Der falsche Schah. Leonhard F. Seidl

Der falsche Schah - Leonhard F. Seidl


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ja misstrauisch geworden, wenn seine eigenen Agenten den Schah, den Ehrengast, gepackt, ihm die Augen verbunden und vor sich her gestoßen hätten. In der heimischen Folterkammer, also nicht da, wo der König jetzt dem unsympathischen Agenten gegenübergestanden hat, haben die dann gern damit angefangen, Fingernägel auszureißen, haben Händ in glühende Kohlen gesteckt oder Löcher in Schädel gesägt.

      Jetzt hat zwar der König keine glühenden Kohlen gesehen oder gerochen, aber so was lässt sich organisieren. Auch eine Säge oder einen Bohrer hat er während des unauffälligen Rundumblicks nicht entdecken können, wenn er dem Agenten mal kurz nicht in das gesunde Auge geschaut und das verschrumpelte vermieden hat. Dafür war einiges an Material vorhanden, auf das der König bei seiner Recherche gestoßen war: Polnischer Bock, Daumenschrauben, Schandmaske mit Schweinegesicht, gespickter Hase, trockener Zug. Der feuchte Traum eines jeden Sadisten.

      Jetzt öffnet der Große den hartleibigen Mantel der Eisernen Jungfrau. Quietschend. Der Kürbis steckt in den Stacheln wie ein aufgespießter Kopf. Von den Spitzen gegenüber hängen orangene Fleischfetzen herunter.

      „Sehe ich es richtig, dass keiner von meinen Mitarbeitern sich darin wiederfinden möchte?“, sagt der König, um die Schraube ein wenig anzuziehen. Weil er weiß, dass der grantige Agent auch gleich die Daumenschrauben anziehen wird. Und das nicht nur im sprichwörtlichen Sinne.

      Der Kleine schluckt und nickt umgehend. Der Große stöhnt ein bisserl zu laut, setzt sich seine Sonnenbrille wieder auf und sagt: „Har ke az man ist bar mast.“ Mit einer Stimme, die für einen Bösewicht doch ein bisserl zu hoch und quietschig ist.

      Der König überlegt, was er auf dieses triviale „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ antworten soll. Dann fragt er scharf: „Sind Sie gegen unsere kaiserliche Majestät?“

      Der Große stutzt.

      Das bringt den König auf eine Idee: „Wie ist Ihr Name?“, fragt er den Kleinen.

      „Kenan“, sagt der. Mit tiefer Stimme.

      Ah, der Lanzenwächter des Paradiestores, denkt König, spricht es aber nicht aus. Sagt stattdessen: „Dast bala-ye dast besyar ast.“

      Und Kenan antwortet auf das Sprichwort, das besagt, dass es viele Hände über deiner Hand gäbe: „Wir schützen den Schah-in-Schah und den iranischen Staat vor seinen Feinden.“ Das „Feinden“ betont er. Presst seine Zunge dabei fest an seinen Gaumen.

      „Ah, Sie haben mich hierher gebracht, weil die Befürchtungen, es könne einen Anschlag auf meine Person geben, eingetreten sind.“

      „So könnte man es sagen“, meint Kenan und wedelt entschuldigend mit seinen schönen Händen vor der Brust herum.

      „Aber wie soll ein Anschlag auf meine Person eingetreten sein, wenn ich kerngesund vor Ihnen stehe?“, fragt der König und hofft, dass dies auch noch länger der Fall sein wird.

      „Beweisen Sie uns doch erst einmal, dass sie der Schah von Persien sind“, sagt Einauge und die goldene Zahnkrone blitzt im flackernden Kerzenlicht.

      „Was wollen Sie wissen?“ Der König geht auf Einauge zu. „Wie mein Kindermädchen hieß? Was meine Leibspeise ist? Wie Sie Wurm es wagen können, an meiner Person zu zweifeln?“

      „Zum Beispiel“, sagt Kenan, ein bisschen zu erfreut.

      Der König geht zu ihm hinüber, legt ihm langsam den Arm auf die Schulter, der Agent folgt Königs Hand mit den Augen. Seine linke Augenbraue fängt zu zucken an. „Ihr Leibgericht ist ja wohl Kaka Kadu.“

      Kenan schaut König aus weit aufgerissenen Rehaugen an wie ein kleiner Bub, der am Mittagstisch auf die Kürbispfannkuchen von der Großmutter wartet. Der König sieht förmlich, wie ihm das Wasser im Mund zusammenläuft. „Mit Granatapfel, Feige?“, fragt er nach.

      Kenan nickt unmerklich. Seine Augenbraue flattert als würde sie dem König stumm Beifall klatschen.

      „Mit Honig?“

      Dem Kleinen entfährt ein leises, lüsternes „Ja“. Im nächsten Moment fährt er sich blitzschnell über den Mund, schaut mit Mundwinkeln, schwer vom schlechten Gewissen, zu seinem Chef.

      König dreht sich mit Kenans Blick, lässt aber die Hand auf der Schulter liegen. „Und wie lautet Ihr Name?“

      „Reza“, sagt der Einäugige leise.

      Und der König tiriliert innerlich.

      „Wie ist Ihr Name?“, fragt Reza. Schnell und eiskalt.

      „Reza Schah Pahlavi, Schah-in-Schah“, schießt der König zurück und merkt sofort, dass das ein Fehler war. Ein Kaiser sagt seinen Namen nicht so brav auf.

      „Beweisen Sie es“, sagt Reza und zündet sich eine frische Zigarette an.

      „Sie erlauben sich tatsächlich, vom Schah-in-Schah zu fordern, dass er die Wahrheit seiner Existenz beweise?“

      „Ja“, sagt Reza und zieht an seiner Kippe. „Kein Geschwätz.“

      „Gehen wir davon aus, dass ich Reza Pahlavi bin. Was wird Ihnen blühen, wenn Sie so weitermachen?“

      „Kein Geschwätz!“

      „Gut, kein Geschwätz. Damit dieses Missverständnis hier baldmöglichst aufgeklärt ist. Aber bedenken Sie, dass das alles hier drin“, der König tippt sich auf die Stirn, „dort, wo Sie keine Haare mehr besitzen, vermerkt ist.“ Er macht eine theatralische Pause. „Und Sie es bitter bereuen werden.“

      Wieder ein Zug an der Kippe. Rauch. Angespanntes Schweigen von Kenan.

      „Was werfen Sie mir eigentlich vor?“, fragt der König.

      Reza steckt sich die qualmende Zigarette in den Mundwinkel. Schlurft in die Ecke des Gewölbekellers, wo die anderen Folterinstrumente liegen: Richtschwert, Mecklenburgisches Instrument – für Daumen und große Zehen, die darin zusammengequetscht werden wie in einem Schraubstock. Dem König juckt es in den Schuhen. Er wackelt kurz und unauffällig mit den großen Zehen, wie um zu spüren, dass sie noch da sind. Die Schnürl am Mecklenburgischen Instrument ziehen die Hände zu den Füßen, langsam. Immer mehr. Es reißt. Es brennt.

      Agent Reza, der Große, nimmt den Polnischen Bock in die knochigen Hände. Betrachtet ihn von allen Seiten. Rot von der Zeit, rostig. Oder ist es Blut? In die zwei Ringe gehören die Füße, darüber werden die Hände eingespannt; und zugeschraubt. Der Große geht zum König und sagt: „Dar kar xeyr hagat hic estexare nist.“

      Nun versucht der König wiederum, sich nicht anmerken zu lassen, wie erstaunt er ist, dass der Große Goethe zitiert: „Für eine gute Tat braucht es keine Gottesbefragung.“

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