Arnika - Königin der Heilpflanzen - eBook. Frank Nicholas Meyer

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aus der Gegend, wo ich wohne, die sonst häufig da waren, zum Beispiel Gentiana ciliata, Verbena europaea, Pinguicula vulgaris. (…) Ich sehe doch nicht, dass die Arnika fehlt, von der man jährlich einen Pferdekarren voll sammelt und in Apotheken bringt« (Goethe, zitiert in MAYER/CZYGAN 2000, S. 31).

      Wie sieht es seither aus? In den letzten zwei Jahrhunderten wurde die Arnika durch intensives Sammeln und den schleichenden Verlust geeigneter Lebensräume so rar, dass sie in verschiedenen Ländern Europas vom Aussterben bedroht ist und seit Langem unter Naturschutz steht. In Deutschland zählt sie zu den besonders geschützten Arten, das heißt, dass das Ausgraben und Sammeln von unter- und oberirdischen Teilen wild wachsender Pflanzen überall verboten ist; man kann aber eine offizielle Sammelgenehmigung beantragen. Die Firma WALA erntet mit Sammelgenehmigung Frischpflanzen auf gepachteten Wildstandorten, unter anderem im Schwarzwald, auf Wiesen, die durch Beweidung gepflegt werden. In Österreich und in der Schweiz sind die Einschränkungen je nach Region unterschiedlich. In Österreich dürfen Blütenköpfe in einigen Bundesländern gepflückt werden, in anderen ist die Arnika vor dem erwerbsmäßigen Handel geschützt. In der Schweiz ist sie in einigen Kantonen vollständig oder teilweise geschützt, in anderen gilt sie als nicht gefährdet (Rote Liste der gefährdeten Arten in der Schweiz 2002).

      Naturschutz darf sich jedoch nicht auf ein Sammelverbot beschränken. Bedroht ist die Arnika zum einen durch eine düngungsintensive Landwirtschaft, zum anderen aber gerade durch das Fehlen einer Bewirtschaftung. Wird weder gemäht noch beweidet, verändert sich die Artenzusammensetzung der Wiesen oft so sehr, dass die Arnika verdrängt wird. Die wild wachsende Arnica montana benötigt heutzutage also die sorgsame Pflege durch verantwortungsvolle Menschen. Eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen gibt das deutsche Bundesamt für Naturschutz unter https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/natura2000/Dokumente/Pfl_Arnimont.pdf. Sie braucht aufmerksame Bauern, die die geschützten Standorte zu den richtigen Zeiten mähen, indem sie die Fruchtreife der Arnika beachten und die Zwergsträucher in Schach halten. (Dies wird auch in unserem Arnikafilm deutlich, siehe https://tinyurl.com/arnika-heilt.) Andererseits unterstützt eine sachgemäße Beweidung auch die Ausbreitung der Arnika, da die Tiere ihr durch das Kurzhalten der übrigen Kräuter Raum und Licht verschaffen. Kühe fressen zwar die Blütenstände des giftigen weißen Germers (Veratrum album), nicht aber die bittere Arnika! Ebenso regt das achtsame Ernten von Blütenkörben oder auch der ganzen oberirdischen Pflanzen inklusive eines kurzen Rhizomstücks die Rhizome zu einer verstärkten Vermehrung an.

      Um sich die benötigten Mengen vorstellen zu können, sei auf ein Zitat von Michael Straub verwiesen: »In Europa werden pro Jahr 50 bis 60 Tonnen Arnikablüten aus Wildsammlung verarbeitet«. (MEYER und STRAUB 2011, S.55). Hinzu kommen angebaute Pflanzen. Um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden, fehlte es nicht an Züchtungsforschung. So berichtete Ulrich Bomme, emeritierter Professor an der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau in Freising-Weihenstephan, im Jahr 2000 von den Erfolgen einer neuen Arnica-montana-Sorte mit dem Namen ‘Arbo’ (Sortenschutz seit 1998): Sie zeige einen guten und gesunden Wuchs und einen hohen Ertrag an Blütenkörben. Bei der Sorte ‘Arbo’ bildet jede einzelne Arnikapflanze zahlreiche Rosetten, die ganz eng beieinanderbleiben, wodurch ein dichter Tuff entsteht. Die Arnikakreuze überlagern sich dadurch. Die oberirdischen Triebe entfalten sich nahezu gleichzeitig, und jeder endet mit drei oder mehr Blütenköpfen; die Zungenblüten sind dynamisch verwirbelt. Samen der Sorte ‘Arbo’ gehen im Anbau besser auf als Samen aus Wildherkünften, sie sind auch nicht so anspruchsvoll in Bezug auf die Bodenverhältnisse. Die erfolgreiche Einführung dieser Sorte führte dazu, dass seit 2000 die amerikanische Arnica chamissonis nicht mehr als Bestandteil von »Arnikablüten« gestattet ist (European Pharmacopeia 9, 2016, siehe auch Seite 30). Saatgut der Sorte ‘Arbo’ kann man beim Templiner Kräutergarten oder über Jelitto Staudensamen erhalten.

      Wieder zum Blühen gebracht: Arnika in Fichtelgebirge und Frankenwald

      Goethe wird auf seinen Reisen nach Marienbad im nördlichen Fichtelgebirge und Frankenwald noch üppige Arnikabestände gesehen haben. Selbst bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren noch zahlreiche Wiesen mit großen Arnikavorkommen vorhanden. Überdüngung und Aufforstung führten dann zum Verschwinden der letzten Bestände.

      Dank der Förderung durch das Bundesamt für Naturschutz, den Aktivitäten der Landräte Bernd Hering und Dr. Oliver Bär sowie des Landschaftspflegeverbands Landkreis und Stadt Hof konnte in den letzten Jahren ein für Deutschland einmaliges Projekt initiiert werden. Durch gezielte Maßnahmen wurde an vielen Flecken die Arnika wieder zum Blühen gebracht, sodass nun hier die wohl deutschlandweit größten Arnikabestände zu finden sind.

      Arnika-Rad- und -Wanderwege weisen dem interessierten Laien den Weg und lassen ihn staunen über die Kraft und die Schönheit der Arnika. (Weitere Informationen unter http://arnikaprojekt-hof.de)

      Ähnlich ist das Erlebnis auf den Arnikawiesen in der Arnika-Stadt Teuschnitz im nördlichen Frankenwald. Hier gibt es sogar regelmäßig im Sommer ein Arnikafest und eine Arnikaakademie. (Weitere Informationen unter http://teuschnitz.de/arnika-akademie)

      Diese Arnikawiese am »Alten Pfarrhaus« bei Schönwald ist Teil des Arnikaprojekts Hof.

      Auch in den Niederlanden, in deren Sandböden die Arnika relativ gut gedeiht, wird Arnika angebaut. (SCHÜPBACH 1997). Arncken und Ortin untersuchten in den 1990er-Jahren zwei verschiedene Höfe, auf denen Arnica montana in biologischer Qualität feldmäßig angebaut wurde. Während auf dem einen Hof die Pflanzen klein und wohlgeformt blieben und den arnikatypischen Geruch und Geschmack zeigten, wurden sie auf dem anderen zu üppig und verzweigten sich stark. Für unsere Betrachtung ergab sich dabei etwas Bedeutsames: Durch die Massebildung im Vegetativen ging einerseits das Arnikakreuz am Boden verloren, andererseits wuchsen die Zungenblüten geordneter. Außerdem rochen die verdickten Rhizome rüben-/möhrenartig. Man kann sagen: Eine zu triebig wachsende Arnica montana verliert sowohl ihre arteigene Gestalt als auch ihre typische Substanz.

      Schutz der Arnica montana durch nachhaltige Wildsammlung in Rumänien

      Interview mit Michael Straub, Heilpflanzenexperte

      Das Apuseni-Gebirge liegt im Westen Rumäniens. Es ist Teil der Westrumänischen Karpaten und bietet ein äußerst vielfältiges Landschaftsbild mit wunderschönen Mischwäldern, grünen, noch traditionell bewirtschafteten Wiesen und Weiden sowie Ausblicken auf alpine Gipfel bis in eine Höhe von über 1800 Metern. Im Zentrum dieses Naturparadieses, in dem etwa 500 Wildpflanzenarten, darunter rund 250 Heilpflanzen, gedeihen, entstand seit der Jahrtausendwende ein zukunftsträchtiges Projekt, das nicht nur wegweisend für die Heilpflanzenkultivierung ist. Es ist auch bedeutsam für den Erhalt des natürlichen Umfelds und der über Jahrhunderte gewachsenen sozialen Strukturen in einer ländlichen Umgebung, wo noch weitgehend mit der Hand und mit Pferden gearbeitet wird – ohne großen Einsatz von Maschinen, ohne Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln oder synthetischem Dünger. Unter dem Motto »Schutz durch Pflege und Nutzung« wird hier die Wildsammlung der im Apuseni weitverbreiteten Arnika vorangetrieben, mit den Zielen, hochwertigste Arnika als Rohstoff für Naturarzneimittel und Naturkosmetik zu nutzen, den Fortbestand der Arnikabestände nachhaltig zu sichern und damit auch neue Wertschöpfungsmöglichkeiten für die ansässigen Kleinbauern zu schaffen. Diese betreiben Subsistenzwirtschaft, sind also weitgehend Selbstversorger. Es geht hier nicht um billige Arbeitskräfte und Rohstoffe, sondern um nachhaltige Nutzung, faire Arbeitsbedingungen und Qualität.

      Wir sprachen über dieses großartige Projekt mit Michael Straub aus Mutlangen, einem der weltweit führenden Experten für die Sammlung, den Anbau und die Verarbeitung von Heilpflanzen. Der 1959 geborene Diplom-Agraringenieur hat als Anbauberater für Rohstoffprojekte bei Demeter und Weleda international


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