Unabwendbare Zufälligkeiten. Inge Borg

Unabwendbare Zufälligkeiten - Inge Borg


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rum, wollte nicht richtig mit der Sprache heraus, aber irgendwas stimmte nicht, anscheinend betraf es Monika, Franks geschiedene Frau und die Buchhaltung. Sehr komisch, immer dieselbe Leier mit der Frau, war im Moment alles, was er begriff. Er und Monika waren schon mehrere Jahre in der Firma Hansen beschäftigt. Sie lernten sich auch erst dort kennen und heirateten. Ein Fehler, wie sich schnell herausstellte, die Ehe missglückte. Monika war eine dominante und nach außen hin kalte Person, und noch bevor Frank in die Firma eintrat, war sie dort die Haupt-Buchhalterin gewesen. Man kannte sie als überaus ungeduldige Person, rechthaberisch im Beruf wie auch meist privat. Kurz gesagt, ihre voreingenommene und berechnende Art, machte allen das Leben nicht gerade leicht. Und wenn es ihr von Nutzen erschien, die Eigenschaften wie listig und verschlagen beherrschte sie besonders gut. Demzufolge war der Verschleiß an Personal in ihrem Bereich enorm. Also wieder das reinste Fiasko. Lukas hatte etwas von ‚Ding gedreht‘ geredet und in Franks Vorstellung ging es wahrscheinlich wieder um eine Kündigung, die nicht rechtens war und er sollte schlichten. Das geschah ja nicht zum ersten Mal. Es war Freitag, wenn er sich jetzt ins Auto setzte, könnte er schon in gut zwei Stunden im Betrieb sein. Andererseits, was sollte er heute noch ausrichten? Reichte es nicht, wie vorgesehen nach Urlaubsende, erst am Montag seinen Platz wieder einzunehmen?

      Susanne sah hoch und bemerkte sofort Franks eigenartigen undefinierbaren Gesichtsausdruck. Sie unterbrach ihre Arbeit, zog die Arbeitshandschuhe aus, warf sie achtlos auf einen der Gartenstühle und stand nun dicht vor ihm. „Frank? Was ist? Hallo? Bist du noch da? Ach komm, mir ist kalt, ich koche uns Tee und du sagst mir wer am Telefon war, was dich so aus der Bahn wirft.“

      Frank berichtete kurz über das fragwürdige Gespräch mit Lukas. Redete von seiner Ex, die auch seine Kollegin sei und dass sein Freund sicherlich nicht angerufen hätte, wäre es nicht wieder brandeilig.

      Susanne schluckte, die ihr bis dahin noch unbekannte Zeit aus Franks Vorleben traf sie im Moment unvorbereitet, aber sie fühlte seinen Zwiespalt und reagierte einzig richtig: „Wir haben uns noch so viel zu sagen, Frank, das wird mir eben jetzt erst richtig bewusst. Doch das Gespräch eben, mit deinem Freund, diese Ungewissheit was da los ist, das würde dich den Rest der Woche beschäftigen. Also fahr zurück und ruf mich an, sobald es dir möglich ist.“

      Frank nickte. „Ja, das wird wohl das Beste sein.“ Susannes Verständnis für diese momentane Lage beruhigte ihn etwas und er machte sich in aller Eile reisefertig.

      Brigitta bemerkte zufällig wie Frank Richtung Stadt davon fuhr und erblickte nun Susanne, die ihm hinterher winkte. Verwundert darüber, dass Frank ohne Susanne wegfuhr, ohne tschüss zu sagen, rief sie: „Wohin fährt er?“

      „Nach Hause, in die Firma. Da kam vorhin ein dringender Anruf.“ Susanne hörte sich traurig und enttäuscht an.

      Brigitta näherte sich und legte tröstend einen Arm um Susannes Taille. „Erzähl mir ein wenig genauer davon, wie das alles so war in letzter Zeit und wie das weiter gehen soll oder kann. Was habt ihr eigentlich vor?“

      „Wenn ich das wüsste? Hänge im Augenblick etwas in der Luft“, seufzte Susanne, während sie ins Haus gingen. Dann begann sie wieder mit Michaels Entdeckung eines Fremden am Steg und Brigitta hörte ihrer ausführlichen Schilderung zu. Susanne sprach von der Möglichkeit einer Verwandtschaft ihrer Seelen, die, wie sie glaubte, sie mit Frank verband und von jener magisch empfundenen Stille und Ruhe um sie herum, als Frank überraschend zum Picknick aufgetaucht war. „Weißt du, Gitta, dieses tiefe Empfinden erlebte ich ja schon einmal, damals in der Heide, du weißt was ich meine, das war eine Landschaft, die nicht meine Gefühle erwidern konnte. Aber diesmal ist da ein Mensch, der so fühlt wie ich. Ja, Frank fühlt und denkt darin genauso wie ich. Aber nun merke ich erst, wir nehmen unsere Liebe beinahe wie selbstverständlich hin, als wären wir uns überhaupt nie fremd, nur mal ein paar Jahre getrennt gewesen. Gewiss ist es prickelnd, doch ich fühle, es ist nicht nur Verliebtheit, sondern wir waren gleich einfach füreinander da, ohne darüber überhaupt weiter nachzudenken. Wir haben uns dafür gar nicht die Zeit genommen, es war einfach da, unser tiefes Vertrauen! Zufall, Schicksal, unabwendbar! Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Na ja, Frank blieb an dem Abend nach dem Picknick hier, er nahm mich wortlos in seine Arme und wir ließen uns treiben und das war himmlisch. Und jetzt wollte Frank kommenden Sonntag nach dem Mittagessen zurück fahren. Was danach sein würde, ich habe nicht den blassensten Schimmer, wirklich nicht. Wir haben es einfach ausgeklammert. Das war falsch, jetzt weiß ich das. Ich hätte mir noch mehr Zeit mit ihm gewünscht, es gibt so viel, was wir voneinander noch wissen sollten. Aber wer fragt denn nach ein paar Tagen Bekanntschaft einen Mann schon nach seiner Vergangenheit?“

      Brigitta schmunzelte. „Sicher keiner! Und überleg doch mal, selbst wenn ihr noch mehr Zeit gehabt hättet, wäre dann über alte Kamellen geredet worden? So etwas braucht nun mal seine Zeit“, vermutete sie ganz richtig.

      Michael traf ein und vermisste Franks Auto. Er lief am Haus vorbei, Richtung Terrasse und hörte Stimmen. Anscheinend ist Frank alleine unterwegs, folgerte er daraus und öffnete die angelehnte Glastür.

      „Hallo, ist was? Wo ist denn Frank?“ Michael setzte seinen Schulranzen ab und sah zwischen seiner Mutter und Tante Brigitta hin und her. Was haben die denn? Eine Minute später erklärte ihm seine Mutter die Lage und Michael machte seiner Enttäuschung gewaltig Luft: „Verdammter Mist!“

      „Was, wieso? Frank wollte doch Sonntag sowieso fahren, nun sind es zwei Tage eher“, sagte Susanne gespielt forsch.

      „Die Kartoffeln sind gar“, unterbrach Brigitta die beiden. „Lasst uns erst mal essen, Leute!“

      „Heute wollte ich mit Frank das ganze Gestrüpp zum und am Fluss wegschlagen. Das schaffe ich nämlich nicht alleine, wir haben viel zu lange gewartet damit. Das hätten wir wie jedes Jahr im Februar machen müssen“, gab Michael patzig von sich und schon zeigten sich tiefe Falten auf seiner Stirn.

      Susanne sagte leise. „Wir können auch noch länger warten, aber wir helfen dir, junger Mann! Das heißt, meintest du nicht vorige Woche, wir müssten noch fünf oder sechs Wochen warten wegen der Brutplätze und so? Wieso denn jetzt auf einmal nicht mehr?“

      „Ja, eigentlich ja, aber da dachte ich noch nicht an Franks Hilfe. Und jetzt ist er zu früh weg!“, ärgerte sich der Junge.

      „Ach so“, warf Brigitta ein, die sich die Arbeiten nicht so recht vorstellen konnte, bot sich aber sofort als Helferin an. „Soll ich mich umziehen, oder kann ich so bleiben?“

      „Umziehen! Eine Jeans und feste Schuhe, bitte“, bestimmte Michael sehr nachdrücklich. So beschlossen sie trotzdem, gleich nach dem Essen mit den nötigen Werkzeugen aufzubrechen und vorsichtig, eventueller Jungtiere wegen, die Arbeiten anzugehen.

      Während des Mittagessens horchte Susanne plötzlich auf. „Hört mal, was ist das denn schon wieder, hört ihr das auch?“ Sie sprang auf und lief zur Haustür. Bereits ahnend was dies Geschrei nur bedeuten konnte, öffnete sie ruckartig die Tür. Michael und Brigitta folgten ihr.

      „Oh, nein!“ Michael rannte an seiner Mutter vorbei auf die Straße dem laut weinenden Nachbarkind entgegen. Rosi! Er fing sie mit beiden Armen auf und holte sie in den Garten, wo sie total erschöpft auf die Wegplatten sank. „Mama ist tot, Mama ist tot, sie blutet und blutet, es hört nicht mehr auf, sie ist tot!“ Die Kleine wiederholte es mehrmals, wirkte völlig verstört.

      „Bleib mit Rosi hier Micha, wir schauen nach.“ Susanne und Brigitta eilten über die Straße zum Haas-Haus. Die Haustüre war weit geöffnet. Rosi musste auf und davon gerannt sein, ohne die Türe hinter sich zu schließen, was sich in diesem Fall sogar als sehr nützlich erwies. Der Anblick, der sich den beiden Frauen dort allerdings bot, war entsetzlich! Und nicht nur der Anblick! Sie sahen sich an und fanden keine Worte. Bereits im Flur roch es seltsam eklig, nach sauren Essensresten oder faulig und auch nach Angebranntem, einfach nur widerlich! Sie stiegen über herum stehendes Geschirr, zwei überquellende Wäschekörbe mussten sie bei Seite stoßen, ehe sie weiter vordringen konnten. Durch das Wohnzimmer kamen sie in die Küche, wo sie Frau Haas fanden. Es war so wie Rosi es sagte, da war eine Blutlache. Rosis Mutter lag auf dem Rücken, die Arme seitlich ausgestreckt und sie blutete am Hinterkopf oder der Schulter,


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