Angelus Mortis. Theodor Hildebrand

Angelus Mortis - Theodor Hildebrand


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einen Gegenstand zu sprechen, der uns hier näher angeht.

      »Nun, Frau Oberstin«, fuhr er im Fluss seiner Rede fort, »sie haben ja eine liebenswürdige Nachbarin bekommen. Ich sage: liebenswürdig, obgleich ich nicht recht weiß, warum; denn mich hat sie mit einer verzweifelten Strenge behandelt. Erst am vergangenen Dienstag erfuhr ich, dass sich hier in der Gegend eine fremde Dame niedergelassen hat, deren Schönheit allgemein gelobt wird; ich hielt es daher für meine Pflicht, ihr sogleich einen Besuch abzustatten, nicht zuletzt, um ihr einen guten Eindruck von unseren hiesigen Herren zu vermitteln. Gestern also begab ich mich zu dem Häuschen im Wald, meinen Regenschirm unter dem Arm, weil man dem Wetter derzeit ebenso wenig trauen kann wie den Menschen. Als ich ankam, war die Haustür verschlossen. Ich fand dies nicht ungewöhnlich, weil ja ein jeder in seinem Hause Herr sein will; ich klopfte daher an und man öffnete. Schon war ich im Begriff einzutreten, als ich plötzlich ein wahres Gespenst vor mir sah, das mir den Weg versperrte. Stellen sie sich den größten und zugleich den magersten aller Menschen vor: ein Gesicht wie ein Jesuit, Augen wie eine Eule und eine Miene, als wenn er eher ein Bewohner jener als dieser Welt wäre; eine raue und hohle Stimme, eine Manier wie ein Holzblock und einen völlig verpesteten Atem.

      ›Was wollen sie hier?‹, fragte er mich, ohne weiter irgendeine Höflichkeitsformel hinzuzusetzen.

      Diese unartige Frage überraschte mich zwar ein wenig, da sich aber ein Edelmann aus altem Geschlecht so leicht nicht in Verlegenheit bringen lässt, so antwortete ich ihm:

      ›Ich bin ein Edelmann aus der Nachbarschaft, der deiner Herrschaft seine Hochachtung erweisen will und daher bei ihr vorgelassen werden möchte.‹ — Nach dieser artigen Rede hatte ich einiges Recht zu glauben, dass ich sogleich Zutritt bei der Dame erhalten würde; aber ich irrte mich gewaltig, wie sie gleich hören werden. Denn dieser neue Zerberus nahm auf meine Höflichkeit gar keine Rücksicht.

      ›Ich kann sie nicht einlassen‹, antwortete er mir, ›denn meine Herrschaft ist stets mit Geschäften überhäuft und hat keine Zeit, Besuche zu empfangen. Sie ist nicht hierhergekommen, um Gesellschaft zu suchen, und sie würden auch beim nächsten Mal vergebens hierherkommen.‹

      So sprach der grobe Mensch, und ohne meine Antwort abzuwarten, trat er einen Schritt zurück und schlug mir mit heftigem Geräusch die Tür vor der Nase zu. Ich würde nicht imstande sein, ihnen meinen Ärger hierüber der Wahrheit gemäß zu schildern. Natürlich entfernte ich mich sogleich voller Verachtung von diesem ungastfreundlichen Haus und fasste den festen Vorsatz, alle meine Nachbarn vor einem gleichen Schicksal zu warnen, falls es ihnen etwa einfallen sollte, den hergebrachten Formen der Höflichkeit nachzukommen.«

      Diese Erzählung belustigte Helene sehr; sie nahm sich jedoch vor, sich keinesfalls einer ähnlichen Ablehnung auszusetzen, so groß auch ihr Wunsch war, die geheimnisvolle Fremde kennenzulernen. Sie hoffte, ihr auf einem Spaziergang mit ihren Kindern zu begegnen; für jetzt tadelte sie aber hart die Unhöflichkeit des Bedienten, indem sie die Bemerkung machte, dass Herr von Krauthof ihm ohne Zweifel völlig unbekannt gewesen sein müsse; denn, setzte sie hinzu, hätte er gewusst, mit wem er die Ehre gehabt hatte, zu sprechen, würde er sich einer solchen Grobheit gewiss nicht schuldig gemacht haben.

      Der ehemalige Oberjägermeister wurde durch dieses, aus einem so schönen Mund hervorgegangene Kompliment beinahe völlig für sein Missgeschick getröstet, und um es desto besser zu vergessen, beeilte er sich, eine andere Unterhaltung aufs Tapet zu bringen. Er fing an, von Politik zu sprechen. Helene wusste, dass man dem Strom seiner Rede bei diesem Thema freien Lauf lassen musste und er ganz entzückt diejenigen Häuser verließ, wo man ihn, ohne ihn zu unterbrechen, anhörte. Auch sprach er heute so ganz nach Herzenslust, der gute Mann! Ihm war nichts unbekannt, alle Geheimnisse der Höfe lagen offen vor ihm; er setzte Minister ab und schuf neue; er sagte den Gang der politischen Ereignisse voraus, kurz, er spielte eine ganze Stunde lang den Gesetzgeber von ganz Europa. Helene hörte ihm mit einem Anschein von Teilnahme zu, die ihn ganz bezauberte, und voller Zufriedenheit verließ er das Schloss, um einen benachbarten Grafen zu besuchen, wo er im Lob der Oberstin unerschöpflich war.

      »Alles gut und schön«, entgegnete man ihm dort; »aber von welcher Familie stammt sie ab? — Sie und ihr Mann, mein Bester, sind Emporkömmlinge, und als solche werden sie immer nur ehrliche Bürgersleute bleiben, was doch wahrhaftig nicht viel ist!«

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