Meine Seele gehört dir. Lisa Lamp

Meine Seele gehört dir - Lisa Lamp


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Löcher hat als ein Sieb. Wenigstens weiß ich, dass man seine Probleme auch ohne Mord und Totschlag beseitigen kann. Doch davon verstehst du sicherlich nichts.«

      Meine Stimme klang schrill in meinen Ohren und meine Hände waren zu Fäusten geballt. Alejos Verhalten regte mich auf, noch schlimmer war jedoch, dass ich mich schon wieder auf eine Diskussion mit ihm eingelassen hatte. Wann würde ich endlich aus meinen Fehlern lernen? Das endete nie gut!

      »Ich würde lieber nackt zur Schule kommen als in den Fetzen, die du Kleidung nennst, aber dann würdest du wahrscheinlich spontan erblinden, ungebumste Ziege«, schrie er und lachte zum Schluss lauthals, als er mein Zusammenzucken bemerkte.

      In der Umgebung konnte ich einige Mädchen hinter vorgehaltener Hand kichern hören. Ich spürte einen Stich in meiner Brust und mein Herz setzte einen Schlag lang aus, bevor ich mich wieder gefasst hatte. Ich war achtzehn Jahre alt und noch Jungfrau. In der heutigen Gesellschaft ein Makel, aber es hatte sich einfach nie ergeben. Nichtsdestotrotz war das ein Punkt, der mich verletzen konnte, weil es mir aus Gründen, die ich selbst nicht verstand, unangenehm war. Alejo benutzte diesen Fakt immer wieder gegen mich, obwohl mir nicht klar war, woher er von meiner Jungfräulichkeit wusste. Hatte ich es irgendwem erzählt? Oder hatte ich mich mit meinen Reaktionen auf seine Angriffe selbst verraten?

      Kapitel 3

      Die Glocke, die den Beginn der ersten Stunde ankündigte, bewahrte mich davor, mein Gesicht zu verlieren und noch etwas sagen zu müssen. Schnell begab ich mich mit Emilia im Schlepptau auf direktem Weg ins Klassenzimmer, wobei ich den Blicken meiner Mitschüler gekonnt auswich. Wir hatten gleich zum Start eine Doppelstunde Englisch, in der wir heute die Arbeiten für unsere Präsentationen begannen, die über sechzig Prozent der Jahresnote ausmachen würden.

      »Guten Morgen. Ich hoffe, Sie hatten ein angenehmes Wochenende«, startete Mrs. Bigelow die Stunde.

      Sie war eine gute Lehrerin, auch wenn sie teilweise seltsam war. Nicht auf die Weise wie die anderen Lehrer. Sie war besonders seltsam. Als wären ihre langen, spitzen Fingernägel und die bunten Outfits noch nicht Grund genug, sie anzustarren, hatte sie dazu eine Tätowierung auf der Wange, die an einen Halbmond erinnerte. Neben Englisch unterrichtete sie noch Kunst und erklärte immer, dass ihr Körper eine Leinwand wäre, weshalb mich ihr schräges Auftreten nicht mehr wundern sollte. Sie schaffte es allerdings täglich, mich zu überraschen. So auch heute. Sie trug gelbe Schuhe, rosa Strümpfe, eine Jeanshose mit grünen Farbflecken und eine rote Bluse mit blauen Knöpfen. Ihr Outfit war ein modisches Desaster und hätte bei einem Epileptiker wahrscheinlich einen Anfall ausgelöst. Doch für sie schienen das Starren und die geflüsterten Beleidigungen vollkommen in Ordnung zu sein. Mit einem strahlenden Lächeln stand sie vor der Klasse und zog ihren Unterricht durch, ohne auf die Kommentare meiner Mitschüler einzugehen.

      »Um optimal mit Ihrer Abschlussarbeit beginnen zu können, möchte ich Sie nun ...«, begann Mrs. Bigelow mit ihrer klaren Stimme.

      Ein Klopfen unterbrach sie jedoch und Alejandro kam hinter der Tür zum Vorschein. Er trug wieder ein sauberes Shirt und hatte sich das Gesicht gewaschen, weshalb die restlichen Blutspuren verschwunden waren. Trotzdem war seine linke Wange leicht geschwollen und er humpelte ein bisschen, wodurch sich der Kampf vor wenigen Minuten erahnen ließ.

      »Gonzalez, Sie sind zu spät«, polterte Bigelow los.

      In vielen Unterrichtseinheiten war es in Ordnung, sich zu verspäten, wenn man eine gute Ausrede hatte. Bigelows Stunden waren keine davon. So schräg sie auch war, genauso hart setzte sie ihre Regeln durch. Es waren nicht viele, aber ihre Strafen waren geradezu drakonisch.

      »Ich dulde dieses Benehmen nicht in meinem Unterricht. Nachsitzen!«, wütete die Lehrerin und schickte ihn auf seinen Platz.

      Lässig ging Alejo in die letzte Reihe und warf sein Bandana auf den Tisch, als würde ihn die Situation nichts angehen. Gekonnt ignorierte er die verschränkten Arme, die bebenden Nasenflügel und die zusammengekniffenen Augen von Mrs. Bigelow. Er zwinkerte dem Mädchen, das den Platz neben ihm besetzte, zu und setzte sich auf seinen Stuhl.

      Arroganter Scheißkerl!

      »Wie bereits vor der unangebrachten Unterbrechung erwähnt, werde ich Sie nun in Paare einteilen. Sie müssen Ihren Partner nicht mögen, aber Sie müssen mit ihm zusammenarbeiten, um die Prüfung zu bestehen. Sie werden gemeinsam eine Note erhalten und nicht jeder für sich, damit das klar ist. Also gut, ich werde jetzt nach der Reihe je zwei Namen vorlesen und würde Sie bitten, zu zweit nach vorne zu kommen, um sich Ihr Thema bei mir abzuholen«, erklärte Bigelow, bevor sie sich hinter das Lehrerpult stellte und sich über die Namensliste beugte.

      Die Schüler murrten unzufrieden, weil sie die Chancen schwinden sahen, in einem Team mit den eigenen Freunden zu landen. Auch ich verabschiedete mich von dem Gedanken, die Präsentation mit Em vorzubereiten, und betete, dass ich eine fleißige Partnerin abbekommen würde. Bigelow war nicht mit Absicht gehässig, aber irgendwie schaffte sie es immer, dass fast alle mit einem Partner ins Team kamen, mit dem sie kaum Zeit verbrachten.

      »Olivia Stones und Patrick Pirez«, las Bigelow vor und das Paar erhob sich synchron.

      Sie beschwerten sich nicht, also waren die beiden entweder befreundet oder hatten bis jetzt nicht viel miteinander zu tun gehabt. Noch drei weitere Paare wurden gezogen, ohne dass etwas Spannendes passierte, weshalb ich mich in meinem Stuhl zurücklehnte und mit meinem Stift spielte. Die Schüler, die noch keinen Partner hatten, verfolgten das Geschehen aufgeregt und jedes Mal konnte ich Seufzer von den Verbliebenen hören, wenn ein kompetenter Schüler vergeben wurde. Ich konnte sie verstehen. Einen schlechten Partner zu bekommen, konnte im schlimmsten Fall eine schlechte Note im Abschlussjahr bedeuten und das würde sich auf die Collegebewerbungen auswirken.

      »Emilia Anderson und ...«, begann Bigelow und spannte uns auf die Folter.

      Obwohl ich nicht an Gott glaubte, fing ich zu beten an. Einen Versuch war es wert. Em griff unter dem Tisch nach meiner Hand und zerquetschte sie fast. Mein Herz raste und Adrenalin schoss durch meine Adern. Emilias Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in meine Handfläche, bevor sie erleichtert ausatmete. Zu erleichtert, beinahe erfreut. Kurz wallte Wut in mir auf, doch ich schluckte sie hinunter und versuchte, mich für sie zu freuen.

      »Louis Marchand«, erklang die Stimme von Mrs. Bigelow und all meine Hoffnungen wurden mit einem Namen zerstört.

      Mein Traum von einem Elitecollege brach zusammen, während meine beste Freundin grinste wie ein Honigkuchenpferd. Erst Freitag hatte sie mir erzählt, wie gut Louis aussah, wie lässig er ging und wie intelligent er war. In ihren Augen war er ein Wunderknabe. Ein Mann zum Heiraten. Die nächsten Wochen mit ihm arbeiten zu dürfen, musste sie auf Wolke Sieben schweben lassen. Ich sollte Em nicht böse sein, weil sie nicht protestierte, sondern freudig nach vorne lief und sich ein Thema abholte. Deshalb grinste ich in ihre Richtung und hoffte, dass ich ebenfalls mit einer guten Partie belohnt werden würde.

      Doch lange konnte ich das Lächeln auf meinem Gesicht nicht aufrechterhalten. Die Zahl der Schüler verringerte sich drastisch, bis mit mir nur noch vier übrig waren und die Uhr zwanzig Minuten vor Unterrichtsende anzeigte.

      Verzweifelt blinzelte ich die Tränen weg, die meine Sicht verschwimmen ließen. Hinter mir saß noch Elizabeth Jones. Sie war eine Cheerleaderin, die nur Mode im Kopf hatte und mit jedem schlief. Gerüchten nach zu urteilen sogar mit anderen Mädchen aus ihrer Clique. Aber sie ließ sich leicht beeinflussen, weshalb sie als Partnerin nicht allzu schlecht wäre. Zumindest könnte ich das Projekt allein machen und ihr einreden, dass sie eine Bereicherung gewesen war.

      Fünf Sitzplätze entfernt saß Jonathan Rue. Ebenfalls ein Spitzensportler an unserer Schule, obwohl er ein Ass in Mathematik und Chemie war. Von allen Übriggebliebenen wäre er noch die beste Wahl, weil er freundlich und zuvorkommend war und mir zur Hand gehen würde. Nicht so gut wie Em es könnte, aber doch genug, um eine gute Gemeinschaftsnote zu bekommen.

      Als letztes blieb noch Alejandro, der am anderen Ende des Raumes saß. Seine Lederjacke


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