Ich kann mir die Arbeit nicht leisten. Rainer Voigt

Ich kann mir die Arbeit nicht leisten - Rainer Voigt


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des verschollenen Teils war in einer unterstellenden Form: „Wo haben sie das fehlende Teil?“ „Mir geht das in diesem Fall nichts an“, antwortete er. „Die Baustelle war auf ihre Veranlassung mehrmals für längere Zeit verlassen worden, für das Material gab es keinen gesicherten Raum und außerdem ist der finanzielle Verlust durch die Beschäftigung von zwei Leuten fast über einen ganzen Tag zum Aufspüren dieses „Vorkommnisses“ ungleich größer als der vermeintliche Materialverlust.“ Frank-Peter Sommer beteuerte noch einmal, dass er sich nichts vorzuwerfen habe und mit den Zetteln von Otto Hermenau nichts anfangen kann. Bestimmt war das der Anfang vom Ende, wenn es Otto Hermenau nicht schon von vorneherein darauf angelegt hatte, ihn nur über den Zeitraum des von der Arbeitsagentur bezuschussten Lohnanteils zu beschäftigen. Sein Arbeitsvertrag war über täglich 35 Stunden abgeschlos- sen worden, was sich in der Praxis als nicht durchführbar zeigte. Er konnte nicht nach sieben Stunden sein Werkzeug fallen lassen, zumal er die erste Zeit mit Heinrich Keller zusammen arbeitete. Die Arbeitzeit betrug in der Regel 9 … 10 Stunden, um dem Aufgabendruck zu entsprechen. Für Frank-Peter Sommer waren diese überzähligen Stunden Bestandteil seines Überstundenkontos, dass er wöchentlich dem Chef zu melden hatte. Mehrmals musste er die Ehefrau des Firmeninhabers, die für die Buchhaltung zuständig war, anmahnen, ihm wenigstens am Jahresende eine Übersicht seiner Überstunden zu bestätigen, versprochen war ihm das monatlich. Die erste dieser Überstundenübersichten wies ein gehöriges Manko zu seinen Lasten auf und machte Frank-Peter Sommer das erste Mal stutzig. Nach seiner Intervention wurde es halbherzig korrigiert.

      Zu den einzelnen Projekten gab es in dieser Firma keine Arbeitsberatungen und keinerlei Projektabsprachen, die erforderlichen Unterlagen wurden nur ungenügend bereitgestellt, einige zu erbringende Leistungen waren aus den Unterlagen gar nicht zu entnehmen. Nur Heinrich Keller wusste aus seiner langen Zeit in der Firma, was dann zu machen war. Frank-Peter Sommer konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass nach seiner Probezeit, die gleichzeitig das Ende der Förderung durch das Arbeitsamt bedeutete, eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses nicht gewünscht war. Als einmal neue Schaltertypen einzubauen waren, informierte der Chef nur den „Altknecht“ Heinrich Keller zu den Anschlussdetails, Frank-Peter Sommer durfte dem Gespräch nicht beiwohnen und wurde zwei Meter weiter an die „Arbeit“ verwiesen. Dann erfuhr er, dass bereits neue Mitarbeiter gewonnen worden waren, die aber niemals Kontakt zu Heinrich Keller und ihm hatten und auf „heimlichen“ Baustellen beschäftigt wurden. Obwohl ein Firmenfahrzeug ungenutzt in einer der Nebenstraßen parkend abgestellt war, musste Frank-Peter Sommer die ersten vier Monate zu allen Baustellen mit seinem privaten PKW fahren. Erst als die damit verbundenen Materialtransporte von ihm mit dem Hinweis, dass sein PKW kein Bestandteil der Firma sei, abgelehnt wurden und Heinrich Keller nun auch Frank-Peter Sommer auf abgelegenen Baustellen, auf denen er allein arbeitete, mit Material versorgen musste, bekam er das Firmenauto. Heinrich Keller hatte sich beim Chef beschwert, weil seine eigene Arbeit dadurch ineffektiv wurde, zumal die Baustellen oft weit auseinander waren. Der Firmenwagen, ein Renault Rapid, war ihm bereits mit der Einstellung zugesagt worden. Viel zu lange hatte er gewartet, dass der Chef seiner Zusage von selbst nachkam. Gespräche mit dem Arbeitgeber Otto Hermenau waren so gut wie nicht möglich und wenn es doch einmal klappte, endeten sie in formalen Kleinigkeiten.

      Der ungerechtfertigte Leistungsdruck durch unrealistische Zeitvorgaben und das zunehmende Mobbing verursachten ernsthafte gesundheitliche Probleme. Ganz schlimm wurde es, als Heinrich Keller zu einer Leistenbruchoperation ins Krankenhaus einrückte und Frank-Peter Sommer ohne richtige Übergabe angefangene Objekte allein fertig stellen musste. Innerhalb von zwei Monaten hatte er einen Gewichtverlust von über zehn Kilogramm zu verkraften. Frank-Peter Sommer zog die Notbremse und kündigte nach genau sechs Monaten. Lange versuchte er, die ausstehenden Bezüge einzufordern, wurde anfänglich hingehalten, später wurde ihm mitgeteilt, dass er keine Forderungen mehr hätte. Seine geleisteten Überstunden waren plötzlich weg, sie wären angeblich niemals angewiesen worden. Die Urlaubstage des alten Jahres waren von Gesetzes wegen und seiner Unkenntnis über die besondere Gesetzeslage ohnehin futsch und Frank-Peter Sommer zog vor Gericht. In weiten Teilen seiner Forderungen bekam er Recht, aber lange nicht die ausstehenden Bezüge. Seinem ehemaligen Chef wurden dagegen einmal die Grenzen der Willkür aufgezeigt, ohne fraglich die Konsequenzen dazu voll auszuschöpfen. Rechtsstaat Deutschland! Warum zum Teufel gibt es eine besondere Rechtssprechung für die Mitnahme des Urlaubsanspruchs ins nächste Jahr während der Probezeit? Beschäftigten in der Probezeit steht während der Probezeit kein Urlaub zu, wohl aber Urlaubsanspruch. Das heißt übersetzt, die Tage gehen nicht verloren. Im Unterschied zu „normalen“ Beschäftigten muss der Beschäftigte während der Probezeit aber im alten Jahr seinen Urlaubsanspruch geltend machen. Nur dann, und das steht im Gesetzbuch, hat er ein Anrecht, seine Ansprüche ins neue Jahr zu retten. Wer also am 01. Juli einen neuen Job beginnt und ein halbes Jahr, wie fast überall üblich, Probezeit hat, die dann am 31. Dezember des Jahres enden würde, kann in seinem Arbeitsvertrag bereits lesen, dass es in dieser Zeit keinen Urlaub gibt. Es steht aber nicht drin, dass er diesen trotzdem beantragen muss! Schon hier beginnt mit juristischem Rückenwind eine schreiende Ungerechtigkeit. Auf diese Art und Weise hatte Frank-Peter Sommer weit über eintausend Euro als Verluste zu verbuchen. Normale Praxis in den Betrieben ist, dass der Urlaubsanspruch bis 31. März erhalten bleibt.

      Der neue Start ins Berufsleben war fast überstürzt. Am 31. 05. 2010 bekam Frank-Peter einen Anruf. Ein privater Arbeitsvermittler versprach Arbeit schon am nächsten Tag. Auch ein vorwiegend regionaler Einsatz stelle kein Problem dar. Bereits für den Nachmittag wurde „vor den Räumlichkeiten“ des künftigen Arbeitgebers ein Termin vereinbart, man wolle anschließend gemeinsam zu dem Arbeitgeber gehen. In der Praxis gestaltete sich das so, dass direkt in den Räumlichkeiten einer Zeitarbeitsfirma der erste Kontakt stattfand. Nach der Erteilung der Genehmigung zur Vermittlung an die Zeitarbeitsfirma und Einbehalt des Vermittlungsgutscheines wechselte lediglich der Gegenüber. Später konnte Frank-Peter aus einer unbedachten Äußerung der Chefin der Zeitarbeitsfirma die Erkenntnis gewinnen, dass der private Arbeitsvermittler quasi ein Angestellter der Zeitarbeitsfirma war oder zumindest mit dieser kungelt, und nur für die Abfassung des Vermittlungsgutscheines ein Gewerbe eingetragen hatte.

      Diese Zeitarbeitsfirma in Teuma ist im Tarifverbund der christlichen Gewerkschaft organisiert. Während der Einarbeitungszeit gibt es, wie schon berichtet, regulär keinen Urlaub, jedoch Urlaubsanspruch auf der Basis von zwanzig Tagen im Jahr. Eventuell benötigter Urlaub ist separat zu vereinbaren. Aus einer früheren Pleite mit Totalverlust des Urlaubs während der Einarbeitungszeit wusste Frank-Peter, dass die Juristen eine böse Stolperfalle eingebaut hatten. In der Probezeit wird der Urlaub nicht, wie allgemein üblich, automatisch bis Ende März ins nächste Jahr übernommen, er muss definitiv beantragt werden, obwohl Urlaub während der Einarbeitungszeit ausgeschlossen ist3. Fatal für eine halbjährliche Probezeit, die am ersten Juli eines Jahres beginnt. Die Urlaubstage werden indes angesammelt. Nur dann, wenn der Antrag abgelehnt wird, weil er ohnehin nicht angetreten werden kann gilt, dass der Urlaubsanspruch die übliche Frist bis Ende März erhalten bleibt. Wer macht solche Gesetze, die einmal unverständlich sind, nicht allgemein bekannt gemacht werden und zum anderen die bereits Benachteiligten noch einmal bestraft? Der bekannte deutscher Philosoph Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) schrieb: Gesetze verraten nicht das, was ein Volk ist, sondern das, was ihm fremd erscheint“

      Der Tarif der christlichen Gewerkschaft wurde im Nachhinein im Internet gefunden, ausgedruckt und studiert. Er erwies sich rückständiger als der allgemeine gewerkschaftliche Zeitarbeitstarif. Auch der Arbeitsvertrag enthielt nach genauem Studium einige „Eier“ und zeigte sich in einigen Passagen unverständlich. So sollte bei einer vorzeitigen Kündigung eine Vertragsstrafe gezahlt werden!

      Was ist eine vertragswidrige Kündigung und was versteht man unter ‚Arbeitstage bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist’?

      Die Probezeit wird grundsätzlich in der niedrigsten finanziellen Eingruppierung begonnen. Wenn Arbeitnehmer generell nach der Probezeit, so sie sich nicht als Eier legende Wollmilchsauen entpuppen, entlassen werden (genügend arme Schweine stehen bereits in den Startlöchern), braucht


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