Drei Brüder. Jörg H. Trauboth

Drei Brüder - Jörg H. Trauboth


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einfach nur dunkel, sie ist schwarz. Pechschwarz. Kein Stern, kein Licht am Boden. Karge Felsen, etwas Gestrüpp, keine Bäume mehr in dieser Höhe. Sie sehen nur, was sie mit ihren Nachtsichtgeräten anvisieren. Das wenige Licht wird elektronisch so verstärkt, dass ein grünes Bild von der Umgebung entsteht. Sie haben sich an dieses künstliche Bild gewöhnt.

      »Option eins:«, sagt George, »sie hängen in den Sitzen, dann wird’s eine Drecksarbeit. Option zwei: einer hängt drinnen, dann suchen wir den anderen. Option drei: beide haben es geschafft.«

      »Frage ist nur, warum sie vollkommen stumm sind«, flüstert Marc hinüber.

      George flüstert zurück. »Spricht für Option eins.«

      Thomas und Tim haben die Flugzeugnase erreicht.

      »Thomas an Seal One, keiner im Cockpit, Schleudersitze fehlen, Crew hat sich raus geschossen!«

      »Verstanden, gute Nachricht, seht ihr Dokumente?«

      Sie leuchten rein.

      Aus der Ferne sehen die drei Navy Seals und Marc das Licht der beiden KSK-Soldaten in ihren Gläsern wie grelle Blitze.

      »Karten und ein Kniebrett!«, meldet Tim.

      »Okay, rausnehmen. Thomas, du bereitest eine Sprengladung vor!«

      Hauptfeldwebel Thomas Heinrich, ein 1,85 m großes Muskelpaket und Sprengstoffspezialist, legt seinen 40 Kilogramm schweren Rucksack ab, mit dem er sonst verwachsen zu sein scheint. Die Kameraden kennen Thomas eigentlich nur mit Gepäck oder unter Hanteln. Und immer mit einem Kampfmesser unter dem Kopfkissen.

      Während er den Sprengstoffsatz legt, sichert sein kleiner Freund Tim die unmittelbare Umgebung des Jets. Die beiden reden kein Wort miteinander. Müssen sie auch nicht. Sie kennen sich besser als jedes Ehepaar. Auch deswegen hat George sie zusammen an das Wrack geschickt.

      In weniger als vier Minuten hat Thomas das Cockpit für eine Sprengung mit Fernzündung vorbereitet.

      »Erledigt, George!«

      »Okay, Männer, langsam zurück!«

      Kurze Zeit später ist der Trupp wieder komplett. Sechs Männer, zwei Nationen, ein Team.

      Sie liegen zwischen Felsbrocken und suchen durch die aufgesetzten Nachtsichtröhren nach weiteren Anhaltspunkten. Felsen, Bergrücken, Spalten. Wo könnten die Fallschirme sein, wo die Schleudersitze? Wenigstens die beiden Sitze müssten doch erkennbar sein, wenn sie hier irgendwo liegen. George winkt Marc zu sich.

      »Was schlägst du vor?«

      »Die F-15 flog laut Radar mit östlichem Kurs. Also müssen wir die Jungs Richtung Westen suchen. Der Waffensystem-Offizier schießt sich zuerst raus, also sollten wir ihn westlich des Wracks finden, den Piloten aber hier, in der Nähe des Wracks.«

      George nickt bestätigend. Der hinten Sitzende betätigt den Schleudersitz immer zuerst, sonst liefe er Gefahr, von der Sitzrakete des Vordermanns getroffen zu werden.

      Marc zeigt auf die digitale Karte im Maßstab 1:50.000. Berge, Flüsse, sonst nichts. Der raue, kalte Hindukusch hat für die Jungs aus dem Westen ein fremdes, karges Gesicht.

      »Hier, ich schlage diesen Weg vor.«

      »Okay, Pfadfinder, du übernimmst!«

      »Habe übernommen.«

      Es sind diese standardisierten Prozeduren, die Voraussetzung für das Funktionieren im Team sind. Einer gibt vor, die anderen bestätigen. Das ist im Cockpit so und ist nicht anders in der Echo Force, die Marc jetzt anführt.

      Marc spricht leise zu der Gruppe.

      »Seals One, Two, Three, ihr nehmt die linke Seite. Thomas, Tim und ich die rechte. Ich bin in der Mitte. Abstand zwischen euch maximal dreißig Meter. Jeder hat Kontakt zu seinem Nachbarn.«

      Sie teilen sich auf.

      »Position eingenommen«, bestätigt einer nach dem anderen. Sie stehen jetzt auf einer Linie von knapp einhundertfünfzig Metern. Jeder ist für sich allein. Aber sie können den Trooper an ihrer Seite sehen, den Bruder für den Notfall.

      Marc schaut auf den Kompass, zweihundertsiebzig Grad. Sie setzen sich in Bewegung.

      Nach dreißig Minuten erreichen sie einen langen, schmalen Höhenrücken.

      »Runter«, gibt Marc leise durch. Sie pressen sich flach an den Boden. Langsam schiebt sich Marc an einen nackten Felsen. Er hebt den behelmten Kopf gerade so weit, dass er einen Überblick bekommt. Vor ihm liegt eine Landschaft mit riesigen, runden Felsbrocken und steil abfallenden, gigantischen Felswänden, unterbrochen von tiefen Spalten, die im fahlen Nachtlicht nur zu erahnen sind. Darüber das im Nachtsichtgerät leuchtende Weiß, der Schnee auf den Sechstausendern.

      Marc sucht angestrengt die Gegend ab. Nichts. Kein Schleudersitz, kein Fallschirm. Nur dieses Felsenmeer und eine karge Vegetation. Eine erbärmliche Welt in der grünen, künstlichen Realität der Nachtsichtgeräte.

      »Wir können nicht den geraden Weg nehmen, Gentlemen. In zweihundert Metern an der Spalte ist Feierabend.«

      Die Gruppe bewegt sich, rundum sichernd, weiter nach Westen.

      George bleibt plötzlich stehen.

      »Hörst du das, Marc?«

      Aus den Funkgeräten von George und Marc kommt ein leises, auf- und abschwellendes Heulen.

      »Das Notsignal, George! Gentlemen, wir haben Kontakt!«

      Der Trupp weiß, dass dieses Signal von den Piloten nach dem Ausschuss aktiviert und nur wenige Minuten pro Stunde gesendet wird.

      »Es ist fünf Minuten nach der vollen Stunde, passt, ist gemäß Absprache! Das ist unser Mann, George!«

      »Wie ist die Peilung, Marc?«

      »Elf Uhr. Die Quelle ist verdammt leise. Er muss Lichtjahre weg sein.«

      Bei den Männern der Echo Force steigt der Puls. Kontakt zu einem der Piloten! Doch sie halten die Suchformation bei und arbeiten sich weiter nach vorn. Noch haben sie nicht die Ortungsposition. Auf einmal geht es nicht mehr weiter. Wie ein unheimliches Maul tut sich eine mindestens acht Meter breite, dunkle Spalte vor ihnen auf.

      Von einer Sekunde auf die andere wird der Heulton schrill. Erschrocken dreht George die Lautstärke herunter.

      »Er muss hier sein, ganz in der Nähe!«

      »Tim an Marc, ich sehe einen Fallschirm, in der Spalte, zwanzig Meter unten!«

      »Alle Mann sammeln – zu Tim«, flüstert Marc ins Mikro.

      »George, du übernimmst!«

      »Habe übernommen!«

      Sie robben sich zu ihm, dicht an die Spalte, und leuchten hinunter. Unten sehen sie etwas, was da nicht hingehört. Die Reste eines Fallschirms, er hat sich an zwei Felsvorsprüngen aufgehängt. Der Laser-Entfernungsmesser zeigt dreiundzwanzig Meter.

      Und dann ist da noch etwas. George stockt der Atem, als er es im grünlichen Licht erkennt. Es ist nicht, dass jemand wie leblos an den Fallschirmfetzen hängt, sondern die endlose Tiefe darunter. George weiß, dass es eine Herausforderung sein wird, den Unglückskerl da herauszuholen, ohne dass der ganz abstürzt.

      Aber was ist mit ihm?

      Er richtet den Strahl der Lampe auf die Gestalt.

      »Bist du okay, da unten?«

      »Seid ihr Amerikaner?«, kommt es schwach aus der Tiefe.

      George strahlt. Der Mann lebt!

      »Ja, Darling, wir kommen direkt vom Himmel und holen dich jetzt raus!«

      »Wird auch verdammt noch mal Zeit. Ich friere mir hier den Arsch ab!«

      Er scheint in Ordnung zu sein, denkt George und ruft in die Tiefe: »Musstest du ausgerechnet diese Spalte nehmen?«

      »Ich


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