Die Prätorianer. Ritchie Pogorzelski
des Kaisers, seiner Familie und des kaiserlichen Palastes. Für die Bewachung des kaiserlichen Palastes wurde täglich eine ganze Kohorte zum Wachdienst abgestellt.
„Nero trat, begleitet von Burrus, heraus und vor die Kohorte, die nach militärischer Sitte die Wache bildete.“
(Tacitus, 12, 69)
„Doch dem stand entgegen, dass man auf die Kohorte Rücksicht nehmen musste, die zu diesem Zeitpunkt Dienst tat; sie sollte nicht noch mehr Haß zu tragen haben, weil sie es auch gewesen war, die damals auf Posten gestanden hatte, als Caius getötet und Nero im Stich gelassen worden war.“
(Sueton, Otho, 6, 1)
Auf dem Palatin wurde die Unterkunft der Prätorianer an der Südseite der Domus Tiberiana, nahe der Casa di Livia, lokalisiert. An den Wänden fanden sich Grafitti, die mit den Soldaten in Verbindung gebracht wurden.
Sie begleiteten die kaiserliche Familie nicht nur im Alltag, sondern auch auf Reisen, zogen mit dem Kaiser in den Krieg und nahmen daran aktiv teil. Unter Nero fuhren die Prätorianer den Nil hinauf und kamen laut Seneca sogar bis Meroe. Durch die Reisetätigkeit Hadrians quer durch die Provinzen kamen sie fast durchs gesamte Imperium. Zudem übten sie eine Art Polizeidienst aus.
„ … wurde der Auftrag (für Ruhe und Ordnung zu sorgen) an die Brüder Scribonius abgetreten (zwei kaiserliche Legaten Neros). Diesen wurde eine prätorische Kohorte zur Verfügung gestellt. Die Angst vor ihr und einige Hinrichtungen stellten die Eintracht unter der Einwohnerschaft wieder her.“
(Tacitus, 13, 48)
„Als einmal die Volksmasse von Pollentia den Leichenzug für einen Primipilar nicht eher vom Marktplatz hatte sich in Gang setzen lassen, bis sie den Erben durch die Androhung von Gewalt die Veranstaltung eines Gladiatorenspiels abgetrotzt hatte, ließ er eine Kohorte von Rom aus, eine weitere aus dem Königreich des Cottius losmarschieren, ohne mit dem Grund für den Marsch herauszurücken; plötzlich zeigten sie sich in voller Bewaffnung und die Signale zum Angriff ertönten, da ließ er sie in die Stadt einrücken; ein Großteil der Volksmasse und der Gemeinderäte ließ er lebenslänglich ins Gefängnis werfen.“
(Sueton, Tiberius, 37)
„Als aber nun das Volk Agrippina zum ersten Male ohne Begleitung der Prätorianer sah, da hütete sich die Mehrzahl, auch nur zufällig mit ihr zusammenzutreffen, und wenn irgendeiner ihr dennoch unbeabsichtigt begegnete, dann pflegte er hastig und ohne ein Wort zu verlieren, aus dem Wege zu gehen.“
(Sueton, Buch 61, 8, 6)
Auch für die Bekämpfung von Aufständen wurden die Prätorianer eingesetzt. In Tiberius Regierungszeit drohte in Italien ein Sklavenaufstand, der durch den Prätorianertribunen Staius und seiner starken Garde im Keim erstickt wurde. Sie scheinen auch die Gladiatoren in der Umgebung von Rom bewacht zu haben. Im Sommer 64 n. Chr. unternahmen die Gladiatoren der Stadt Praeneste (Palestrina), ca. 38 km südöstlich von Rom gelegen, einen Ausbruchsversuch aus ihrer Kaserne. Während das Volk schon von Spartacus und den alten Sklavenaufständen sprach, wurden die Gladiatoren jedoch durch die dort stationierten Prätorianerabteilungen unter Kontrolle gebracht. Die Soldaten wurden außerdem bei Zeremonien eingesetzt, wie uns Tacitus berichtet. Unter Kaisern wie Caligula verrichteten sie zudem Dienste als Henker, Folterknechte, Steuereintreiber und – allseits gefürchtet – als geheime Staatspolizei.
„Neue unerhörte Steuern ließ er zuerst durch Steuerpächter, dann, weil diese zu hohe Gewinne machten, durch die Centurionen und Tribunen der Prätorianerkohorten eintreiben.“
(Sueton, Caligula, 40)
Kaiser Caracalla ließ die Garde sogar gegen das Volk vorgehen:
„Als er nämlich einmal dem Wettrennen zuschaute, verspottete das Volk einen Wagenlenker, auf den er große Stücke hielt. Dies nahm er als eine persönliche Beleidigung auf, und gab der Leibgarde den Befehl, in das Volk zu fallen, es auseinander zu jagen, und diejenigen, welche auf den Wagenlenker geschimpft hatten, niederzuhauen. Die Soldaten ergriffen begierig diese Gelegenheit zu Vergewaltigung und Raub, und ohne zu untersuchen, wer die vorlauten Schreier gewesen, ergriffen sie schonungslos jeden, der ihnen in die Hände fiel, schleppten sie fort und töteten sie, oder schenkten ihnen erst, nachdem sie ihnen alles, was sie hatten, als Lösegeld abgenommen hatten, das Leben.“
(Herodian, IV, 6)
Allerdings führten die Prätorianer nicht alle ihnen aufgetragenen Aufgaben aus, wie folgendes Zitat beschreibt:
„Burrus erwiderte, die Prätorianer hätten dem ganzen Haus der Caesaren den Treueid geleistet und würden in der Erinnerung an Germanicus dessen Tochter keinesfalls ein Leid antun: Anicetus solle das zu Ende führen, was er versprochen habe.“
(Tacitus, Buch XIV, 7)
Organisation
Im Feld waren die Prätorianer jeder Einheit der römischen Armee gleichgestellt. Vom ersten Kaiser nur selten eingesetzt, waren sie ab der Regierungszeit des Tiberius (14 – 37 n. Chr.) häufiger in Schlachten aktiv. Sie kämpften am Angrivarierwall erfolgreich gegen Arminius und in der ersten Schlacht von Bedriacum für Otho, unter Domitian und Traian in Dakien und Mesopotamien, während sie unter Marcus Aurelius Jahre an der Donaufront verbrachten. Obwohl die Prätorianer Ähnlichkeiten mit den Legionstruppen aufwiesen, gab es doch einige Unterschiede. Ihre Kohorten waren ab Septimius Severus größer, der Sold und die zusätzlichen Leistungen waren besser und auf ihr militärisches Geschick war Verlass und sie erhielten höhere Geldgeschenke (donativa) von den Kaisern als die regulären Truppen. Wie bei den anderen Legionen war aber auch bei den Prätorianern nur ein kleiner Teil im Fall von Kriegshandlungen sofort einsetzbar.
Der Aufbau der Truppe
Die Legionen der damaligen Zeit bestanden aus über 6.000 Soldaten zu zehn Kohorten à 500 Mann; lediglich die erste Kohorte war doppelt so stark. Hinzu kamen der gesamte Offiziersstab mit seinen Bediensteten und die Mannschaft, die für den Tross zuständig war. Ob auch die erste Kohorte der Prätorianer größer war, kann nur gemutmaßt werden. Demnach bestanden unter Augustus die Kohorten der Prätorianer nach heutigem Forschungsstand aus mindestens 4.500 Mann, aufgegliedert zu neun Kohorten à 500 Mann. Auch hier müssen der Stab und die dazugehörige Mannschaft hinzugerechnet werden. Cassius Dio spricht von einer Stärke von 10.000 Mann. Septimius Severus hatte die Sollstärke der Prätorianer verdoppelt. Diese Prätorianerkohorten wurden equitatae genannt, sie bestanden also aus Reitern (equites praetoriani) und einer Mehrheit von Infanteristen (Abb. 3). Ob die Aufteilung wie bei den Hilfstruppen zu 3/4 Infanterie und 1/4 Kavallerie bestand, ist allerdings fraglich, da man sonst mit einer Gesamtstärke von ca. 1.400 Reitern rechnen müsste. Dementsprechend hätte in der castra praetoria auch Platz für die Stallungen der 1.400 Pferde bestehen müssen. Epigrafische und literarische Quellen bieten hierzu kaum ausreichende Informationen. Wir wissen aber, dass die Anzahl der Reiter weit höher war als die der Legion, in der gerade einmal 120 Reiter ihren Dienst absolvierten. Pseudo-Hygin gibt in seiner Marschlagerbeschreibung zumindest eine Stärke von 400 equites praetoriani an, was wiederum nur einen Teil ausmacht, da nicht die ganze Prätorianergarde vor Ort war. Diese equites cohortum praetoriarum ordnen sich in den laterculi, den Militärlisten, und auf den Grabsteinen jeweils einer centurie und keiner einzelnen turma zu.
Den Prätorianerkohorten waren zusätzlich noch Untereinheiten (speculatores augusti, statores und die evocati) beigegeben, die sich aus den Reihen der Prätorianer selbst rekrutierten bzw. ihnen beigeordnet waren. Befehligt wurden diese Kohorten von dem oder den beiden Prätorianerpräfekten; diese stammten aus dem Ritterstand. Jede Kohorte hatte einen Tribunen und sechs Centurionen als Offiziere. Die Letzteren waren untereinander gleich, mit Ausnahme des Trecenarius, der oberste von allen, dessen Name sich dadurch erklären lässt, dass er auch die