Kalewala. Lönnrot Elias
Bat sie auf den Sitz zu kommen.
Klüglich antwortet das Mädchen:
„Nimmer komm’ ich in den Schlitten,
Wenn den Stein du mir nicht schälest,
Eine Gert’ aus Eis mir hauest,
Ohne daß die Splitter springen,
Daß ein Stäubchen weiter flieget.“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Ist dabei nicht sehr verlegen,
Schälet rasch des Steines Rinde,
Haut aus Eis ihr eine Gerte,
Ohne daß die Splitter sprangen,
Daß ein Stäubchen sich verirrte;
Rief die Jungfrau in den Schlitten,
Rief auf seinen Sitz das Mädchen.
Klüglich antwortet das Mädchen,
Redet Worte solcher Weise:
„Möcht’ zu dem mich nur begeben,
Der ein Boot mir zimmern könnte
Aus den Splittern meiner Spindel,
Aus den Trümmern meiner Spuhle,
In das Wasser dann es führte,
In die Fluth das neue Schifflein,
Ohne mit dem Knie zu stoßen,
Ohn’ es mit der Hand zu fassen,
Mit dem Arme es zu wenden,
Mit der Schulter es zu ziehen.“
Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte dieser Weise:
„Niemand ist wohl auf der Erde,
Niemand unter’m Himmelsdache,
Der gleich mir ein Fahrzeug bauet,
Niemand der gleich mir es zimmert.“
Nahm darauf der Spindel Splitter,
Nahm der Spuhle krummes Ende,
Eilet fort das Boot zu zimmern,
Hundert Bretter zu verbinden
Zu dem stahlgefüllten Berge,
Zu dem eisenreichen Felsen.
Zimmert eifrig an dem Boote,
Baut das Fahrzeug unverdrossen,
Zimmert einen Tag, den zweiten,
Zimmerte am dritten Tage;
Nicht gerieth die Axt an Steine,
Nicht die Schneide an den Felsen.
Endlich an dem dritten Tage
Lenkte Hiisi rasch den Beilschaft,
Lempo faßte an der Schneide,
Gab dem Schafte kräft’ge Stöße,
Daß die Axt zum Steine schnellte
Und die Schneide hin zum Felsen,
Ab vom Steine prallt’ das Eisen,
In das Fleisch fuhr da die Schneide,
In das Knie des armen Mannes,
In die Zehe Wäinämöinen’s,
Lempo trieb in’s Fleisch das Eisen,
Hiisi fügt’ es in die Adern,
Heftig fluthete der Blutstrom,
Quillt hervor mit allen Kräften.
Wäinämöinen alt und wahrhaft,
Dieser ew’ge Zaubersänger,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„O du Beil mit scharfem Schnabel,
O du Axt mit ebner Schneide,
Solltest in die Bäume beißen,
Solltest in die Tannen hauen,
An die Fichten dich wohl machen,
Birken anzufeinden streben,
Nicht ins Fleisch auf die Art fahren,
Nicht die Adern so zerschneiden!“
Hob dann an mit Zaubersprüchen,
Selbst beginnt er da zu sprechen
Ursprungsworte für die Übel,
Jedes Grundwort recht vollkommen,
Nicht besinnt er sich auf ein’ge
Große Worte von dem Eisen,
Daß er einen Riegel schaffe
Und ein festes Schloß bereite
Jenen Wunden durch das Eisen,
Die der blaue Mund gerissen.
Schon in Bächen floß der Blutstrahl,
Brauste wie ein Strom voll Lärmen,
Er bedeckt der Beeren Stengel,
Und die Kräuter auf den Fluren;
Gab gewiß dort keinen Rasen,
Der nicht überschwemmet worden
Von dem übermächt’gen Blutstrom,
Der gar rauschend vor sich jagte
Aus dem Knie des braven Helden,
Aus der Zehe Wäinämöinen’s.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Pflückte Flechten von den Steinen,
Sammelt Moos sich aus dem Sumpfe,
Rupfet Rasen von dem Boden
Um das große Loch zu stopfen,
Um die Wunde zu verschließen,
Brachte aber nichts zu Stande,
Kann das Blut durchaus nicht stillen.
Wurde von dem Schmerz gedrücket,
Schon empfand er große Mühsal;
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Fing gar heftig an zu weinen,
Schirrte dann sein Roß behende,
Spannt das braune vor den Schlitten,
Setzt sich selber dann mit Mühe
Und erhebet sich im Schlitten.
Schlug das Roß mit seiner Gerte,
Klatschte mit der prächt’gen Peitsche;
Munter lief das Roß von dannen,
Daß der Weg gar bald entschwindet,
Bis er auf ein Dorf gestoßen,
Wo der Weg sich dreifach theilet.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Fuhr den untersten der Wege
Hin zum untersten der Höfe,
Fragte an der Schwelle stehend:
„Ist wohl in dem Hause jemand,
Der des Eisens Thaten schauen,
Der des Helden Schmerz erkennen,
Der die Wunde heilen könnte?“
Saß ein Knabe auf dem Boden,
An dem Ofen dort ein Kindlein;
Gab zur Antwort diese Worte:
„Niemand ist in diesem Hause,
Der des Eisens Thaten schauen,
Der des Helden Schmerz erkennen,
Der dem Leid ein Ende setzen,
Der die Wunde heilen könnte;
Wohnt vielleicht in