. Sie guckten mich an, als sei ich verrückt geworden, einen so lockeren Job aufzugeben, der mich sowohl mit dem nötigen Kleingeld als auch mit interessanten Geschichten versorgte. Den meisten von ihnen kam es inzwischen naiv vor, daran festzuhalten, wovon wir als Studenten geträumt hatten. Unsere Wünsche selbst zu verwirklichen schien ihnen geradezu hirnverbrannt. Die Halbwertszeit von Träumen ist offenbar tatsächlich extrem kurz. Denn am Ende läuft immer alles auf dasselbe hinaus: Geld.

      Ich habe Freunde, die dem Traum nachjagen, schnell reich zu werden, welche, die dem neuen Minimalismus anhängen und mit möglichst wenig auskommen wollen, und solche, die beides gleichzeitig versuchen. Ganz ehrlich: Ich glaube manchmal, meine Altersgenossen und ich sind, wenn es um Geld geht, einfach total verwirrt. Einerseits haben wir (wie keine Generation vor uns) miterlebt, wie Leute über Nacht Millionen gemacht haben, und zwar nicht eine, sondern Hunderte von Millionen – alles mit einer einzigen App. 2012 war Rovio, die Firma, die Angry Birds entwickelt hat, 2,25 Milliarden Dollar wert.1 Jeder Trottel kann ein Video auf YouTube einstellen, auf Anhieb bekannt werden und dann das große Geld machen, indem er Werbung schaltet. Ich kenne einen ziemlichen Idioten, der eine App entwickelt und damit allein im letzten Monat 75 000 Dollar verdient hat. Ende des Erfolgs nicht in Sicht.

      Und wisst ihr was? Ich kann niemandem einen Vorwurf machen, der das versucht. Mein Job als Rennkarnickel alias ruhmvoller Einkaufskurier wurde tatsächlich irrwitzig gut bezahlt. Ich konnte mir eine Yamaha FZ1 leisten. Und ich liebte diese Maschine! Der Vorbesitzer hatte einen richtigen Streetfighter daraus gemacht, den Windschild abmontiert und den tintenschwarzen Lack auf Hochglanz poliert. Wenn ich darauf durch die Canyons flog, hatte ich eine Ahnung davon, wie Sam Flynn sich in dem Film Tron: Legacy gefühlt haben musste. Und ganz bestimmt sah es danach aus, als ob man das Glück mit Geld kaufen kann.

      Aber dann verliebte ich mich. Meine Freundin ging sehr bewusst mit Geld um und machte sich Gedanken um die Notleidenden dieser Welt. Sie verschenkte lieber alles, was sie hatte, an Obdachlose, als etwas für sich selbst zu kaufen, nur weil sie darauf Lust hatte. Sie kaufte nur secondhand und flickte kaputte Kleidung x-mal, bevor sie etwas wegtat. Dies ist eine dieser Kleinrevolutionen, die ich schon erwähnte – Minimalismus als Gegenpol zur Überflussgesellschaft. Seine Maxime lautet: Gib allen unnötigen Besitz weg, und behalte nur das Allernotwendigste. Ein Freund von mir war neulich auf einem großen Treffen dieser Bewegung und erzählte, der Hauptredner habe gesagt, wenn wir zwei T-Shirts besitzen, dann sei das eines zu viel. Diese Ideen begeistern zurzeit viele junge Leute und gerade junge Christen.

      Wer hat recht? Hat überhaupt jemand recht? Wir haben hier zwei Extreme. Das Erste lässt uns glauben, wir könnten im Handumdrehen Riesenerfolge erzielen und dann in Geldscheinen baden. (Bekomme gerade die neuesten Infos über meinen Freund, der die App erfunden hat: Ihr Wert liegt jetzt bei 90 000 Dollar.) Das Zweite spielt mit unseren Schuldgefühlen und bringt uns dazu, unsere gesamte Habe im örtlichen Sozialkaufhaus abzugeben. Ein neuer Amerikanischer Traum oder Bürger der Einen Welt – beides fühlt sich für mich an, als habe jemand eine Portion Stierhoden für mich bestellt. (Na ja, wenigstens könnte ich sie als Minimalist großzügig an meinen Nächsten weitergeben …)

      Ich hasse Geld. Aber ich esse gern. Ich möchte ein Smartphone haben, damit ich mit anderen in Kontakt bleibe. Ich möchte Susie zum Abendessen einladen können. Ich schlafe auch wirklich lieber drinnen als im Freien. Und um all das tun zu können, brauche ich Geld. Meine Freunde tun fast alles für Geld – oder sie ignorieren es und leben wie die Hippies in den Sechzigern. Ich hasse es, dass Geld alles verdirbt. Vielleicht ist es ja tatsächlich die Wurzel allen Übels.

      Ich verstehe, worum es dir geht. Geld ist schmutzig. Und später, wenn du in deine Rechnung noch eine Frau und Kinder einbeziehen musst, wird Geld noch schmutziger – und noch notwendiger. Aber Geld kann auch sehr viel Klarheit bringen. Nichts zeigt unsere Prioritäten nämlich so deutlich auf wie unser Umgang mit Geld. Das ist vielleicht gemeint, wenn es in der Bibel heißt: „Denn die Liebe zum Geld ist die Wurzel aller möglichen Übel“ (1. Timotheus 6,10, NLB; Hervorhebung durch den Autor). Geld an sich ist nicht böse – Gier ist böse. Gier bringt Menschen dazu, den Regenwald abzuholzen, ohne einen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden oder sich zu fragen, wie das, was sie da tun, moralisch zu bewerten ist; aus demselben Grund werden die Meere geplündert. Kinderarbeit, ausbeuterische Arbeitsbedingungen, all das, worüber deine Generation sich zu Recht so aufregt, ist die Folge der Gier. Es geht also um Lust, Unersättlichkeit, Exzess – das ist die Wurzel allen Übels. Nicht das Geld an sich. Gier.

      Aber wie kann ich damit umgehen, dass sich alles ums Geld dreht? Ich meine, es scheint so selbstverständlich geworden zu sein, dass Leute sich für Jobs abrackern, die ihre Seele umbringen, dass sie ihre Familien vernachlässigen und die Welt um sich herum nicht mehr wahrnehmen, nur um das Leben leben zu können, das angeblich wirklich „zählt“. Walt Harrington schreibt in seinem Buch The Everlasting Stream: „Vor ein paar Jahren stand ich in der Dämmerung in meinem Garten, ein Glas Wein in der Hand, und empfand plötzlich eine tiefe Genugtuung angesichts all dessen, was ich besaß. Aber ebenso rasch ergriff mich die Sorge, dass all diese Besitztümer vielleicht eines Tages zu einer Falle werden könnten, weil sie mich zwingen würden, eine Arbeit zu behalten, die mir nicht mehr gefällt, nur um die Rechnungen bezahlen zu können.“2

      Es kommt mir vor, als würde Geld uns in eine Falle locken, die dann unser lebenslanges Gefängnis wird.

      Nirgends wird mal von einem normalen Schreiner erzählt, der sein Leben lang Stühle und Tische baut und gerade so über die Runden kommt. Wir hören immer nur Geschichten über die Schönen, Reichen und Berühmten. Über die, die es „zu etwas gebracht haben“. Da führt jemand ein Leben, das ihn ausfüllt. Aber weil er knapp bei Kasse ist, kennt niemand seinen Namen. Ein anderer sonnt sich im Ruhm seiner Bedeutsamkeit. Aber ich weiß, ich könnte nie so werden. Vielleicht verstehst du mein Dilemma ein bisschen.

      Das ist die Welt, gegen die du Sturm läufst. Und ganz zu Recht. Die Welt hat uns Einkaufspassagen, Diamantengruben und Stripklubs beschert. In der Welt herrschen Ungerechtigkeit und Maßlosigkeit. Aber Geld zu verdienen ist nicht zwingend eine „weltliche“ Angelegenheit. Die Bibel sagt: „Wer anderen Gutes tut, dem geht es selber gut; wer anderen hilft, dem wird geholfen. … Wer Mitleid zeigt und den Armen hilft, den wird Gott segnen“ (Sprüche 11,25; 22,9). Es gehört zu den angenehmen Seiten des Geldverdienens,


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