Arnika - Königin der Heilpflanzen - eBook. Frank Nicholas Meyer

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Arnikas – Heilpflanzen der Indianer

      DieVerwendung der amerikanischen Arnikaarten durch die Indianer wurde im Jahre 1927 erstmals von Alpheus HyattVerrill beschrieben. Verrill, der angesehene Universalgelehrte und Schriftsteller, geht sogar so weit zu behaupten, die Arnika sei wie Kartoffeln, Mais, Tabak und andere Pflanzen vor der Entdeckung Amerikas in Europa unbekannt gewesen. Dieser Vergleich ist sachlich nicht richtig, schließlich ist Arnica montana, ganz im Gegensatz zu Tabak, Mais und Kartoffel, eine in Europa heimische und weit verbreitete Pflanze. Es bleibt jedoch bemerkenswert, dass die europäische Arnika, der Bergwohlverleih (Arnica montana), erst ab dem 16. Jahrhundert an Popularität gewann (siehe »Die Arzneigeschichte der Arnika« ab Seite 86). Der Siegeszug von Arnica montana ist vor allem der Homöopathie zu verdanken, durch die Arnikaglobuli, -salben und andere Arnikamittel in die entferntesten Winkel der Erde Einzug gehalten haben.

      Wissenschaftlich belegte Arnikaanwendungen bei den indigenen Völkern Nordamerikas

      In der folgenden Übersicht werden die jeweils dokumentierten Arten nicht extra berücksichtigt. Fast allen der genannten Indikationen begegnen wir auch in Europa bei der Verwendung von Arnica montana.

      • Sinnesorgane, Kopf und Hals: Augenentzündungen, Zahnschmerzen, Halsschmerzen, Haarausfall

      • Schmerzen: Rückenschmerzen, Schmerzen aufgrund von Schwellungen

      • Verletzungen: Prellungen, Verstauchungen, Schnittverletzungen und andere Wunden, Insektenbisse

      • Bauch: Magenprobleme, Verdauungsstörungen

      • Sonstiges: Tuberkulose, Warzen, Altersflecke, allgemein als Stärkungsmittel

      • Ebenso ist die magische Verwendung von Arnica latifolia, der breitblättrigen Arnika, als Liebeszauber belegt, wie bei Hildegard von Bingen (siehe Seite 86) für »de Wolfesgelegena«. Außerdem die Einnahme von Arnica latifolia und der herzblättrigen Arnika, Arnica cordifolia, als Aphrodisiakum. Verwendet wurden bei den genannten Indikationen sowohl die unterirdischen Teile als auch die ganze Pflanze. Zubereitet wurden Aufgüsse für die innerliche und äußere Anwendung sowie Breis aus der ganzen Pflanze für Umschläge. Zahn- und Halsschmerzen wurden durch Kauen von Arnica cordifolia behandelt.

      Welche Arten von den Indianern verwendet wurden, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Der Chicagoer Historiker Virgil J. Vogel (1918–1994) spricht von vier Arten, die von den einzelnen Stämmen genutzt wurden: Arnica fulgens, Arnica sororia, Arnica cordifolia, die herzblättrige Arnika, und Arnica acaulis. Ferner sind Anwendungen belegt für Arnica discoidea und die wollige Arnica mollis. Die reduzierte Gestalt und das würzige Aroma der letzteren, die auch in einer der Kalifornischen Blütenessenzen Verwendung findet, kommen dem Habitus von Arnica montana recht nahe. Es ist davon auszugehen, dass die Indianer je nach Bedarf mit anderen Arnikaarten geheilt haben.

      Heinz J. Stammel (1926–1989) nennt 1986 Arnica lanceolata und Arnica chamissonis als indianische Heilpflanzen. Letztere, die Wiesenarnika (Meadow Arnica), ist von Alaska bis Kalifornien verbreitet und wächst in feuchten Wiesen. Näheres über sie auf der folgenden Seite.

      Die Fähigkeiten der Arnica montana

      Sowohl innerhalb ihrer großen Korbblütler-Verwandtschaft als auch in ihrer Gattung stellt Arnica montana eine Besonderheit dar. Sie ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig, denn sie vereint sehr eigenwillige Qualitäten, die nur für sie charakteristisch sind.

      Es beginnt mit ihrem Verbreitungsgebiet: Was bedeutet es, wenn sich eine Pflanzenart so eindeutig von ihren Verwandten separiert? Nur Arnica montana ist eine wirklich gesamteuropäische Pflanze, von Südeuropa bis nach Skandinavien lebend. Sie wurde von Linné montana genannt, weil sie typischerweise in Mittelgebirgen wächst; sie kann aber auch im Hochgebirge bis in 2800 Meter Höhe gefunden werden. Die viel kleinere Arnica angustifolia (auch als Arnica alpina bezeichnet) wird nur bis 15 Zentimeter groß und wächst in Skandinavien, im nördlichen Russland und auf Spitzbergen, beschränkt sich also auf den Norden Europas. Von den zahlreichen nordamerikanischen Verwandten ist bei uns nur die bereits erwähnte Wiesenarnika, die Arnica chamissonis, bekannt. Ihren Namen bekam sie von dem Arzt und Botaniker Christian Friedrich Lessing (1809–1862), einem Enkel des Dichters Gotthold Ephraim Lessing, zu Ehren des aus Frankreich geflohenen preußischen Offiziers, Dichters und Weltumseglers Adalbert von Chamisso. In Schweden hat sie sich als Neophyt eingebürgert, in Russland und in Ostdeutschland wird sie seit Längerem angebaut. In Gartenmagazinen wird mit ihrer einfachen Kultivierbarkeit geworben. Ihre Unterart Arnica chamissonis ssp. foliosa ist bis zu 90 Zentimeter groß, reich verzweigt, trägt viele Blätter und zahlreiche gelbe Blütenkörbchen. Sie war von 1984 bis 2000 als Stammpflanze im Arzneibuch ebenfalls zugelassen (WICHTL 2016), um zusätzlich zu Arnica montana »Arnikablüten« für phytotherapeutische Zubereitungen zu liefern (entsprechend der Monographie der Kommission E, der Sachverständigenkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte).

      Beim Betrachten von Bildern der amerikanischen Arnikaarten fällt sofort eine Besonderheit von Arnica montana auf. Sie wird für eine Gebirgspflanze erstaunlich lang (30 bis 60 Zentimeter), verzichtet aber weitgehend auf Verzweigungen und Blattmasse. Ihr Thema ist: Zurückhaltung in der oberirdischen Gestalt.

      Alle Arnikaarten haben gegenständige Blätter, was bei Korbblütlern selten ist. Typischerweise sind bei diesen vegetativ so kräftigen Pflanzen die Blätter spiralig angeordnet – das ist an einer Sonnenblume schön zu sehen. In der goetheanistischen Naturbetrachtung gilt die Gegenständigkeit von Laubblättern als Zeichen einer blütenhaften Durchdringung, wie beispielsweise bei den Lippenblütlern. An natürlichen Standorten beschränkt sich Arnica montana oberirdisch auf einen aufrechten Stängel und eine Dreiergruppe von Blütenkörbchen: nämlich auf den größeren endständigen Blütenstand sowie zwei kleinere aus den beiden etwas tiefer stehenden Blättern. Erst viel weiter unten, näher am Boden, entspringt in der Regel ein weiteres, größeres Blattpaar.

      Arnica montana wächst am liebsten in Mooren, in Heiden, in Silikatmagerrasen und lichten Wäldern, auf feuchten, nährstoff- und kalkarmen, sauren Böden. Von daher liegen die wichtigsten Standorte im kieselhaltigen Urgestein. Sie ist jedoch auch in Kalkgebirgen zu finden, zum Beispiel in den Karawanken, wenn durch starken Niederschlag der Kalk in den obersten Erdschichten ausgewaschen wurde. Sie liebt Stellen mit einer relativ dichten Rohhumusschicht aus abgestorbenem, aber noch nicht vollständig zersetztem Pflanzenmaterial; Stellen, die feucht und ausreichend durchlüftet sind, sich im Sommer gut erwärmen und beim Betreten federnd schwingen. Immer braucht die Arnika in der Erde genügend Feuchtigkeit. Oberirdisch sind ihre Standorte meist stark dem Wind, dem Licht sowie Wärme und Kälte ausgesetzt.

      Eine eindrückliche Beschreibung eines Erlebnisses mit der Arnika gibt die Apothekerin Christina Kiehs-Glos. Sie zeltete in den Vogesen am Rande von Arnika-Hochflächen, als Regenfluten und ein Orkan über die Landschaft hereinbrachen: »In der dritten Nacht gab ich auf, flüchtete, das Zelt dem Sturm überlassend, ins Auto, vorbei an Hunderten blühender Arnika. Sie alle tanzten im Wind und schienen das entfesselte Element zu genießen. Keine einzige war geknickt, keine einzige hatte den Kopf verloren« (KIEHS-GLOS 2002, S. 21).

      Gestalt und Entwicklung der einzelnen Pflanzenteile

      Das wichtigste Organ der Arnika ist das unterirdische Rhizom, ein annähernd horizontal wachsender »Erdspross«, rhythmisch gegliedert in Knoten und Internodien und nur maximal sechs Millimeter dick. Dieses Rhizom verbindet sich wenig mit dem Untergrund, sondern bleibt dicht unter der Erdoberfläche im Bereich der oben geschilderten Rohhumusdecke oder in Moornähe unter den Moospolstern. Es wird mehrere Zentimeter lang und spiegelt die Aktivitäten der Arnika im Jahresgang wieder: dickere, gestauchtere Abschnitte mit eng beieinanderliegenden Knoten und Blattnarben verweisen auf das Sommerwachstum; schmalere, weiter auseinanderliegende Knoten und Blattnarben entsprechen dem Frühjahrswachstum. Die Rhizome verzweigen sich zu einem Netzwerk, sodass die verschiedenen Erdsprosse benachbarter Pflanzen neben- und übereinander verlaufen. Nach einigen Jahren sterben die ältesten Teile ab.

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