Die Ungerächten. Volker Dützer

Die Ungerächten - Volker Dützer


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Teller waschen oder Getränke servieren.«

      Er verzog die Lippen zu einem schiefen Lächeln. »Warum so feindselig? Ich will Ihnen doch nur helfen. Fragen Sie mal im Fracht-Terminal nach Max Pohl. Der kann einen Mechaniker gebrauchen.«

      »Danke, ich werde mir den Namen merken.«

      Hatte sie den Kellner falsch eingeschätzt? Sie befolgte seinen Rat, suchte sich den Weg durch das weitläufige Flughafenareal und gelangte schließlich in den Abfertigungsbereich der Frachtmaschinen. Dort fragte sie nach Pohl, was ihr Kopfschütteln oder ein anzügliches Grinsen einbrachte. Fast war sie bereit zu glauben, dass der Kellner sich einen Spaß mit ihr erlaubt hatte, doch dann beschrieb ein Zollbeamter ihr den Weg zu einem Hangar, der etwas abseits lag.

      Die rostige Nissenhütte mit dem abgerundeten Dach stand in der Nähe der neuen Startbahn, die deutsche Kriegsgefangene 1945 für die Amerikaner gebaut hatten. Unweit des Hangars konnte Hannah die Reste des ehemaligen KZ-Außenlagers Walldorf erkennen, in dem sich ungarische Jüdinnen für die erste betonierte Startbahn zu Tode geschuftet hatten.

      Das breite Rolltor war herabgelassen. Nachdem auf ihr Klopfen niemand geantwortet hatte, drückte sie probeweise die Klinke einer Nebentür. Sie war unverschlossen.

      Hannah betrat den Hangar und wartete, bis sich ihre Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten. Ein Fieseler Storch mit demontiertem Fahrwerk ruhte auf Holzböcken, daneben stand der Rumpf eines Lastenseglers, den man seiner Bespannung beraubt hatte. In einem Winkel der Halle brannte Licht, ein schwerer Schraubenschlüssel fiel klappernd auf den Betonboden, ein derber Fluch erschallte.

      Hannah umrundete die Flugzeugwracks. Das Licht eines starken Scheinwerfers erhellte eine silbern glänzende Junkers 52. Vor dem rechten Tragflächenmotor balancierte ein untersetzter Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren auf einer Stehleiter. Er trug derbe Schuhe, ein verwaschener blauer Overall spannte über dem fassförmigen Bauch. Auf seinem Kopf thronte eine zerknautschte Fliegermütze. Die Ohrenwärmer hatte er zum Schutz gegen die Kälte heruntergeklappt. Er lutschte an seinem Daumen, schüttelte die Hand und fluchte erneut.

      Hannah hob den Schraubenschlüssel auf.

      »Hier, den haben Sie verloren.«

      Aufgeschreckt sah er nach unten, die Leiter wackelte bedrohlich. Im letzten Augenblick hielt er sich an dem freigelegten Motor fest. Hannah sah, dass sein linker Arm in einer Prothese endete. Ungelenk stieg er auf den Boden herab, stakste steifbeinig auf sie zu und entriss ihr den Schraubenschlüssel.

      »Was zum Teufel hast du hier zu suchen, Mädchen?«, fragte er drohend.

      »Ich will zu Max Pohl.«

      Er blickte sie übellaunig an. Sein Gesicht ähnelte dem eines Seemanns, der jahrzehntelang Wind und Wetter ausgesetzt gewesen war. Pohl – wenn er es denn war – besaß die hellsten Augen, die Hannah je gesehen hatte. Sie schimmerten in einem wässrigen Blau, das beinahe durchsichtig war.

      »Und was willst du von ihm?«, fragte er.

      Sie presste die Lippen zusammen und schwieg trotzig. Sollte sie diesem ungehobelten Kerl wirklich verraten, warum sie gekommen war? Sie würde nur einen weiteren Lachanfall provozieren. Das alles erschien ihr sinnlos. Andererseits hatte sie nichts zu verlieren. Pohl war ihre letzte Chance, schlimmer konnte es nicht mehr kommen.

      »Sind Sie nun Max Pohl oder nicht?«

      »Der bin ich.«

      »Ich suche Arbeit. Sie wurden mir empfohlen.«

      »Empfohlen?« Er kicherte und steckte sich umständlich mit der verbliebenen Hand eine Zigarette an. »Glaub ich nicht. Ich brauche keine Putzfrau und erst recht keine Köchin. Tut mir leid, Mädchen.«

      »Ich bin Pilotin.«

      Pohl starrte sie mit offenem Mund an. Die Zigarette klebte an seiner Unterlippe und versengte ihm beinahe das Kinn. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte, dass es von den Blechwänden des Hangars widerhallte. Hannah verspürte Lust, ihm den Schraubenschlüssel über den Schädel zu ziehen. Stattdessen kletterte sie trotzig die Leiter empor und untersuchte den Tragflächenmotor.

      »Was stimmt denn nicht mit ihm?«, fragte sie.

      Pohl lachte blubbernd und wischte sich Tränen aus den Augen. »Sag bloß, du verstehst was von Mechanik?«

      »Das ist ein BMW-Hornet-132-Sternmotor. Wie beim R-1690 besteht das Gehäuse aus fünf Teilen – dem geteilten Kurbelgehäuse, dessen Hälften durch neun Schrauben miteinander verbunden sind, dem Gemischladergehäuse und dem Geräteträger«, erklärte sie. »Im Gehäusevorderteil sieht man die Befestigungszapfen für den Nockentrommelantrieb, der die Nocken und das mit der Kurbelwelle verbundene Vorgelege enthält. Die Übersetzung beträgt eins zu acht. Die 801-Triebwerke drehen höher und kraftvoller, haben aber Probleme mit der Kühlung.« Hannah schnalzte kopfschüttelnd mit der Zunge. »Sieht ziemlich trocken aus, das Goldstück.« Sie untersuchte den Sternmotor genauer. »Ah, hier leckt es raus. Ich tippe auf die Dichtungen der Ölförderpumpe. Die machen häufig Ärger.«

      Sie wischte sich die Hände ab und stieg die Leiter hinunter. »Wie sieht’s aus? Haben Sie nun Arbeit für mich?«

      Pohls mächtiger Brustkorb begann zu zittern. Er gluckste und fiel in ein dröhnendes Lachen. Diesmal klang es nicht mehr spöttisch.

      »Da hol mich doch der Teufel.« Er packte ihre Hand und schüttelte ihren Arm wie einen Pumpenschwengel. »Ich bin Max Pohl«, sagte er lachend. »Kannst Max zu mir sagen.«

      »Hannah Bloch.«

      Er rieb sich den Nacken. »Sag mal, wo hast du denn gelernt, wie ein Sternmotor funktioniert?«

      »Bei den Amerikanern.« Sie berichtete von ihrer Ausbildung bei der US-Army und von Scott, verschwieg jedoch, in welcher Beziehung sie zueinander gestanden hatten.

      Pohl ließ sich ihre Fluglizenz zeigen, wiegte verwundert den Kopf und seufzte.

      »Vor dem Krieg liefen die Geschäfte gut. Ich hatte drei Ju 52 und ein paar kleinere Flugzeuge. Fünf Mann arbeiteten für mich. Wir flogen Frachtgut nach Frankreich, Belgien und England, bis der Krieg ausbrach. Die Maschinen wurden konfisziert, meine Leute zur Wehrmacht eingezogen.« Er hob steif den linken Arm und präsentierte die Handprothese. »Keinen von den Jungs habe ich je wiedergesehen, sind alle in Stalingrad geblieben. Hab selber ein Andenken an den verdammten Krieg behalten.«

      Er deutete auf die Junkers. »Den fliegenden Koffer konnte ich retten, aber er nützt mir nichts. Außer den Alliierten darf ja keiner starten.« Er zuckte mit den Schultern. »Mit einer Hand kann man sowieso kein Flugzeug steuern. Trotzdem will ich die Tante wenigstens in Schuss halten.«

      »Kommen Sie denn an Aufträge?«, fragte Hannah.

      »Schlag dir das aus dem Kopf, Mädchen. Klar, ich habe gute Kontakte, weiß, was gerade läuft. Die Amerikaner sind völlig überlastet, aber sie lassen uns Deutsche nicht hinter den Steuerknüppel.«

      Hannah strich sehnsuchtsvoll über den glänzenden Rumpf der Ju 52. »Ich könnte da vielleicht etwas arrangieren.«

      »Du?«

      »Ich kann nichts versprechen, aber ich werd’s versuchen. Wie wär’s damit? Wenn ich uns eine Lizenz besorge, machen wir halbe-halbe. Ich steige ins Geschäft ein und fliege die Kiste. Sie kümmern sich um den Rest. Wenn ich einen Co-Piloten brauche, können Sie einspringen. Das schaffen Sie auch mit einer Hand.«

      Pohl atmete rasselnd und blickte sie nachdenklich an. »Bist nicht gerade bescheiden, was, Kleine?«

      Hannah schüttelte lachend den Kopf. Sie hatte das Gefühl, dass sie mit dem alten Brummbär gut auskommen würde.

      »Also gut. Ich bin einverstanden. Wenn du die Erlaubnis der Amerikaner bekommst, besorge ich uns Arbeit.«

      »Abgemacht … Max.«

      Sie schüttelten sich die Hände und grinsten um die Wette. Hannah hatte den Mund ziemlich vollgenommen,


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