Ich kann mir die Arbeit nicht leisten. Rainer Voigt

Ich kann mir die Arbeit nicht leisten - Rainer Voigt


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Organisierte und verordnete Spirale der Armut! Unbekannt ist, wie ausgewiesene Spezialisten den Leihfirmen gegenüber dargestellt und abgerechnet werden.

      Mit einem glaubhaft vorgebrachten Arztbesuch am 03. 06. 2010 konnte Frank-Peter die Arbeitsaufnahme am kommenden Tag abwenden. Der organisatorische Aufwand für bereits geplante und gebuchte Termine in dieser Woche brauchten also nicht neu aufgerollt werden, obwohl seitens der Chefin der Arbeitszeitfirma eine Variante mit sofortigem Start und Freistellung für den 03. 06. 2010 ins Spiel gebracht worden war. Nach erneuter Rücksprache mit der Elektrikerfirma reicht der Start am 07. 06. 2010, weil wegen Bauverzugs ein früherer Einsatz eh nicht möglich war. Frank-Peter schaute im Internet nach der Adresse der Elektrikerfirma und fuhr auch schon mal hin, damit nicht unvorhergesehene Dinge, wie Umleitungen oder ähnliches die geplante Fahrzeit außer Kontrolle bringen würden.

      Am Donnerstag konnte somit die lange geplante Fahrt zu den Verwandten erfolgen. Dort bekam Frank-Peter einen Anruf, ob er nicht doch am Wochenende in die Geschäftsstelle kommen könne. Mann bat ihn inständig, im Rahmen der abgesprochenen Ausnahme, eine Woche als Urlaubsvertretung Montage in den alten Bundesländern zu übernehmen. Nun bekannte Frank-Peter, dass er nach Wahrnehmung seiner medizinischen Termine das Wochenende anders genutzt habe und nicht in der Region sei. Die Urlaubsvertretung würde er übernehmen, alle Daten dazu sollten per E-Mail zugesandt werden. Daraus entnahm Frank-Peter, dass er am Montag den 07. 06. 2010 früh 05 : 00 Uhr im über 300 km entfernten Buscheck hinter Kassel bei Ullrich Geibel, Inhaber einer Elektrikerfirma, erwartet wurde. Das Navi in Frank-Peters Auto war bestimmt mit einer rund zehn Jahre alten Software ausgerüstet und kannte die neue Autobahn A 38 nicht, die eine direkte Verbindung von Leipzig nach Göttingen bot. Von dort ist es nicht weit bis Kassel. Unterwegs kam die Meldung: „kann Route nicht berechnen“, die mit OK bestätigt wurde. In Kenntnis dessen, dass nach Göttingen Kassel anvisiert werden sollte, war eine Fahrt nach Ausschilderung möglich. Bei einem Stau wurde das Navi überprüft: es hatte sich abgeschaltet. Die erneute Eingabe der gespeicherten Zieladresse führte glücklicherweise zum pünktlichen Erscheinen.

      Buscheck war eine einzige Baustelle, alle Straßen waren gesperrt. Große Radlader versperrten die Zufahrten in den Ort und riesige Rohre lagen neben den Erdwällen der aufgebrochenen Straße, um irgendwann darin verbaut zu werden. Das hatte schon der Firmenchef in einem Telefonat am Tag vorher bemerkt und ein Abholen angeboten. Frank-Peter nutzte dieses. Als Ullrich Geibel mit seinem 5er BMW Touring erschien, vernahm Frank-Peter eine deutliche „Fahne“. Ullrich Geibel muss am Tag zuvor ordentlich gefeiert haben. Von Buscheck ging es mit einem Firmenfahrzeug weiter Richtung Bonn, nachdem der Angestellte des Firmeninhabers, Freddy geweckt worden war. Freddy erklärte später, dass er sich grundsätzlich wecken lässt, weil die Absprachen zum Arbeitsbeginn durch den Chef in der Regel nicht eingehalten werden. Die Baustellen waren allesamt Finger-Häuser, eine Holzständer-Fertighauskonstruktion. Bereits am zweiten Tag der Errichtung, das Erdgeschoss ist in der Regel bereits auf der Bodenplatte oder dem Kellergeschoss erstellt und das Obergeschoss wird gerade errichtet, müssen die Elektriker auf die Baustelle, um bei gegenseitiger Behinderung mit den Rüstern mit der Installation zu beginnen und der Hausbaufirma den Vorteil einer Zeiteinsparung von 1 … 2 Tagen zu ermöglichen. Innerhalb von etwa zwei Tagen ist die gesamte Elektrik verlegt und bereits die meisten Installationsgeräte, wie Schalter und Steckdosen verdrahtet. Alle elektrischen Arbeiten sind soweit beendet, dass der Estrichbeton im Inneren auf die Bodenplatten gegossen werden kann und der Trockenbau von Decke und Wänden von den Rüstern beendet werden kann. Der Zeitdruck forderte auch Opfer. Einer der Rüster hatte sich versehentlich mit dem Luftdrucknagler an einer Dachlatte festgeschossen. Da die Nägel einen eingewalzten Drall gegen unbeabsichtigtes Lockern haben, konnte man ihn auch nicht so einfach herausziehen. Deshalb wurde die Dachlatte rund um den festgenagelten Finger heraus gesägt und mit zum Arzt genommen. „Der Knochen ist angeschrammt“, lautete kurz die Information zur Diagnose. Was der gebeutelte Monteur beim Arzt alles gesagt hat, entzieht sich Frank-Peters Kenntnis. Er muss aber so gekonnt geschwindelt haben, dass sich die Balken gebogen haben, denn normalerweise kommt nach jedem Unfall die Berufsgenossenschaft. Das blieb dieser Baustelle aber erspart, nur der arme Schlucker musste nach Hause.

      Am ersten Tag waren Restarbeiten an zwei nebeneinander errichteten Häusern in der Nähe von Bonn erforderlich. Abgeschlossen werden konnten diese nicht, weil eine Schalterabdeckung fehlte. Mit einer entsprechenden Mängelliste bekam Freddy die Unterschrift eines der Bauherren. Der Zweite verweigerte sie mit dem Hinweis, dass er sich erst einmal in Ruhe alles durchlesen und auch im Haus kontrollieren müsse. Von diesem Bauherren berichteten die Rüster folgende Geschichte, die schnell unter allen Beschäftigten, nicht nur dieser Baustelle die Runde machte: Die Ehefrau des Bauherren kam eines tags auf die Baustelle. Die Putzer, die gerade Restarbeiten an der Fassade ihres Hauses erledigt hatten und nun am direkt daneben liegenden Haus arbeiteten, hatten ein Radio am Baustellenstrom der Bauherrin angeschlossen. Lauthals und mit unangemessenen Worten beschwerte diese sich darüber, wieso von ihr Strom genommen würde, obwohl am Nachbarhaus gearbeitet wird! Später wurde auch bekannt, dass dieser Bauherr, ein Lehrer, genau berechnet hatte, dass ihm durch die vom örtlichen Stromanbieter verschuldete verspätete Abschaltung des Baustroms über vierzehn Euro Verlust entstanden seien, die dieser nun durch die Installationsfirma ersetzt haben wollte. Kopfschütteln unter den Bauleuten war die geringste der daraufhin einsetzenden Reaktionen. Auf der nächsten Baustelle bekam Frank-Peter mit, wie Freddy die Bauherrin großmäulig überzeugte, auf die im Projekt ausgewiesenen Niederspannungslampen, im Volksmund „Spots“ genannt, im Bad zu verzichten. Absolut bestimmend, ja fast schon überheblich sprach er mit der Bauherrin. „Haben sie sich das gut überlegt mit den Niederspannungslampen im Bad? Sie wissen schon, dass damit nur eine punktuelle Beleuchtung stattfindet? Die Lampen haben eine relativ geringe Lebensdauer und die Verhältnisse im Bad reduzieren diese noch weiter. Vor allem eins, ihr Haus besteht aus Holz und die Wärmeentwicklung der Lampen könne vor allem bei einer Störung eine Gefahr für das Haus bedeuten!“ Die Bauherrin lenkte ein. Frank-Peter sprach anschließend mit Freddy, dass er bei bisherigen Baustellen in solchen Fällen in die Gipskartondecke Zusatzgehäuse aus Glasfaser-Gips einbauen musste. „Halt´ die Klappe“, meinte Freddy. „Ich weiß, was es alles gibt, habe aber keine Lust, so etwas einzubauen. Das ist alles Mehraufwand!“ „Ist schon OK, im Beisein der Bauherrin würde ich so etwas auch nicht erzählen“, antwortete Frank-Peter. Freddy, ein sportlicher junger Typ von 26 Jahren, war nicht zimperlich im Umgang mit den Kunden. Er trat dominant auf und duldete keinen Widerspruch. Es ist eigenartig, dass die Bauherren sich von ihm wegen nicht vorhandener eigener Fachkompetenz einlullen ließen. Freddy sammelte auch die Schnittreste des Kupferkabels ein, die er privat zu Geld machte. An den Wochenenden verdient Freddy mit Schwarzarbeit, wie er stolz berichtete, eine Menge Geld. Mit seinem Chef hatte er ein herzliches Verhältnis, aber erst, nachdem beide hart aneinander geraten waren und Freddy kündigen wollte. Bei gelegentlichen gemeinsamen Arbeiten mit dem Chef, so berichtete Freddy, habe er diesen immer regelrecht vorgeführt. Er habe weniger Fehler als der Chef gemacht und war auch bedeutend schneller. So hat dieser wohl erkennen müssen, dass er schlecht auf Freddy verzichten konnte. Am Ende der Woche kam die Hiobsbotschaft: die Montage soll um eine weitere Woche verlängert werden, weil nur dann die Urlaubsvertretung richtig abgesichert ist. In dieser zweiten Woche wurden Häuser im Umfeld der Firma installiert. Die Hinfahrt war auch wieder von Problemen des Navis geprägt, die 80 km Umweg brachten und die eingeplante Zeitreserve bis auf die letzte Sekunde aufzehrte.

      Diese Woche arbeitete Frank-Peter mit Torsten, dem Altknecht in der Firma. Torsten lebte seit vielen Jahren mit seiner Partnerin in einer Lebensgemeinschaft, die leider kinderlos blieb. Eine Heirat kommt für ihn heute aus steuerlichen Gesichtspunkten nicht mehr in Frage. Seine Partnerin ist Vertreterin und dadurch zeitlich straff eingespannt. Ein so genanntes Familienleben gibt es nur an den Wochenenden, die Woche über machte jeder seins, auch wenn, wie in diesem Fall, Torsten in unüblicher Manier jeden Tag nach Hause kam. Frank-Peters Übernachtung war im 15 km entfernten Goldenhagen organisiert worden. Jeweils am Morgen wurde ein Lunchpaket bereitgestellt, üppig bezüglich Wurst, schließlich war die Unterkunft auch gleichzeitig eine Schlachterei. Mit einer trockenen Brotscheibe in der einen und einer Wurst in der anderen Hand wurde in der zehnminütigen Frühstückspause, die man sich als einzige Pause am Tag auf Kosten des Chefs gönnte, nicht gerade der kulinarische Höhepunkt erreicht, von hygienischen Bedingungen ganz zu schweigen. Torsten war mit Frank-Peters Arbeit


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